Kapitel 20

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Meine Intuition hatte mich nicht getrogen. Hier war irgendetwas im Gange. Alle redeten durcheinander, und dann sah ich im Mittelpunkt der Aufregung Thokala-gleschka mit verschlossener Miene und verschränkten Armen stehen. Er war nackt bis auf den Lendenschurz, so wie er hier angekommen war. Fifi stand neben ihm und hielt eine Schrotflinte, mit der ich auch schon einige Schüsse hatte abgeben dürfen.

Stimmen und Gesprächsfetzen flogen zu mir herüber. „...war geladen. Ich konnte ja nicht wissen ..." – „Das hätte nicht passieren dürfen." – „Wieso hat keiner ein Auge auf ihn gehabt?"

Ich eilte näher. „Was ist passiert?", fragte ich in die Runde.

Jim wandte sich zu mir um, die Stirn gefurcht. „Fox hat eins unserer Rinder erschossen", berichtete er.

„Was?"

Bevor Jim das näher ausführen konnte, schob sich auch schon Randys kleine Gestalt zu mir hindurch. Er streckte einen Finger in meine Richtung wie eine Waffe. Ich spürte, wie Ohitika neben mich trat, und war dankbar für seine unterstützende Präsenz.

„Dein Kriegerfreund hier hat mir schon wieder Ärger gemacht", zeterte Randy.

Na toll, machte er mich etwa für die Handlungen von Thokala-gleschka verantwortlich?

„Er hat eine Waffe entwendet und sich damit auf die Weide gestohlen", fuhr Randy fort. „MacKenzie hat ihn dabei erwischt, wie er das tote Tier gerade mit seinem Messer abhäuten wollte. Was soll das, ist er nicht ganz dicht?", blaffte er mich an.

„Das frage ich mich auch", rief Mitchie. „Erst geht er auf mich und MacKenzie los, dann schießt er auf eine Kuh! Eine Kuh! Das muss man sich mal vorstellen!"

Die anderen murmelten zustimmend.

„Es tut mir leid, Randy, ich bin sicher, Thokala ... Fox hat sich nichts dabei gedacht", versuchte ich die Wogen zu glätten. „Er wusste nicht, dass er das nicht darf."

Randy kniff die Augen zusammen. Ich konnte ihm nicht verdenken, dass er mir das nicht abnahm. „Wenn die beiden nicht so wichtig für unsere große Show wären, würde ich euch auf der Stelle feuern", knurrte er. „Fox bekommt keine Waffe mit echten Patronen mehr in die Hand, dass das klar ist!"

„Klar", bestätigte Fifi mit schuldbewusster Miene.

Erstaunt blickte ich sie an.

„Ich habe ihn mit meinen Schätzchen schießen lassen. Wusste ja nicht, dass er sie gleich zur Generalprobe mitnimmt", gestand sie. Sie trat etwas näher zu mir heran und raunte: „War aber kein schlechter Schuss. Genau hinters Blatt ins Herz."

Ich schielte zu Thokala. Er wirkte nicht so, als würde er verstehen, was der ganze Trubel sollte. „Warum hast du diesen zahmen Büffel erschossen?", fragte ich. „Wir haben doch genug Essen hier."

„Ich will nicht immer diesen künstlichen Fraß essen. Ich bin Lakota, ein Krieger und Jäger, und lasse mich nicht füttern wie ein zahmer Hund, wenn ich mich auch selbst versorgen kann." Seine Augen blitzten.

„Kannst du aber nicht", fuhr ich ihn an. „Jedenfalls nicht hier. Wenn du dir noch mal so was erlaubst, fliegen wir raus, oder schlimmer. Sie holen die Polizei – die Ordnungshüter – und die setzen uns alle fest, weil wir keine Papiere haben – beschriebene Leder, die zeigen, wo wir herkommen." Ich seufzte, weil all diese Begriffe und Zusammenhänge so schwer zu erklären waren.

Thokala schwieg. Ich konnte nicht sagen, ob ihn meine Worte beeindruckt hatten oder vollkommen an ihm vorbeigerauscht waren. Nach und nach löste sich die Menschenmenge wieder auf und auch wir machten uns auf den Weg zu unserem Tipi. Das Abendrot war unmerklich in die grauen Schatten der Nacht übergegangen. Nur aus den Wohnwagen fielen Streifen von gelbem Licht und beleuchteten unseren Weg über die große Wiese.

Plötzlich Indianer - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt