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She was brave and strong and broken all at once
-Anna Funder

Die Geschichte Wilderlands.

Ich legte den dicken Wälzer achtsam auf einen kleinen Tisch, der unter dem Gewicht des Buches beinahe einzubrechen drohte, nahe des Kamins ab. Der braune Ledereinband, der aufwendig verarbeitet und einst von hohem Wert gewesen war, erinnerte mittlerweile nur noch an einen abgegriffenen, nach Moder riechenden Schmöker, dem die Jahre teuer zu stehen gekommen waren. Mit einem Anflug von Ehrfurcht strich ich mit den Fingern über den empfindlichen Einband und befreite ihn somit von seiner dicken Staubschicht.

Und so begann ich, mich in die Geschichte dieser Welt einzulesen. Um ehrlich zu sein, war ich fasziniert von den Geschöpfen, die auf den spröden Seiten beschrieben waren und es war mir ein Rätsel, wie all dies hier parallel zu meiner Welt ohne das Wissen der Menschheit existieren konnte.

Meine Augen weiteten sich, als ich auf einen Eintrag über den ewigen Krieg zwischen Elben und Drachen stieß.

Die Völker Wilderlands lebten einst in friedlicher Zusammenarbeit. Es geschah sogar, dass sich Elben, Drachen und Luxor gegen das Böse zusammenschlossen und gemeinsam in die entscheidende Schlacht zogen. Das Band der drei Völker zerbrach jedoch, als sich die Drachen auf die Seite der Nox stellten und somit ihre Bündnispartner verrieten. Trotz allerdem gelang den Elben und Luxor ein Sieg über das Böse und konnten die dunklen Wesen mitsamt ihrem durch die Schlacht schwer verletzten König aus Wilderland vertreiben. Von den Seiten der Nox drohte vorerst keine Gefahr mehr, doch der Kampf zwischen Drachen und Elben dauerte an. Ganze Dörfer wurden durch die Feuersbrünste der Drachen verschlungen und dem Erdboden gleich gemacht. Frauen verloren ihre Männer, Kinder ihre Väter. Der Krieg forderte viele Opfer auf beiden Seiten, doch niemals gab es einen entscheidenden Sieg zwischen den beiden Völkern.

"Faszinierend, nicht?" Erschrocken sah ich von dem Buch auf und blickte direkt in die Augen von Andoniel. "Schon ein wenig. Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte ich, während ich das Buch wieder zuklappte. "In der Tat, die Königin schickt nach dir." "Na wenn das so ist", antwortete ich schließlich und nachdem ich das Buch zurück an seinen Platz gebracht hatte, folgte ich ihm. Mir wurde ein wenig unwohl bei dem Gedanken, jetzt gleich alleine mit der Königin zu sprechen, aber ich ließ mir nichts anmerken.

Die Königin erwartete mich bereits auf ihrem Thron und tippte mit ihren langen Fingern ungeduldig auf ihrer Armlehne herum. Als sie mich sah, setzte sie ein freundliches Lächeln auf und erhob sich von ihrem erhöhten Sitz. Gleichzeitig machte sich die Anspannung in mir breit und mein Herzschlag verschnellerte sich. Ich hatte einen heiden Respekt vor ihr. "Schön, dich wieder wohlauf zu sehen, Florence. Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie glücklich wir alle sind, dass du nun endlich hier in Wilderland angekommen bist."
Wenn sie jetzt erwartete, dass ich antworten würde, ich wäre genauso erfreut, hatte sie sich gewaltig geschnitten, denn ich war alles andere als glücklich hier zu sein.

"Ich denke, ich könnte es mir besser vorstellen, wenn mir endlich mal jemand erklären könnte, warum ich hier bin." "Natürlich. Woher solltest du das auch wissen, die Howards haben dir ja nichts über deine Herkunft erzählt." "Moment- wollen Sie damit sagen, Karen und Marc wussten von alldem hier?" "Ja, genau das meine ich damit. Am besten fange ich ganz von vorne an. Komm doch bitte mit, wir gehen ein Stück."

Mit diesen Worten gingen wir also und die Königin begann, mir etwas Licht ins Dunkel zu bringen. "Du weißt ja offensichtlich schon, dass die Howards nicht deine leiblichen Eltern sind. Deine wirklichen Eltern waren Arthur und Elane Blackwood. Als sie dich bekommen haben, waren sie beide noch sehr jung gewesen, dennoch hatten sie beide gewusst, dass du uns eines Tages retten würdest. Sie brachten dich zu den Howards, um dich in Sicherheit zu bringen. Weil die Nox um deine Fähigkeiten wussten, setzten sie alles daran, diese Gefahr aus dem Weg zu räumen." "Und warum, brachten sie mich dann zu Karen und Marc? Warum war ich dort sicher?", unterbrach ich sie in ihrem Monolog. "Dazu komme ich jetzt", lachte sie. "Die Howards haben ihr Haus direkt auf das Labyrinth, das nach Wilderland führt, gebaut und somit wurde ein Pakt zwischen den Menschen und uns eingegangen. Da es ein Bündnis dieser Art vorher noch nie gegeben hat, wurde Magie freigesetzt und ein Schutzsschild gegen das Böse entstand. Genau dieses wollten sich deine Eltern zu Nutze machen, allerdings haben sie die Tatsache, dass sie sterben würden, sobald sie das Schutzschild erreichen würden, außer Acht gelassen." "Aber, wenn das doch ein Schutzschild ist, warum starben dann auch sie?" Das ergab doch alles keinen Sinn. "Magie fordert ihren Tribut, Florence. Deine Eltern waren bereit den Preis für dich zu zahlen."

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