Weiß.
Vorsichtig öffnete ich meine schmerzenden Augen, um mehr zu erkennen.
Ich sah nur Weiß.
Jeder denkt, Schwarz verkörpert die Leere und die Unendlichkeit, Schwarz ist der Tod.
Doch das stimmt nicht.
Es ist weiß.
Wo bin ich?
Und bin ich überhaupt?Ich dachte, ich wäre tot.
Ich dachte, das hier wäre der Himmel, oder was auch immer nach dem Sterben kommt.Aber der Himmel, ja, sogar der Tod wäre viel schöner gewesen, das hier ist die Hölle.
Das hier ist das Leben.
"Sie wacht auf.", hörte ich eine helle Männerstimme sagen.
"Das sehe ich."
Dr Lewis. Es war ihre Stimme, ich kannte sie schon gut. Doch sie war nicht hell und freundlich wie sonst, sie war dunkel und rau und genervt. Ich musste zusammenzucken als ich diesen unvertrauten Ton in einer so vertrauten Stimme hörte.
Erneut strengte ich mich an, meine schweren, pochenden Lider zu heben, um den Stimmen Gesichtern geben zu können, aber ich war zu schwach.
Ich wusste nicht, was los war, wieso ich noch lebte und ob ich die Einzige war, die noch lebte. Auch wenn ich tausende Fragen hatte, hielt ich mich zurück, denn ich hatte gelernt, dass man hier nicht so schnell Antworten bekam. Außerdem taten meine Augen viel zu sehr weh, um sie ganz aufzuschlagen und mein Mund fühlte sich ausgetrocknet an. Ich hatte das Gefühl, ich konnte gerade gar nicht reden, geschweige denn, die nächsten Stunden oder gar Tage, so stechend war der Schmerz in meiner Lunge.
Es liegt wahrscheinlich an dem Gas.
Wie verdammt noch mal konnte ich überleben? Jeder normale Mensch wäre gestorben, da war ich mir sicher. Aber war ich ein normaler Mensch? Wie sehr hatte die Droge mich schon verändert? War ich...
Noch bevor ich mir weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, spürte ich eine Nadel in meine Haut gleiten und schlief kurz darauf ein.
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Niklas sah verzweifelt aus. Noch nie hatte er Amanda so aufgebracht und wütend erlebt. Nach dem ungeplanten Vorfall mit den Experimenten im Gemeinschaftssaal war sie nicht gerade entspannt gewesen. Keiner von ihnen. Schließlich hätten sie fast alles verloren, woran sie schon so lange gearbeitet hatten. Doch jetzt sah er auch Hoffnung und Freude in ihren großen, blauen Augen strahlen, als sie zu Nr. 8 herabblickte. Fana, oder wie das rothaarige Mädchen hieß, war in dem Krankenbett aufgewacht.
"Sie wacht auf.", stellte Niklas begeistert fest.
Gott sei Dank. Vielleicht ist das sogar ein großer Fortschritt!, dachte der Lehrling. Natürlich, es war schlimm und sie hätten die Jugendlichen fast verloren, aber jetzt, da sie alle nach der Reihe wieder zu erwachen schienen, war es fast wie ein Triumph für die Wissenschaftler. Es hatte funktioniert, auch wenn es noch nicht geplant gewesen war.
Doch Dr. Lewis klang gar nicht erfreut.
Mürrisch entgegnete sie Niklas, dass sie es sehe und verlor dann kein Wort mehr in seiner Gegenwart. Sie starrte nur weiter Nr.8 an.
Er senkte den Blick und stapfte beleidigt fort, wie ein trotziges, kleines Kind.
Amanda ignorierte ihn einfach nur und sah auf die weichen Gesichtszüge von Finja. Ihr langes, rotes Haar lag aufgebreitet da und erinnerte Dr. Lewis irgendwie an die strahlende Sonne, das hübsche Gesicht des Teenagers war das Zentrum.
Wie kann sie nur so friedlich aussehen, so unschuldig, wenn sie etwas derartiges getan hat?, fragte sich Amanda lautlos.
Sie verstand es nicht. Den anderen konnte sie es ansehen, sogar Marina, die hinter ihrem niedlichen Lächeln und den babyblauen Augen genauso eine Kriminelle war wie alle anderen.
Aber Finja?
Nein. Sie sah aus wie der unschuldigste Mensch der Welt, eine unangetastete, sanfte Blume, die niemandem Schaden zufügen könnte.Amanda wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie plötzlich die Anwesenheit eines Mannes hinter sich bemerkte, als der sich räusperte.
Sie fuhr herum und starrte in goldgelbe, atemberaubende und einschüchternde Augen. Oh nein.
