Kapitel 11

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„Nein Jay!" reif ich aufgebracht.

„Komm schon. Ich pass auf dich auf."

„Nein. Ich klettere nicht auf einen Baum. Ich krieg ja schon Panik wenn du da oben bist."

„Ja und genau deshalb sollst du ja mit. Damit du siehst das es überhaupt nicht gefährlich ist." Ich sah ihn skeptisch. Er nahm meine Hände in seine und allein das reichte aus um mein Herz einen Marathon laufen zu lassen.

„Für mich?" Mein Herz vergaß Jays komisches Verhalten der letzten Stunden und ließ mich nicken. Jay ging zu einem der größten Bäume und kletterte geschickt hinauf. Ich stand nur ratlos unten.

„Stell am besten dein linkes Bein auf den Ast und halt dich mit deiner rechten Hand dort fest, dann kannst du dein rechtes Bein dort hin stellen und schon bist du oben." Erklärte Jay, und tat als wäre es das einfachste auf der Welt. Ich probierte seinen Anweisungen zu folgen und schaffte es tatsächlich auf den Baum. Oben setzte ich mich hin und probierte meine Atmung irgendwie wieder zu normalisieren. Ich schaute absichtlich nicht nach unten.

„Siehst du, ist doch gar nicht so schlimm. Und jetzt kannst du über diesen Ast hier hoch klettern." redete Jay munter weiter. Ich sah zu ihm hoch. Das waren mindestens drei Meter. Und ich war jetzt schon zwei Meter über dem Boden. Trotzdem stand ich auf und kletterte tapfer weiter.

„Jay das reicht jetzt." Bestimmte ich, als ich auch dieses Stück Baum hinter mich gebracht hatte. Er kam mit einem Ok wieder zu mir runter geklettert.

„Sieh dir die Aussicht an." Schwärmte er sofort und zeigte mit dem Arm in Richtung Horizont. Zugegeben, die Aussicht war nicht die Schlechteste, trotzdem raste mein Herz wie ein Ferrari auf der Autobahn.

„Entspann dich eine wenig. Dir kann nichts passieren." Meinte Jay doch ich glaubte ihm kein Wort. Meine Angst war viel zu groß.

„Jay ich muss hier wieder runter." Meine ich schnell atmend.

„Ok. Aber bleib ruhig. Ich zeige dir wie es geht." Jay kletterte geschickt an mir vorbei und war mit nur wenigen Griffen wieder unten.

„Also setzt dein linken Fuß einfach auf den oberen Ast, dann kannst du mit dem rechten darunter drehten." Erklärte er ruhig. Ich sah nach unten und mein ganzer Körper begann zu zittern. Ich war so hoch. Ich setzte meinen linken Fuß nach unten dann meinen rechten. Als ich wieder nach unten sah wurde mir auf einmal schwindelig und ich hatte das Gefühl mich übergeben zu müssen.

„Jay mir ist schlecht." krächzte ich und klammerte mich panisch an die Äste.

„Ganz ruhig, Blue. Ganz ruhig. Ich komme hoch. Bleib ganz ruhig." Beruhigte mich Jay sofort und kam die zwei Meter zu mir nach oben geklettert. Kaum spürte ich seine Arme unter mir, ließ ich den Baum los und klammerte mich an ihn. Jay schaffte es tatsächlich irgendwie uns beide heil vom Baum zu schaffen. Er setzte sich ins Gras und zog mich auf seinen Schoß.

„Alles gut Blue. Wir sind unten. Alles gut." murmelte er immer wieder. Irgendwann beruhigte sich mein Herzschlag wieder und ich atmete wieder normal.

„Ich gehe nie wieder da hoch." Nuschelte ich.

„Musst du auch nicht. Ok?" Ich nickte.

„Blue?" Ich sah ihn an. Er strich mir mit dem Daumen über die Wange. Auf einmal waren wir uns wieder verdammt nah. Ich versank in seinen dunkelblauen Augen. Er bewegte sich einen Millimeter auf mich zu, doch dann blitzte etwas in seinen Augen auf und er drehte den Kopf weg. Was war das denn? Verzweiflung? Sofort kamen mir die Gedanken von heute morgen wieder in den Sinn. Wir hatten eine kurze, wunderschöne Zeit am See gehabt und danach wand er sich wieder von mir ab. Warum verdammt? Ich wurde wütend. Auf ihn, auf sein Verhalten, darauf das er mich nicht an sich ran ließ. Und dann fiel mir ein das ich eigentlich nichts von ihm wusste, außer das mit seinem Vater, seinen Namen und dass er aus Düsseldorf kam. Er kannte viel mehr von mir. Meine Höhenangst, die Geschichte von meiner Mutter, meinen Lieblingsfilm. So viele kleine Dinge. Ich stand auf und wandte mich zum gehen.

Blue's SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt