Kapitel 2

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Fuck, wieso muss ich in diesem arschkalten Deutschland wohnen? Ich hasse meinen Vater dafür, dass er mich zwingt Abitur zu machen. Schlecht gelaunt trete ich auf die Straße hinaus, ziehe meinen Mantel enger um meinen Körper und vergrabe mein Gesicht in dem riesigen Schal. Ein eisiger Ostwind pfeift durch die Straßen und ich wünsche mich sofort nach New York zurück - zurück zu Kay. Demotiviert lasse ich mich hinters Steuer von meinem schwarzen Mini gleiten, drehe die Heizung auf und lege die Billy Talent CD ein. Auch wenn ich erst 17 bin, fahre ich schon alleine Auto. In meinem Kaff kümmert es niemanden. Die Musik entspannt mich etwas und nach einer zehnminütigen Autofahrt bin ich an meiner Schule angekommen. Ich überlege mir, ob ich wieder umdrehen soll und mir einen schönen Vormittag in meinem Stammcafe in der Innenstadt mache, aber es ist der erste Schultag nach den Ferien. Ich möchte es mir schließlich nicht von Anfang an bei den Lehrern versauen.

Gelangweilt sitze ich wenig später im Unterricht. Das Jahr fängt ja gut an, erster Schultag und Motivation ist schon flöten gegangen. Ich starre aus dem Fenster in den Innenhof der Schule, wo die großen Ahornbäume sich im Wind wiegen. Was Kay jetzt gerade wohl macht? , frage ich mich. Ich weiß es nicht. Ich weiß eigentlich gar nichts über sie außer ihren Vornamen. Ich schüttle den Kopf und versuche den Gedanken an sie loszuwerden. Es bringt mich ja jetzt auch nicht weiter. Ich werde sie nie wieder sehen und damit sollte ich mich abfinden. Sage ich mir und versuche mich auf den Unterricht zu konzentrieren, aber meine Gedanken schweifen immer wieder ab und vor meinem inneren Auge sehe ich Kay wieder im Schein der Laterne stehen und mich mit einem leicht amüsierten aber keinesfalls abschätzigen Blick mustern. Ich spüre wie mir bei dem Gedanken an diese Szene Hitze in die Wangen schießt und ich lächeln muss. Irgendetwas in mir sagt mir, dass wir uns wiedersehen werden.

In der Pause stehe ich bei meinem Kumpel Mark und zünde mir eine Kippe an. Er ist ein großer, blonder, gutaussehender junger Mann mit strahlend blauen Augen und mit 19 der Älteste auf der Schule. Seine Familie ist genauso reich wie meine und er soll später die Firma seines Vaters übernehmen, aber er würde eigentlich viel lieber Kunst studieren und Comiczeichner werden. Um sein Wirtschaftsstudium hinauszuzögern, verhaut er seine Klausuren und wiederholt nun schon zum zweiten Mal. Wir beide gehören irgendwie nicht zu den anderen dazu, wir passen nicht rein. Wir werden verehrt und beneidet. Die Kinder schauen zu uns auf, weil wir das haben, was sie sich wünschen: Geld, Partys, Ansehen und Erfolg. Ich puste Rauch in den Himmel und sehe den Wölkchen nach, wie sie sich langsam auflösen. „Wie war New York?", fragt mich Mark. Ich möchte ihm nicht von Kay erzählen. Ich möchte eigentlich gar nicht mit ihm reden. Das alles beschäftigt mich noch zu sehr. Daher sage ich nur kurz angebunden: „Gut." Er legt die Stirn in Falten. „Normalerweise bekomme ich jetzt immer einen Schwall Klatsch und Tratsch aus der Welt der Schönen und Reichen zu hören. Was ist los?" Ich schüttele nur den Kopf. „Ich bin noch etwas müde – Jetlag." Damit scheint er sich zufrieden zu geben. Jedenfalls versucht er nicht nochmal ein Gespräch anzufangen und wir rauchen schweigend unsere Zigaretten, bis die Pause vorbei ist. Der restliche Schultag verläuft genauso ereignislos und voller Desinteresse meinerseits, wie er angefangen hat. Das wird ein verdammt langes Jahr werden. 


Hold on to me (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt