Die Tage nach Hermines erneuter Begegnung mit Malfoy vergingen wie in einem Nebel. Sie wusste, dass sie eine Grenze überschritt, doch die Rätsel um Professor Snape ließen ihr keine Ruhe. Die Notizen in ihrem Buch wurden immer umfangreicher, aber gleichzeitig fühlte sie sich weiter entfernt von einer klaren Antwort. An einem kühlen Herbstmorgen saß sie mit Ginny im Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Ginny erzählte begeistert von einem neuen Trainingsplan für das Quidditch-Team, doch Hermine hörte kaum zu. Ihr Blick war auf das Kaminfeuer gerichtet, während ihr Kopf um ein Detail aus Malfoys Aussage kreiste: Nachtschichten. ,,Hermine? Hörst du mir überhaupt zu?" Ginny warf ihr einen genervten Blick zu. ,,Was?" Hermine blinzelte und drehte sich zu ihrer Freundin. ,,Ich habe gefragt, ob du mit mir in die Bibliothek gehen willst. Wir könnten danach zum Quidditch-Feld gehen, ein bisschen frische Luft würde dir guttun." ,,Vielleicht später", murmelte Hermine. ,,Ich habe noch etwas, das ich erledigen muss." Ginny runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Hermine war dankbar, dass ihre Freundin sie nicht weiter drängte, denn sie hatte bereits einen Plan gefasst.
In der Nacht schlich Hermine sich erneut aus dem Schlafsaal. Diesmal war sie besser vorbereitet: Ein Mantel gegen die Kälte, ein leiser Schrittzauber, den sie vor dem Spiegel geübt hatte und ihr treuer Zauberstab fest in der Hand. Sie wusste, dass Snape in der Regel in seinem Büro war, doch heute Abend sah es anders aus. Der Raum war verschlossen und durch die Ritzen der Tür drang kein Licht. Das bedeutete, dass er woanders sein musste. Hermine hatte in den letzten Tagen sorgfältig den Plan von Hogwarts studieren, der in einem der Bücher der Bibliothek abgebildet war. Sie wusste, dass es in der Nähe von Snapes Büro einen weniger bekannten Flur gab, der in die Tiefen des Schlosses führte. Es war ein Bereich, der normalerweise für Schüler verboten war, doch Hermine war bereit, das Risiko einzugehen.
Der Flur war düster und schmal. Die steinernen Wände schienen die Kälte des Schlosses zu speichern und Hermines Atem bildete kleine Wolken in der Luft. Mit ihrem Zauberstab beleuchtete sie den Weg, während sie darauf achtete, keine Geräusche zu machen. Nach einigen Minuten fand sie, wonach sie gesucht hatte: eine schmale, fast unsichtbare Tür am Ende des Korridors. Sie war mit einem alten Schloss gesichert, doch Hermine hatte bereits vorgesorgt. ,,Alohomora", flüsterte sie und das Schloss klickte leise auf. Die Tür öffnete sich knarrend und dahinter lag ein Raum, der deutlich anders war als die übrigen Teile von Hogwarts. Der Boden war mit dunklem Holz ausgelegt und die Wände waren mit Regalen bedeckt, die seltsamen Fläschchen, Bücher und Schriftrollen enthielten. Auf einem Tisch in der Mitte des Raumes lagen mehrere Pergamente ausgebreitet und eine Kerze brannte schwach vor sich hin. Hermine trat vorsichtig ein und schloss die Tür hinter sich. Sie wusste, dass sie hier etwas Wichtiges finden könnte, doch sie musste schnell sein.
Die Schrift auf den Pergamenten war schwer zu entziffern, doch ein Wort sprang ihr sofort ins Auge: Relikt. ,,Was hat das zu bedeuten?", murmelte sie und griff nach einem der Bücher. Es war alt und schwer und der Einband zeigte Symbole, die sie nicht kannte. Beim Durchblättern stieß sie auf einen Eintrag über magische Artefakte, die in der Lage waren, große Kräfte zu kontrollieren - oder zu zerstören. ,,Warum würde Snape so etwas studieren?" ,,Das ist eine ausgezeichnete Frage, Miss Granger." Hermines herz setzte einen Schlag aus, als sie sich umdrehte und Snape im Türrahmen stehen sah. Sein Gesicht war im Halbdunkel kaum zu erkennen, doch seine Stimme war so scharf wie ein Dolch. ,,Professor!", stammelte sie. ,,Ich... ich wollte nur..." ,,Spionieren", beendete er ihren Satz. ,,Wieder einmal." Er trat näher und seine Präsenz schien den Raum zu füllen. ,,Haben Sie eine Ahnung, wo Sie sich befinden? Oder was Sie gerade in den Händen halten?" Hermine schluckte. ,,Ich... wollte verstehen warum Sie so geheimnisvoll sind. Warum Malfoy gesagt hat, dass Sie..." ,,Malfoy." Snape zog die Augenbrauen hoch. ,,Natürlich. Er kann den Mund nicht halten. Aber das ist keine Entschuldigung für Ihr Eindringen." ,,Sie können mir nicht vorwerfen, dass ich Fragen stelle, Professor", sagte Hermine und hob trotzig das Kinn. ,,Sie haben selbst gesagt, dass ich immer tiefer graben soll, wenn ich die Wahrheit wissen will." Snape schnaubte leise. ,,Sie interpretieren meine Worte sehr frei, Miss Granger. Doch da Sie bereits hier sind..." Er nahm ihr das Buch aus der Hand und schlug eine Seite auf, die mit komplizierten Zeichnungen und Notizen gefüllt war. ,,Das, was Sie sehen, ist nichts für neugierige Schüler. Es ist gefährlich und Ihre Anwesenheit hier macht es nicht besser." ,,Warum tun Sie das dann?", fragte Hermine. ,,Warum riskieren Sie so viel, wenn es so gefährlich ist?" Für einen Moment schien Snape zu zögern. Sein Blick war schwer zu deuten, doch Hermine meinte, einen hauch von Müdigkeit darin zu sehen. ,,Weil es getan werden muss.", sagte er schließlich. ,,Was muss getan werden?", drängte Hermine. Doch Snape schüttelte den Kopf. ,,Sie wissen bereits zu viel. Gehen Sie zurück in Ihren Schlafsaal, bevor ich gezwungen bin, Sie zu bestrafen." Hermine wollte protestieren, doch sein Blick ließ keine Raum für Widerrede. Widerwillig verließ sie den Raum und fühlte sich zugleich besiegt und entschlossener denn je.
Zurück in ihrem Schlafsaal schrieb sie alles auf, was sie gesehen und gehört hatte. Die Notizen füllten fast eine ganze Seite, doch sie wusste, dass dies erst der Anfang war. Snapes Geheimnisse waren gefährlich, ja - aber sie hatte das Gefühl, dass sie entscheidend sein könnten und Hermine war nicht bereit, sich von ein paar Drohungen abschrecken zu lassen.
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Gefährliche Nähe
FanfictionNach dem Ende des Krieges kehrte Hermine Granger nach Hogwarts zurück, um ihre Ausbildung abzuschließen. Doch der alte Zaubererkrieg hatte tiefe Spuren hinterlassen und Hogwarts war nicht mehr der Ort, den sie einst gekannt hatte. Professor Severus...