❝I have been bent and broken, but-I hope-into a better shape.❞
- Charles DickensAls ich am nächsten Morgen mit hartnäckigen Kreuzschmerzen auf dem Boden neben meinem Bett aufgewacht war, versuchte ich erst einmal... eigentlich nichts. Ich blieb mit offenen Augen in Embryonal-Stellung zusammengekauert am Boden liegen. Ich zitterte noch immer am ganzen Körper und meine Körpertemperatur stieg erneut unaufhörlich weiter in die Höhe. Hatte das denn kein Ende? War ich bis in alle Ewigkeit dazu verdammt, Dinge in die Luft zu jagen und eine Art Dauerfieber zu haben? Ich hatte keine Ahnung womit ich das verdient hatte, warum ausgerechnet ich diese Gabe, oder besser gesagt Fluch, am Hals hatte.
"Flooorence, wo bissst du?" Oh nein, nicht jetzt, ich hatte keine Kraft mehr. Doch das interessierte Marc nicht. Ich hörte ihn schon die Treppe nach oben stolpern. Mein Körper reagierte sofort auf die Panik, die in mir aufstieg. Mir wurde schlecht und schwindelig zugleich, mein Herz begann zu rasen, mein Atem beschleunigte sich. Er war sicherlich schon auf dem Flur und ich lag hier immer noch wie das letzte Häufchen Elend am Boden. Ich durfte nicht schwach auf ihn wirken, ich musste den Schaden den er anrichtete so gering wie möglich halten. Also rappelte ich mich unter großer Anstrengung auf, sodass ich schließlich mit dem Rücken zur Wand dasaß, als er mein Zimmer strauchelnd betrat. Sein Aussehen zeugte davon, dass er bereits einige Kurze über die Grenze hinaus geschossen hatte. Die blutunterlaufenen Augen, der verschleierte Blick und am allermeisten der Geruch nach teurem Whiskey ließen die Erinnerung an den starken Geschäftsmann von früher verblassen. Damals hatte ich noch zu ihm aufgesehen, ich war stolz auf meinen Vater gewesen. Aber das hatte sich mit einem Schlag geändert, wortwörtlich. "Wiesso antwortesst du mir nich? Du hast mich doch gehört, Florence. Das sin' aber schlechte Manieren." Sein betrunkenes Gerede machte mich traurig. Nur so wenig war noch von meinem Adoptivvater übrig, der Alkohol hatte ihn völlig zerstört. Und er riss mich mit in den Abgrund.
"Vielleicht sollte ich dir mal zeigen, wie man sich benimmt. Sie hat immer gewusst, wie sie sich zu benehmen hatte. Du bist nicht wie sie." Er verglich mich mit ihr, schon wieder mit seiner verstorbenen Tochter. Das tat er immer, wenn er betrunken war. Sie starb, als ich zwei Jahre alt war. Damals war sie gerade mal 14 gewesen und hatte noch ihr gesamtes Leben vor sich gehabt, aber der Krebs hatte ihr ihre Zukunft geraubt. Und für Marc und Karen war es wirklich alles andere als leicht. Sie litten. Wegen mir. Auf Fotos sah ich immer wieder wie ähnlich ich ihr war. Die gleichen blauen Augen, das dunkle Haar, sogar die leichten Sommersprossen auf der Nase hatten wir gemeinsam.
Mit einem Ruck wurde ich an den Haaren vom Boden hochgezerrt und stand im nächsten Moment noch etwas wackelig auf den Beinen direkt vor meinem betrunkenen Adoptivvater. Er stand so nahe vor mir, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Und wieder setzte die rasende Atmung bei mir ein, als er mit seinem Daumen sanft über meine Wangen und die Sommersprossen fuhr. Für einen Moment dachte ich, es wäre mein Dad, der da vor mir stand, aber es war nur ein kurzer Augenblick, in dem seine Augen klar wurden und er der Mann war, zu dem ich früher immer aufgesehen hatte.
Ein brennender Schmerz auf meiner Wange holte mich in die Gegenwart und aus meinen Gedanken zurück. Entgeistert fasste ich mir an die pulsierende Stelle in meinem Gesicht. Marc sah mich mit vor Wut geblähten Nasenlöchern hasserfüllt an. "Du hast es nicht verdient auszusehen wie sie, nicht im Geringsten." Stolpernd wich ich einen Schritt zurück. Seine Worte hallten in meinem Kopf wieder, während ich verzweifelt versuchte die Tränen, die meine Augen bereits verräterisch glänzen ließen, zurückzuhalten. Er war zwar nicht mein leiblicher Vater, doch trotzdem hatte ich mein Leben lang niemand anderes außer ihn und Karen gehabt. Es tat weh, so etwas aus seinem Mund zu hören, obwohl ich mich eigentlich bereits daran gewöhnt haben sollte. Aber entgegen allem gesunden Menschenverstand konnte ich ihn nicht für seine Taten hassen. Ich fühlte mich eher schuldig, dass ich ihm nicht helfen konnte. War das für mich als seine Tochter nicht meine Pflicht? Ihm mit seinen Problemen zu helfen?
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Destruction
Ciencia FicciónZuvor hieß diese Geschichte 'Dragon Blood'. Das hier ist eine Art Reboot. Viel Spaß! 'Things we lost to the flames Things we'll never see again All that we've amassed Sits before us, shattered into ash' Eis und Feuer. Zwei natürliche Gegensätze. Wer...