21: Vizekanzler oder Vizekanzlerin

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Die folgenden Tage vergingen wie im Flug. Unzählige Konferenzen, Sitzungen und Pressetermine dominierten den Kalender. Die endgültige Entscheidung war gefallen: Die Ampelkoalition würde Realität werden. Nun stand eines der wichtigsten Treffen an – die Verteilung der Ministerposten und die Entscheidung, wer das Amt des Vizekanzlers übernehmen würde. Annalena hatte schon länger das Gefühl, dass dieser Moment zu einem neuen Streit führen würde, und sie sorgte sich, wie sich das auf ihre private Beziehung zu Robert auswirken könnte.

Im Besprechungsraum saßen alle versammelt. Olaf Scholz hatte eine Liste vorbereitet, die er jetzt durchging. Finanzministerium für die FDP, Innenministerium für die SPD, Umweltministerium für die Grünen – es lief alles nach Plan, bis das Thema Vizekanzler aufkam. Annalena spürte, wie sich die Anspannung im Raum verdichtete. Jeder wusste, dass dies der heikelste Punkt war.

Scholz sah auf und stellte die entscheidende Frage: „Wer übernimmt den Vizekanzlerposten?“ Sein Blick wanderte zwischen Annalena und Robert hin und her.

Annalena straffte die Schultern. Sie wusste, dass dies ihr Moment war, um klarzustellen, dass sie die richtige Wahl war. „Ich denke, es sollte klar sein, dass ich den Posten übernehme“, begann sie ruhig, doch ihre Stimme trug eine Entschlossenheit in sich. „Ich war Kanzlerkandidatin. Ich habe den Wahlkampf geführt, die harten Entscheidungen getroffen und die Partei in die Verhandlungen geführt. Es wäre nur fair, wenn ich das Amt übernehme. Die Verantwortung lag bei mir, und ich habe es alleine getragen.“

Während sie sprach, merkte sie, wie der Raum still wurde. Sie spürte die Blicke der anderen auf sich, vor allem den von Robert. Sie hatte erwartet, dass er widersprechen würde – dass er seine eigenen Ansprüche auf das Amt des Vizekanzlers geltend machen würde, wie es die meisten in der Partei dachten. Doch als Olaf ihn direkt ansah und fragte: „Robert, wie siehst du das?“, blieb es für einen Moment still.

Robert zögerte kurz, bevor er ruhig antwortete, seine Augen fest auf Annalena gerichtet. „Annalena sollte es machen.“

Die Worte trafen Annalena unerwartet. Sie blinzelte und sah Robert an, als ob sie seine Antwort nicht glauben konnte. „Was?“ fragte sie leise, mehr an ihn gerichtet als an die anderen im Raum.

„Annalena hat recht“, sagte Robert mit fester Stimme, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Sie war Kanzlerkandidatin. Sie hat den größten Teil der Verantwortung getragen und den Wahlkampf geführt. Sie hat es verdient.“

Annalena war perplex. Sie hatte mit einem Kampf gerechnet, einer Diskussion, vielleicht sogar einem emotionalen Ausbruch von beiden Seiten. Aber stattdessen hörte Robert ihr einfach zu, anerkannte ihre Leistung und überließ ihr den Posten, den sie beide wollten. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Warum gab er so leicht nach? Was bedeutete das für sie beide – beruflich und privat?

Der Rest des Raums wirkte fast genauso überrascht wie sie. Christian Lindner hob eine Augenbraue, und auch Olaf Scholz schien einen Moment lang überrascht, bevor er nickte. „Dann sind wir uns einig“, sagte Scholz und machte sich eine Notiz. „Annalena Baerbock wird Vizekanzlerin.“

Annalena nickte stumm, doch innerlich war sie völlig durcheinander. Sie war erleichtert, dass sie den Posten bekommen hatte, aber Roberts Reaktion ließ sie nicht los. Sie erwartete irgendeine Art von Konflikt, doch stattdessen hatte er sie unterstützt. Als das Treffen beendet war und die anderen langsam den Raum verließen, blieb sie zurück, um mit Robert zu sprechen.

„Warum hast du das gemacht?“ fragte sie, als sie endlich allein waren. Ihre Stimme war ruhig, aber es schwang eine Mischung aus Verwirrung und Besorgnis mit.

Robert sah sie an, seine Augen ruhig und nachdenklich. „Weil du es verdienst, Annalena. Du hast all das durchgestanden, und ich weiß, dass es nicht leicht für dich war. Außerdem...“ Er hielt inne, als ob er seine Worte sorgfältig abwog, bevor er fortfuhr. „Ich will nicht, dass dieser Posten zwischen uns steht. Wir haben genug zu tun – beruflich und privat. Ein weiterer Machtkampf wäre das Letzte, was wir jetzt brauchen.“

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