"Wie ich sehe, hat es einen kleinen... Unfall gegeben."
Er verzog den Mund bei dem Wort Unfall zu einem breiten Grinsen. Amanda kannte es nur zu gut. Es war jenes Lächeln, bei dem man nie wusste, ob es aufmunternd gemeint war, oder ob er in Gedanken gerade einen Plan schmiedete, wie er denjenigen, dem sein Grinsen galt, so umbringen könnte, dass niemand jemals davon erfahren würde.
Sie schluckte. Ängstlich stand sie da, wie angewurzelt, ein kleines Kind das ertappt wurde und mit dem schlimmsten rechnete.Seine hellen Augen, die wie Gold so warm, und doch so kalt und emotionslos schienen, durchlöcherten sie. Manchmal hatte sie das Gefühl, er könnte jedem in die Seele sehen.
"E-es tut mir unglaublich Leid, ein... Unfall dieser Art wird nie wieder vorkommen, I-ich verspreche es.", versuchte Amanda sich mit zitternder Stimme zu entschuldigen.
Die große, dünne Gestalt des Mannes marschierte einen Schritt weiter nach vorne, an Finjas Bett. Dr.Lewis sprang sofort zur Seite, um ihm Platz zu machen.
Er hatte nicht aufgehört zu lächeln und sah jetzt auf das schlafende Mädchen herab. Wie er so dastand, reglos, wirkte er wie sein eigener Schatten. Ganz in schwarz gekleidet, schwarzer Anzug, mit schwarzen, kurzen Haaren und schwarzen Handschuhen an seinen Händen, die er hinter dem Rücken verschränkt hatte. Amanda hatte schon immer Angst vor ihm gehabt, aber noch nie so sehr wie jetzt. Ohne dass sie es bemerkte, holte er blitzschnell eine Spritze hervor, welche die Wunderdroge beinhaltete, und als Amanda gerade mit ihrer Uhr beschäftigt war, injizierte er Nr.8, wie auch schon den anderen Nummern vor ihr, den Inhalt in die Halsschlagader. Dabei hatte er ein gespenstisches Grinsen aufgesetzt, denn was er hier tat, würde niemand jemals erfahren.
Ruckartig und unerwartet wirbelte er wieder zu Dr.Lewis herum, die sich sofort aufrichtete und trotz dem heftigen Pochen in ihrer Brust versuchte ruhig zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren.
Er grinste noch immer.
"Sie wissen doch, was der Plan eigentlich war, oder?"
Ohne eine Antwort oder auch nur einen Atemzug von Amanda zuzulassen, fuhr er fort.
"Der Alarm sollte nur ausgelöst werden, wenn die Jugendlichen eine Gefahr darstellen, was sie zu dem Zeitpunkt offensichtlich nicht waren. Ich habe großes Vertrauen in Sie, Amanda, weshalb ich ihnen die Schuld nicht geben werde, außerdem ist es viel wahrscheinlicher, dass ein Rebell den Notfallsschalter betätigt hat, als dass das Sicherheitsteam nicht kooperiert. Dennoch haben die Experimente überlebt, was ja eigentlich immer unsere Absicht war, doch es war riskant und keiner wusste, ob sie schon so weit sind.
Nun, jetzt wissen wir es. Sie sind schon auf Stufe 2, stärker als der durchschnittliche Mensch, die Droge ist, wenn noch nicht genug davon, in ihrem Blut.
Gute Arbeit. Trotzdem, die Sicherheitsvorkehrungen sind nicht sicher genug und die Rebellen ruhen nicht, wir müssen in Betracht ziehen, dass etwas derartiges wieder passieren kann und das ist einfach zu gefährlich. Aus diesem Grund müssen wir sie früher raus lassen als geplant."Bei dem letzten Satz schnappte Amanda nach Luft.
Unmöglich. Sie würden da draußen sterben, ohne ihren Zweck zu erfüllen. Sie sind noch nicht so weit.
Sie wollte widersprechen, doch der Mann hob eine Hand und Dr.Lewis verstummte sofort.
"Das ist ein Befehl. Haben Sie verstanden?"
Seine dunkle Stimme klang drohend und er musterte sie streng mit seinen gold leuchtenden Augen.Amanda hatte keine Wahl. So sehr sie auch widersprechen wollte, sie musste gehorchen. Er hatte das Sagen, sie war nur eine unbedeutende Wissenschaftlerin.
"Ja, President Charles."
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Stolen Life
Science-FictionIch weiß nicht wer ich bin. Warum ich hier bin. Seit wann ich hier bin. Ich weiß nichts. Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich mit einer Droge beruhigt worden war. Einer Droge, die mich alles vergessen ließ. Finja wacht in einem le...