4.Kapitel

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Ich brachte kein Wort heraus. Wenigstens konnte ich nicken.

Die Frau lächelte. "Dachte ich's mir. Hab keine Angst, du wirst heute noch diesen Raum verlassen. Aber davor willst du doch sicher noch ein paar Dinge wissen, nicht wahr?"

Ja!

Ich nickte erneut. Ich war einfach zu geschockt, um etwas zu sagen. So lange war ich in diesem kleinen, weißen Würfel gefangen gewesen, ohne zu wissen wer ich bin, und jetzt, ganz plötzlich, konnte ich raus und endlich erfahren, was ich wissen wollte. Es war so schön. Zu schön um wahr zu sein.

"Also... Ich werde dir mal die wichtigsten Fakten erzählen..." Sie kramte einen kleinen Brief aus einer ihrer Kitteltaschen, faltete ihn auseinander und begann zu lesen.

"Dein Name ist Finja. Du bist 16 Jahre alt... Ach, da fällt mir ein, ich habe mich ja noch gar nicht bei dir vorgestellt." Sie grinste mich an und hielt mir ihre Hand hin. "Ich bin Dr. Lewis." Ich nahm sie, versuchte freundlich auszusehen und lauschte weiter. "Hmm... mehr steht da eigentlich auch nicht."

Was???

Dr. Lewis hatte meine entsetzte Miene vermutlich bemerkt, denn sie fügte schnell hinzu: "Natürlich steht hier schon mehr, aber..." Sie zögerte. "Ich darf dir einige der Informationen nicht liefern. Das musst du akzeptieren. Das ist bei den Anderen auch so."

Welche Anderen???

Sie musterte mich neugierig. Dann fiel ihr etwas ein. "Das mit den Anderen, ähm... solltest du erst morgen erfahren." Sie seufzte. "Weißt du was? Wieso fragst du mich nicht einfach, was du wissen willst?", bat sie mich.

"Wieso bin ich hier?", platzte es aus mir heraus. "Diese Informationen stehen dir erst morgen zur Verfügung. Es tut mir leid.", antwortete sie. "Wieso erst morgen?", wollte ich wissen. "Vertrau mir einfach. Du wirst morgen... so viel wie nötig erfahren. Bis dahin musst du dich etwas gedulden. Ich weiß, es ist schwer, aber du kannst es schaffen. Du bist stark." Sie blickte mich liebevoll an. "Was darf ich dann heute wissen?", fragte ich. "Alles was nicht deine Vergangenheit betrifft. Am Besten du fragst mich etwas, dass du in diesem Raum erlebt hast." Sie deutete um sich. Ich überlegte. Also durfte ich nicht wissen, weshalb ich hier bin. Na toll. Vielleicht würde ich es ja wirklich morgen erfahren.

"Wie konnte ich so lange überleben? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich irgendwann Wasser bekommen hätte... Und wieso ging es mir von Tag zu Tag besser anstatt schlechter?" Ihre Augen leuchteten auf. Anscheinend hatte ich etwas gefragt, dass sie tatsächlich beantworten konnte. "Du weißt ja... dass du dieses Mittel bekommen hast. Es ist nicht nur der Grund weshalb du dich an nichts erinnern kannst, sondern auch der Grund für dein Überleben. Immer wenn du geschlafen hast, bin ich zu dir rein und hab es dir gespritzt. Es macht dich gesund und lindert Schmerzen, außerdem stillt es alle menschlichen Bedürfnisse. Es enthält alles, was du brauchst, um am Leben zu bleiben, um es kurz zusammenzufassen."

Das musste ich erst einmal verarbeiten. Ich schloss die Augen und überlegte, was ich noch wissen wollte. Und auch wissen durfte. Mir fiel einfach nichts ein.

"Können sie mir nicht wenigstens... irgendetwas darüber sagen, weshalb ich hier bin?", fragte ich verzweifelt. Es war eine Folter, nichts zu wissen. Alles was ich jetzt brauchte, waren Informationen. Vermutlich brauchte ich sie sogar noch mehr als diese merkwürdige Droge.

Sie sah mir lange in die Augen und antwortete nicht. Das war wohl ein Nein. Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen, damit Dr. Lewis die Träne nicht sehen konnte, welche mir jetzt die Wange runterlief.

"Ich kann dir nur eins sagen.", begann sie plötzlich. Ich schaute auf. "Du bist hier, weil du eine Überlebenskünstlerin bist." Sie streichelte meine Wange und lächelte. Ich zuckte zusammen. So viel Körperkontakt war ich nicht gewohnt. "Du bist hier, um die Menschheit zu retten.", fügte sie leise hinzu.

Dann drehte sie sich schnell um und schaute wieder auf ihre Uhr.

Die Menschheit retten? Ich?

Ich hatte nicht viel Zeit um verwirrt zu sein, denn die Blondine nahm meine Hand, zog mich zu ihr und sagte: "Es wird Zeit, dass du hier raus kommst." Sie tippte auf ihrer Uhr herum. Ein Lichtstrahl ging von dem Ziffernblatt aus und erfüllte den ganzen Raum. Es wurde wieder unerträglich hell, sodass ich die Augen schloss.

Im nächsten Moment stand ich nicht mehr in dem mir so vertrauten kleinen, weißen Zimmer.

Ich war in einem riesigen Gang.

Stolen LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt