Kapitel 2

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Als ich am nächsten morgen aufwachte, war ich einen Augenblick verwirrt, weil mein Wecker nicht klingelte, bis mir wieder einfiel was gestern geschehen war. Ich musste Lächeln. Dann stand ich auf und machte mich fertig. Da wir nur in der unteren Wohnung unseres großen Farmhauses wohnten, konnte ich von meinem Zimmer direkt in die Küche gehen. Als wir eingezogen waren, hatten wir angenommen dass das Haus nur aus einer großen Wohnung bestehen würde, doch es waren zwei von einander getrennte. Allerdings waren wir nicht traurig darüber, da allein die untere Etage schon doppelt so groß wie unser kleines Haus in England war. Und früher hatten wir immer geplant, dass ich einmal oben einziehen würde.

Dad saß, wie immer, schon in der Küche und trank seinen Kaffe.

„Guten Morgen." Sagte mein Dad mit seinem lustigen Akzent und auch auf seinem Gesicht lag ein kleines Lächeln. Wir zögerten nicht lange, sondern begaben uns nach einem kurzen Frühstück sofort in den Stall. Zuerst öffneten wir die beiden gegenüberliegenden großen Tore, danach machten wir uns daran die Fenster vom Dreck zu befreien, so das wieder Licht in den Stall kam. Dann probierten wir so gut es ging den Staub vom Boden raus zu kehren. Es ging nach hinten los, dann außer einem Hustenanfall brachte uns die ganze Aktion überhaupt nichts.

„Lass uns aufhören für heute." Meinte mein Vater nachdem wir uns wieder beruhigt hatten.

„Ich hole für morgen einen Kärcher. Kohls müssten so etwas haben." Beschloss er. Die Familie Kohl waren unsere Nachbarn. Sie wohnten nur 200m von uns entfernt, was hier wirklich wenig war. Wir waren schon seit wir hier waren mit ihnen befreundet. Ich nickte zustimmend. Dann gingen wir beide wieder ins Haus. Es war schon um fünf, wir hatten den ganzen Tag draußen verbracht. Mein Vater fuhr schnell noch mal zu Kohls um den Kärcher für morgen zu holen und ich beschloss einfach noch ein wenig nach draußen zu gehen. Von der Garderobe nahm ich mir eine Strickjacke und Mums Cowboyhut, eines der wenigen Erinnerungsstücke an sie. Ich spazierte durch den Wald und nicht zum ersten aber möglicherweise zu letzten Mal wünschte ich mir mein eigenes Pferd. Ich hatte gar nicht bemerkt wie ich in Richtung Brehmes, unsere anderen Nachbarn, gelaufen war, bis ich jemanden fluchen hörte.

„Scheiße Mann!" Im nächsten Augenblick flog ein Stein einen halben Meter neben mir an einen Baum. Ich hob den Stein auf und ging in die Richtung aus der er kam. Vor dem Tor der Brehmes stand ein junger Mann, den ich hier noch nie gesehen hatte. Er war muskulös, hatte dunkle Haare und trug eine einfache Jeans, ein hellgraues Shirt und darüber eine schwarze Lederjacke. Ich fand ihn auf eine seltsame Art anziehend und interessant. Langsam ging ich auf ihn zu.

„Also erst mal, ist das hier ein Stein" Ich warf den Stein kurz hoch und fing ihn wieder auf bevor ich fortfuhr: „und keine Scheiße. Und zweitens bin ich eine Frau und kein Mann." Erklärte ich. Er sah mich abschätzend an. Eigentlich hätte ich einen abfälligen Kommentar erwartet, doch er sagte gar nichts.

„Alles in Ordnung?" fragte ich diesmal ernsthaft.

„Nein, verdammt! Ich hab keine Arbeit, keine Bleibe und keine Ahnung warum ich dir das eigentlich erzähle! Außerdem bin ich bald pleite." Den letzten Satz fügte er nach einem kurzen Seufzer hinzu.

„Vielleicht kannst du heute bei uns übernachten." Was um alles in der welt redete ich? Da war mein Mund mal wieder schneller als mein Hirn. Ich konnte doch nicht einem Wildfremden anbieten bei uns zu übernachten! Er sah mich prüfend an.

„Echt jetzt?" fragte er nach einiger Zeit.

„Weiß ich nicht. Wir müssen erst meinen Vater fragen." Meinte ich mit einem Schulterzucken. Was tat ich hier!?

„Also meinst du das wirklich ernst?" fragte er erneut. Ich nickte nur. Jetzt war es sowieso zu spät um sich noch rauszureden.

„Ok und wo wohnt ihr?"

Blue's SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt