Obwohl der Gang genauso weiß war wie der würfelförmige Raum, war ich unheimlich froh, etwas anderes als dieses kleine Gefängnis zu sehen.
Aber etwas verstand ich überhaupt nicht.
"Wie... wie sind wir hierher gekommen?", wollte ich wissen.
"Telepathie.", erklärte Dr. Lewis während sie auf ihre Uhr zeigte. Dann ging sie den Gang entlang.
Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte ihr hinterher. Doch dann riss ich mich zusammen und lief ihr hinterher.Der Gang hatte auf jeder Seite, links und rechts, große, quadratische Scheiben, die wie Glas wirkten, doch so stabil wie eine Wand aussahen. Durch die Glaswände sah man überall das gleiche Zimmer, in dem auch ich gewesen war.
8. Es sind 8 Räume... Für 8 Nummern?
Ich konnte mich nicht daran erinnern, in meinem Zimmer eine Glasscheibe gesehen zu haben. Dr. Lewis sah meine verwirrte Miene und sagte: "Diese Wände dienen dazu, dass wir euch beobachten können, ihr uns aber nicht seht. Von innen sieht man nicht in den Gang. Es ist eine wahrhaft geniale Erfindung." Sie strahlte und wandte sich dann ihrem Klemmbrett zu. Ich ging ihr weiter hinterher. Wir bogen rechts um die Ecke und gingen durch einen weiteren Gang. Doch hier gab es keine Räume hinter Glaswänden. Da waren nur Türen. Jede Tür war weiß, doch auf jeder stand etwas anderes.
Auf jeder stand eine andere Nummer. Und es gab genau 8 Türen.
Bei Tür Nr.8 blieben wir stehen.
Natürlich.
Die Blondine lächelte mich an, öffnete die Tür und deutete mir, hineinzugehen. Ich zögerte. Was, wenn dies mein nächstes Gefängnis war? "Keine Angst,", beantwortete Dr. Lewis meine unausgesprochene Frage, "die Türe wird nicht abgeschlossen. Nur wenn es nötig ist." Dann ging sie in den Raum und betätigte einen Lichtschalter, worauf Raum 8 beleuchtet wurde. Noch immer zögernd folgte ich ihr. Dieses Zimmer war ganz anders als das erste. Es war viel größer, besaß einen Kasten, ein Waschbecken und in der Mitte stand ein Bett. Außerdem entdeckte ich im hinteren Eck eine kleine Tür, die, wie Dr. Lewis sagte, in meinen Duschraum führte.
"Wieso ist es bei... den Anderen nötig die Tür abzuschließen und bei mir nicht?", fragte ich. Sie setzte wieder ihr freundliches Lächeln auf. "Nun, du scheinst friedlich zu sein. Das ist sehr Bewundernswert. Einige der Anderen... kommen mit der Situation noch nicht klar und werden leicht aggressiv, weshalb... es für uns alle am Besten so ist. Aus Sicherheit. Aber mach dir keine Sorgen." Sie hielt kurz inne, dann fuhr sie fort: "Du kannst dich waschen und ein bisschen schlafen, wenn du möchtest. In ungefähr zwei Stunden wird dir dein Abendessen aufs Zimmer gebracht. Ich bitte dich, etwas zu essen, da du nun nicht mehr deine tägliche Dosis bekommst. Das ist so vorgeschrieben. Mehr Informationen bekommst du morgen. Ach ja, noch was: Deine Tür wird zwar nicht verriegelt, jedoch bitte ich dich, dich hauptsächlich in deinem Zimmer aufzuhalten. Falls du, wie manche anderen, versuchen solltest, aus diesem Teil des Labors auszubrechen, muss ich dich enttäuschen: An jedem Ende der zwei Gänge, die du heute gesehen hast, befindet sich ein Energiefeld, welches dir einen Elektroschock gibt, wenn du versuchen würdest, hindurchzugehen. Dieser Stromschlag wäre zwar nicht tödlich, doch du würdest in Ohnmacht fallen und ein Alarm würde ausgelöst werden, sobald du das Feld berührt hast. Es ist also sinnlos, auch nur ans Weglaufen zu denken.
Du befindest dich im rechten Gang von diesem Abschnitt des Labors und wie du vielleicht schon bemerkt hast, gibt es auch noch einen linken Gang. Dort ist es ebenso unmöglich zu fliehen, da der Gang in eine Sackgasse führt. Morgen werde ich dich in den linken Gang bringen, wo sich unter anderem der Gemeinschaftsraum befindet. In diesem Raum wirst du mit den Anderen weitere Informationen erfahren. Heute allerdings steht bis auf das Abendessen nichts mehr an, weshalb ich dich bitte, nach der Aufnahme deines Essens gleich zu schlafen."Dr. Lewis erklärte mir diese Dinge in einem äußerst gelangweiltem Ton, als hätte sie das schon sehr oft wiederholt. Ich war zwar noch immer durcheinander, doch die Regeln, die sie mir erklärte, gaben mir eine Art Halt. Jetzt wusste ich zumindest ein wenig mehr. Trotzdem machte mir das alles auch Angst, und ich konnte es gar nicht erwarten, morgen noch mehr zu erfahren.
Informationen und Wahrheiten sind wie eine Droge. Hat man ein bisschen davon, will man immer mehr.
Dr. Lewis marschierte zur Tür und drehte sich noch ein letztes Mal zu mir um. "Also, dann bis morgen, Nummer 8. Ich erwarte dich nach deinem Frühstück vor dieser Tür." Sie lächelte mich an, ging aus dem Raum und zog die Tür hinter sich zu.
Zuerst wollte ich dieses neue Zimmer erkunden. Ich öffnete den Schrank und stellte fest, dass sich darin nur graue Kleidungsstücke befanden. Wieder keine Farben.
Nun steuerte ich auf den Spiegel zu. Er hing über dem Waschbecken und ich konnte es kaum erwarten, endlich zu wissen, wie ich eigentlich aussah.Das erste, was ich sah, waren große, grün-graue Augen, die mir entgegenblickten. Ich fuhr mit einem Finger meine Gesichtszüge entlang. Mir war zwar nicht bewusst, ob das was ich sah, hübsch war, doch etwas an mir fand ich schön. Meine Haare. Die roten, leicht welligen Strähnen umrahmten mein Gesicht und ließen die markanten Züge weicher wirken. Dann wandte ich dem Spiegel den Rücken zu, um in den kleinen Duschraum zu verschwinden.
Dort gab es eine Dusche, eine Toilette und eine kleine Kommode, in der sich Handtücher befanden. Ich duschte und wusch mir die Haare, kehrte in den großen Raum zurück und zog mir eine graue Jeans und ein gleichfarbiges T-shirt aus dem Kasten an.Nun saß ich auf dem Bett und wartete. Plötzlich nahm ich ein komisches Geräusch wahr:
tick, tack, tick, tack...
Ich spähte auf die Wand rechts von mir, von welcher das Ticken zu kommen schien. Der Sekundenzeiger einer großen Uhr, die an der Mauer hing, zuckte auf dem Ziffernblatt und gab dieses ständige Tick-tack von sich. Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass es in einer halben Stunde 18 Uhr werden würde.
Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich noch auf das Essen warten musste, da ich vorher, als Dr. Lewis noch da war, die Uhr noch nicht entdeckt hatte. Also ließ ich mich einfach aufs Bett fallen und wartete.Irgendwann klopfte es an meiner Tür.
Ich stand auf und öffnete sie, worauf ein großer Mann, vermutlich eine Wache, auf mich herabblickte. Er hielt mir ein Tablett hin, welches ich dankend entgegennahm. Er schaute mich nur verwundert an und ging dann wieder. Vielleicht war er es einfach nicht gewohnt, dass hier jemand nicht aggressiv wurde, geschweige denn sich bedankte.
Ich schloss die Türe und stellte das Tablett ab, um zu sehen, was sich darauf befand. Es handelte sich um eine Art Kraftbrühe mit Kartoffeln. Obwohl ich keinen Hunger hatte, aß ich alles auf, denn ich wusste, dass ich etwas essen musste, wenn ich überleben wollte. Außerdem hatte mich die Frau ja darum gebeten.Als ich fertig war, starrte ich auf das Tablett.
Was soll ich jetzt damit machen?
Ich kann es ja nicht einfach am Boden stehen lassen.Also hob ich es auf und trug es in den Gang. Möglicherweise war ja noch irgendein Wachmann hier, der mir das Tablett abnehmen konnte. Doch was ich im Gang sah, verschlug mir die Sprache.
Ein ziemlich großes Mädchen, sicher noch viel größer als ich, mit brünetten, langen Haaren, kämpfte gerade mit zwei Wachen. Ja, sie kämpfte wirklich. Noch dazu verdammt gut. Diese Wachmänner sahen so stark aus, dass sogar schon einer es ohne weiteres schaffen müsste, mit einem Mädchen fertig zu werden. Aber nicht mit diesem Mädchen. Sie wirbelte gerade herum und verpasste einem Mann mit ihrem Fuß einen Tritt in den Magen. Trotz ihrer Kampfkünste sah sie geschwächt und verzweifelt aus. Sie wusste, dass sie es alleine nicht schaffen konnte. Doch sie gab nicht auf und versuchte weiter, die Wachen zu erledigen. Plötzlich schlug sie einem Wachmann hinter sich so fest mit dem Ellbogen ins Gesicht, dass dessen Nase ein unangenehmes Knacken von sich gab und ich laut nach Luft schnappte. Die Brünette schaute blitzschnell in meine Richtung.
"Finja!", rief sie mir hoffnungsvoll zu. "Schnell, hilf mir! Zusammen können wir es hier raus schaffen!"
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Stolen Life
Science FictionIch weiß nicht wer ich bin. Warum ich hier bin. Seit wann ich hier bin. Ich weiß nichts. Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich mit einer Droge beruhigt worden war. Einer Droge, die mich alles vergessen ließ. Finja wacht in einem le...