Kapitel 22

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Irgendwann später am Abend klingelte auf einmal Jaydens Handy. Er sah darauf, stand auf und lief in die Küche. Ich schaute verwirrt hinter her und stellte den Fernseher leiser.

„Was willst du?" Hörte ich Jay fauchen. Vermutlich war es jemand von X. Es gab eine Pause.

„Du Arschloch. Du hast es verbockt. Doch anstatt froh zu sein, dass ich probiere es wieder hin zu biegen, machst du mir auch noch Druck." Wieder eine Pause. Ich lehnte mich etwas zurück um Jay sehen können. Selbst von hier konnte ich erkennen, dass er jeden Muskel anspannte.

„Sag mal spinnst du, Meo!" Jay schrie in der Zwischenzeit. Es war gar nicht X, sondern Jaydens Cousin.

„Du beschissener Wichser." Damit flog das Handy an die nächste Wand. Ich schaltete den Fernseher aus und stellte mich in die Küchentür. Jay stand da, mit den Händen auf den Tisch abgestützt, und atmete heftig. Ich hatte das Gefühl sehen zu können wie schnell sein Herz raste.

„Jay?" Fragte ich leise.

„Lass mich in Ruhe." Fauchte er zurück.

„Was ist denn mit Meo? Was hat er denn ..."

„Ich sagte, lass mich in Ruhe!" Schrie er. Ich zuckte zurück. Ich hatte ihn schon einmal so ausrasten sehen, Als Juck mich damals, bei unserer ersten Begegnung, geschlagen hatte, doch noch nie hatte seinen Hass gegen mich gerichtet. Im nächsten Moment flog ein Stuhl durch die Küche, danach die Stehlampe und dann noch die bunte Vase, die ich vor wenigen Tagen erst von Dad mit hoch gebracht hatte. Schließlich verließ er mit einer knallenden Tür die Küche. Einen Augenblick stand ich nur wie gelähmt da, dann begann ich alles auf zu räumen. Die Lampe stellte ich wieder in die Ecke und holte eine neue Glühbirne. Dem Stuhl ging es noch einigermaßen gut, ich stellte ihn einfach wieder ordentlich an den Tisch. Dann kehrte ich die Scherben der alten Glühbirne und der Vase auf und schließlich baute ich Jaydens Handy wieder zusammen, das durch den Aufprall an der Wand in einige Einzelteile zersprungen war. Es hatte zum Glück nur eine kleine gesprungene Stelle im Glas und ging sogar wieder an. Nachdem ich die Scherben nach unten in den Müll gebracht hatte, schlich ich leise ins Schlafzimmer. Jay schlief. Ich machte mich fertig und legte mich neben ihn ins Bett. Als ich kurz davor war einzuschlafen, bemerkte ich wie Jayden begann sich hin und her zu drehen. Er murmelte immer wieder hektisch etwas, doch ich konnte nicht verstehen, was genau er sagte. Nach wenigen Minuten schreckte er hoch. Ich lag mit dem Rücken zu ihm und tat so als ob ich schon schlief. Jay beugte sich leise zu mir.

„Es tut mir Leid, Blue! Unendlich Leid." Flüsterte er und strich mir leicht über die Haare. Dann legte er sich zurück auf seine Seite. Was war nur mit ihm los? Normalerweise wusste Jay ganz genau ob ich schlief oder nicht. Er hatte es gewusst, als er mich nur wenige Tage kannte. Warum jetzt nicht? Es dauerte lange bis ich einschlief und ich hatte das Gefühl nach nur wenigen Minuten wieder auf zu wachen. Jay wälzte sich schon wieder ins Bett. Ich probierte einfach wieder einzuschlafen, doch es klappte nicht. Jayden begann wieder etwas zu murmeln. Ich drehte mich zu ihm und schüttelte ihn leicht an den Schultern.

„Jay." Flüsterte ich. „Jay." Er schreckte hoch und sah mich mit großen Augen an. Im nächsten Moment schloss er mich fest in seine Arme. Auf einmal spürte ich wie seine Brust leicht vibrierte. Einen Augenblick lang dachte ich er würde lachen, doch dann bemerkte ich wie er leise schniefte. Jay weinte. Ich drückte ihn noch fester an mich und er begann noch etwas heftiger zu schluchzen.

„Schon gut." Murmelte ich. Nach einiger Zeit beruhigte er sich wieder.

„Erzählst du es mir?" Fragte ich vorsichtig.

„Sie haben dich geschlagen. Und dann hab ich dich ... geschlagen." Gegen Ende schluchzte er erneut.

„Wer hat mich geschlagen?" Fragte ich leise weiter.

„Xo, Juck, Marvie, Jo, Can, ... einfach alle von X. Und dann ich."

„Du würdest mich nie schlagen." Versicherte ich ihm. Er rückte ein Stück von mir ab um mich anzusehen.

„Woher willst du das wissen?" Hauchte er.

„Ich weiß es einfach. Ganz sicher." Ich küsste ihn ganz sanft, sodass sich unsere Lippen nur minimal berührten.

„Als ich in Düsseldorf war, hatte ich ein ... Aggressionsproblem. Ich bin ausgerastet, Anfangs nur bei wichtigeren Dingen, wenn jemand Schu dumm angemacht hat oder so. Aber über die Zeit wurde ich immer aggressiver, irgendwann hab ich mal fast jemanden verprügelt, weil ihm ein Pappbecher runter gefallen ist. Ich war deshalb bei einem Psychiater und ich hatte es sehr lange unter Kontrolle. Aber als ich damals ausgerastet bin, als Juck dich geschlagen hat, hatte ich panische Angst dass es wieder passiert. Und es ist passiert, Blue. Ich raste aus ... ohne Kontrolle." Jay rollten erneut ein paar Tränen über die Wange und ich wischte sie ihm vorsichtig weg.

„Jay. Ich vertraue dir. Voll und ganz. Du würdest mir niemals absichtlich weh tun. Das hast du auch heute, oder besser gestern, Abend nicht ok. Ich habe nichts abbekommen, es geht mir gut. Jay ich vertraue dir, ich l ..." liebe dich.Ich brach ab. Ich wusste wie sehr er es in diesem Moment gebraucht hätte, doch ich konnte mich nicht überwinden und dafür hatte ich mich selbst ohrfeigen können. Doch diese drei Worte waren für mich so voller Bedeutung, dass ich sie nicht einfach so über die Lippen brachte. Ich liebte Jayden, doch ich konnte es ihm nicht sagen. Ich legte meine Lippen auf Jays um den Moment zu überbrücken.

„Womit habe ich dich verdient?" Flüsterte Jay nachdem wir uns wieder voneinander lösten und legte seine Stirn gegen meine. Ich nahm sein Gesicht in meine Hände.

„Jay, tu mir einen gefallen. Hör auf so schlecht von dir zu denken. Hör auf so an dir zu zweifeln. Das hört sich jetzt vielleicht kitschig an, aber du bist das Beste was mir je passiert ist. Ich will dich nicht mehr verlieren. Vor allem nicht wegen deinen eigenen Zweifeln. Ich will nicht das du gehst. Ich brauche dich, ok?" Jay nickte leicht. Ich gab ihm noch einen Kuss, bevor wir uns wieder hinlegten. In Jays Armen brauchte ich nur wenige Momente um ein zu schlafen.

Blue's SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt