10.Kapitel

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Au.

"Weiter nach links."

Au.

"Wenn ich dich rechts schlage, nützt es dir nichts, dich zu bücken. Das hilft nur, wenn ich auf deinen Kopf ziele. Da ich in diesem Fall aber deine Seite treffen will, musst du nach links ausweichen. Herrgott nochmal, das ist doch logisch. Na los, noch mal."

Wieder traf mich Samanthas Faust in der Seite, doch diesmal nicht ganz so hart wie vorher, da ich meinen Oberkörper weiter nach links bewegte, was allerdings dazu führte, dass ich das Gleichgewicht verlor und auf den kalten Boden des Kampfsaals fiel.

Sie half mir auf und sagte: "Du hast Füße, also benutze sie. Tritt einfach ein bisschen zur Seite, wenn du ausweichst, dann erwische ich dich nicht... Ja, genau so. Mehr Spannung!"

Ich gab mein Bestes.
Erneut griff sie mich an und diesmal dachte ich, alles richtig gemacht zu haben, doch ihre Faust flog auf mein Gesicht zu und Sekunden später spührte ich einen stechenden Schmerz in meinem Wangenknochen.

Sie seufzte. "Konzentrier dich, 8.
Halte die Hände immer vor das Gesicht, wenn du nicht gerade angreifst, das schützt dich am besten. Der Kopf ist eines der empfindlichsten Körperteile."

Sam versuchte schon die ganze Zeit, mir das Boxen beizubringen, während die anderen uns zusahen.

Sie standen um uns herum und beobachteten mein Versagen.

Es war mir sehr unangenehm und ich wollte nichts lieber, als in mein Zimmer zu laufen, doch ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Nicht vor den anderen Teenagern. Denn irgendetwas sagte mir, dass wir es nur gemeinsam schaffen konnten, die Welt zu retten. Wir mussten alle stark sein.

Samantha hüpfte wieder auf mich zu und ihre Faust kam diesmal von links. Ich wirbelte nach rechts und duckte mich, als sie die andere Faust erhob, um mir ins Gesicht zu schlagen.
Sie verfehlte mich und lächelte zufrieden.
"Na also, geht doch.
Du hast eine kleine Pause."

Erleichtert ging ich zurück zu den Jugendlichen und stellte mich neben Alexa, die von meinen Niederlagen anscheinend amüsiert war.

"Ähm... Ich habe eine Frage zu... zu dem Kampfsport den wir gerade üben...", meldete sich der Junge mit der Brille, Simon, zu Wort.

Die Trainerin sah zu ihm und hob fragend eine Augenbraue.

"Also... wozu lernen wir das? Ist es nicht... sinnlos? Ich meine, wir werden die Mutanten ja nicht einfach verprügeln können, oder? Das Töten dieser Monster erfordert doch sicher spezielle Waffen..."

Sam starrte ihn nur an und schwieg.

"Wäre es nicht von größerem Nutzen, wenn wir stattdessen..."

Aber in diesem Moment zuckte sie zusammen und unterbrach ihn:

"Nein. Es ist überhaupt nicht unsinnig. Dieses Training dient zu eurem Muskelaufbau. Ihr könnt ja nicht sofort mit dem Töten beginnen, so schwach wie ihr seid. Natürlich, durch die Droge könnt ihr stärker werden als jeder normale Mensch, doch dazu muss man die Kräfte erst mal aktivieren und das geht nicht so schnell.
Aber bitte, wenn du denkst, du kannst es", sie winkte ihn in den Kreis hinein, "dann sollst du der Nächste sein, Nummer 2!"

Zögernd trat der Junge einen Schritt nach vorne und ging auf sie zu.

Sam erklärte ihm, welche Haltung er einnehmen sollte und wie man angreift und ausweicht. Also genau dasselbe, das sie auch mir gelernt hatte.
Simon schien alles zu verstehen, doch als es zum praktischen Teil überging, scheiterte er ebenfalls. Es dauerte lange, vielleicht noch länger als bei mir, bis er den Dreh raus hatte.

Samantha schien sehr stolz auf ihre Arbeit zu sein. Es schien, als wäre sie glücklich darüber, dass sie sogar so Loser wie uns trainieren konnte.

Doch nicht alle von uns waren schwach.

Als nächstes war Alexa an der Reihe und als die Trainerin ihr die Grundschritte zeigen wollte, lehnte sie nur ab und meinte, sie hätte bei mir und Nr. 2 schon aufgepasst.
Sam machte kurz eine verwunderte Miene, riss sich dann aber wieder zusammen und griff Alexa an.

Und Nr. 1 wich aus.
Perfekt.
Genau so, wie Samantha es mir und Simon eine geschätzte Stunde hat beibringen müssen.

Die Trainerin strahlte.
"Toll gemacht, Alexa, du bist ein Naturtalent!
Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung für diese Erde."

Das Mädchen lächelte selbstbewusst und ging in Angriffststellung.
Die Fäuste drohend vor dem Gesicht, näherte sie sich der ebenfalls kampfbereiten Samantha.
Alexa stieß die Faust nach vorne, doch die Trainerin wich aus.

Plötzlich duckte sich Sam und erst ein paar Sekunden später bemerkte ich, dass Nr. 1 blitzschnell geboxt hatte - aber nur in die Luft. Samantha grinste und Alexa attackierte sie ein weiteres Mal. Ihre Faust flog von rechts auf Samantha zu und obwohl die Trainerin versuchte, auszuweichen, gelang es ihr nicht und Alexa schlug ihr in die Seite, sodass Sam zusammenzuckte. Die Trainerin keuchte und wirkte sehr überrascht.

"Also, das hat noch keiner geschafft, Kleines. Du bist eine wahre Kriegerin."

Das Wort 'Kleines' klang aus Sam's Mund irgendwie witzig - besonders weil Alexa um mindestens einen Kopf größer war als sie.

Die 'wahre Kriegerin' stellte sich wieder zu den anderen Teenies.
Doch obwohl sie gerade geschafft hatte, unsere Trainerin zu besiegen, wirkte sie irgendwie nicht aufgeregt oder stolz. Es schien, als fände sie es selbstverständlich, dass sie im Gegensatz zu den anderen so stark war.

Wie ist das überhaupt möglich?
Die Droge hat uns doch alle geschwächt...
Vielleicht hat sie ja im weißen Raum trainiert.
Oder sie ist einfach von Natur aus eine Kämpferin.

Ich wusste nicht wieso und was, doch irgendetwas sagte mir, dass Letzteres stimmte.

Alexa stand neben mir, ganz ruhig und konzentriert. Aber gleichzeitig gab sie einem auch das Gefühl, als könnte sie jeden Moment etwas anstellen. Sie faszinierte mich.

Nr. 1 bemerkte meine Blicke und lächelte. "Gut gekämpft, Finja. Aber das nächste Mal solltest du auf den Füßen bleiben. Ich weiß ja, der Boden ist gemütlich, aber da unten bist du ein leichteres Opfer."

Sie zwinkerte mir zu.


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