Gewissen

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Clove POV:

Ich schlucke. Mein Atem kommt stoßweise. Was... ist da gerade passiert? Habe ich gerade wirklich einem kleinen Mädchen, die vermutlich einzigste Chance genommen, ihre Heimat jemals wiederzusehen.

Sie hätte es nicht geschafft. An diesem Gedanken halte ich mich betend fest. Ich hebe den Blick und lasse ihn im Raum umherschweifen. Erst jetzt realisiere ich, dass ich in keinem Zimmer, sondern eher einem spärlich beleuchteten Gang stehe. Allein.

Die Wände ragen hoch und gleichzeitig so bedrohlich eng um mich auf. Die Anderen müssen sich alle schon versammelt haben, jetzt fehle nur noch ich... ich und ein Mädchen. Ich stütze mich für einen kurzen Moment an die Wand.

Wie sehr einen dieser Ort verändert. Noch nie in meinem Leben habe ich derart übermächtige Schuldgefühle in mir aufkeimen gespürt. Ich verziehe angewidert das Gesicht. Das hier ist widerwärtig, abstoßend und menschunwürdig. Leben werden zerstört. Familien entzweit. Elend wird verbreitet. Elend... durch uns, die Tribute, die für jeden Mord noch mehr Leid verstreuen. Und wofür?

Damit sie als Sündenbock verantwortlich gemacht werden und das Kapitol seinen Hals aus der Schlinge ziehen kann.

Jeder Mensch ist zu einem Mord fähig, wenn eine ganz bestimmte Situation auftritt. Und ich... habe bereits vor Beginn der Spiele ein Kind den Geiern zum Fraß vorgeworfen.

Starr blicke ich in die Dunkelheit die so aussieht als würde sie jedes bisschen Licht sofort verschlingen. Taub mache ich einen Schritt vor dem anderen nach vorne.

Entschlossenheit macht sich in mir breit. Hier heißt es fressen oder gefressen werden.

Die Schwärze des Gangs umfängt mich. Ich strecke die Hände nach vorne und taste mich an der Wand entlang. Nach kurzer Zeit erkenne ich eine Türe, die durch den matten Schein einer Neonröhre erleuchtet wird. Zielstrebig gehe ich darauf zu. Ein paar Zentimeter davor zögere ich eine Sekunde bevor ich endlich die Klinke herunter drücke.

Grelles Licht schlägt mir entgegen. Reflexartig hebe ich die Arme vor meine Augen, die sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Ich blinzele ein paar Male ehe ich langsam meine Arme wieder sinken lasse.

Ich stehe in einem hellen Raum. Ich runzele die Stirn als ich massenweise Trainingsgeräte überall verteilt wahrnehme.

Was zur Hölle...

Aus dem Augenwinkel erkenne ich eine Gestallt. Ich zucke zusammen und wirbele herum. Es ist Gala, und hinter ihr... ? Ein gut gebauter Junge. Ich glaube er kommt aus Distrikt 4.

,,Oh wie schön das du dich auch mal blicken lässt". Forschend und kühl starrt mich die kleine Frau an.

,,Aber nach diesem kleinen Vorfall wundert mich deine Verspätung nicht." ,,Woher?", frage ich überrascht, werde aber von Gala unterbrochen. ,,Das hat dich nicht zu interessieren. Wir haben eine kleine Planänderung."

Verwirrt sehe ich sie an. Was redet sie da?

,,War ja klar", murmelt Gala genervt. ,,Dieses Jahr ist alles komplett anders. Ihm", sie deutet auf den Jungen, der mich ziemlich finster anstarrt, ,,habe ich es schon erklärt. Ich wiederhole es jetzt ein letztes Mal und wenn du mir nicht zuhörst kann ich dir nicht helfen".

Ich glaube sie kann mich nicht leiden. Ich nicke kurz und knapp. Gala holt tief Luft. ,,Eigentlich war geplant, dass jeder Tribut mit seinem ,,Partner" aus dem selben Distrikt zusammen 10 Minuten bekommen, die sie sich untereinander einteilen. Zum Schluss gibt es einen kleinen Kampf. Aber da Minho's Partnerin disqualifiziert ist und du als letzte gekommen bist, wirst du sein Partner."

Die Tribute von Panem (Die Geschichte von Cato und Clove)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt