Kapitel 29

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Tess:

Der nächste Tag beginnt mit einer Doppelstunde Mathematik, eine der wenigen Stunden mit Mark. Nebeneinander laufen wir in die Schule und ich bemerke sofort, wie sich die Aufmerksamkeit der restlichen Schüler auf mich fokussiert. "Mark, die wissen es alle!", zische ich ihm zu. Beruhigend nimmt der meine Hand und antwortet: "Ja, aber ich hab mit Emily geschrieben. Sie will es aus dem Netz nehmen, wenn ich mit ihr essen gehe." Ich verdrehe die Augen. "Und wann soll das sein?!" - "Heute Abend wahrscheinlich. Ich bin ja eigentlich nicht so der Fan von Dates unter der Woche, aber in dem Fall ist so schnell wie möglich wohl am besten.", erklärt Mark und ich werde wütend: "Bis dahin ist das Foto doch schon überall, Mark. Das wird so viel Ärger geben. Ich hoffe echt, dass du recht hast mit der Direktorin. Wenn Kay etwas passiert deshalb..." Fast schon schuldbewusst sieht er mich an. "Ich weiß. Es tut mir wirklich leid." - "Das sollte es auch.", fauche ich ihn an. "Das mit euch zwei ist ganz schön ernst, oder?", bemerkt er leicht grinsend. "Was soll denn jetzt der Kommentar?!", frage ich ihn verwirrt über seinen Stimmungswechsel. "Naja, du sorgst dich echt um sie und ihre Zukunft, auch wenn ihr euch noch gar nicht lange kennt.", erklärt er. Ich verdrehe nur die Augen, denn die Klingel kündigt den Beginn der ersten Stunde an. 

Während dem Unterricht schweige ich Mark hartnäckig an. Ich habe keine Lust auf eine weitere Unterhaltung, da ich immer noch sehr wütend auf ihn bin. Ich kann nur hoffen, dass Kay nichts passiert. Was, wenn sie von der Schule fliegt? Oder noch schlimmer: Wenn sie wieder zurück nach Amerika muss? Ins Gefängnis? Oh Gott. Solche Bilder möchte ich gar nicht in meinem Kopf haben. Und alles nur, weil Mark nicht richtig auf Emily aufgepasst hat! Obwohl er es versprochen hat! Und jetzt nimmt er die Situation nicht einmal ernst! Stattdessen kritzelt er kleine Comiczeichnungen von mir, wie ich im Unterricht wütend meine Fäuste balle. Dieser Idiot! 

Auf einmal durchbricht ein Kratzen im Lautsprecher meine Gedanken. Die Stimme von Frau Schmid schallt durch den Klassenraum: "Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Miss Koch und KAY bitte in mein Büro. Ich wiederhole: Miss Koch und KAY bitte in mein Büro. Danke." Ich erstarre und die ganze Klasse sieht mich an. Ich merke, wie Mark meine Hand drückt und mir zuflüstert: "Alles wird gut. Denk daran: Sie kann euch nichts anhaben." Ich schlucke, straffe meine Schultern und laufe aus dem Klassenzimmer, während sich meine Mitschüler bestimmt schon das Maul zerreißen. 

Ich treffe Kay auf dem Weg zu Frau Schmid. "Hey, Baby.", begrüßt sie mich. Scheinbar macht sie sich keine Sorgen darüber, was jetzt passieren wird. "Bin ich die einzige, die sich Sorgen macht?", frage ich sie, ohne auf ihre Begrüßung einzugehen. "Scheinbar. Es wird alles gut. Du bist volljährig.", erklärt Kay und grinst mich schief an. "Und du siehst heute echt toll aus.", fügt sie hinzu. Ich verdrehe die Augen und wir betreten gemeinsam das Büro. 

"Da ist ja das Traumpaar der Schule.", begrüßt uns Frau Schmid, die hinter ihrem großen Schreibtisch sitzt. "Ich habe ja schon vom ersten Tag geahnt, dass Sie Ärger machen werden, Kay. Allein der Name. Und die Tattoos." Sie will fortfahren, aber ich unterbreche sie. "Haben Sie uns gerufen, um Kay fertig zu machen?"Sie saugt scharf Luft ein. "Sind Sie etwas ungeduldig, Miss Koch? Sie wissen doch sicher, wieso ich Sie einbestellt habe?" Die Rektorin macht eine Pause und sieht uns fragend an. Wir sagen beide nichts. "Ein gewisses Foto kursiert momentan an der Schule.", erklärt sie und holt das Foto von Emily aus der Schublade. Sie hatte sich offenbar sogar die Mühe gemacht, es auszudrucken. Ich merke, wie Kay neben mir nun doch nervös wird und auch ich bereite mich auf einen Kampf vor. Ich werde für diese Frau neben mir kämpfen wie eine Löwin, auch wenn ich dadurch selbst fliegen werde. Für sie würde ich alles tun. Da keiner von uns beiden etwas zu dem Foto sagt, fährt Frau Schmid fort: "Ich kann nicht zulassen, dass es an meiner Schule Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schülern gibt. Sie mögen jetzt 18 sein, Miss Koch, und von Kay bekommen Sie keine Noten, trotzdem führt eine solche Beziehung zu einem moralischen Konflikt. Ich könnte Kay für diese Sache melden und dann gäbe es einen Prozess. Wie der ausgehen würde, ist unklar. Aber er würde auf jeden Fall viel Geld kosten. Ich mach es kurz. Ich möchte Sie nicht hier an meiner Schule haben, Kay. Ich wollte Sie von Anfang an nicht. Da ich Sie nicht feuern kann, werde ich Ihnen den Schein unterschreiben und Sie gehen. Ich möchte Sie nicht mehr auf meinem Schulgelände sehen." Verwirrt sehe ich Frau Schmid an. Habe ich das gerade richtig verstanden? Sie feuert Kay einfach? Ohne weitere Konsequenzen? "Heißt das, Sie unterschreiben mir, dass ich bis Mai hier meine Sozialstunden gemacht habe, auch wenn ich gar nicht da war?", hakt Kay ungläubig nach. Frau Schmid nickt. "Ja, unter der Bedingung, dass Sie nie wieder mein Schulgelände betreten." Kay grinst. "Das werde ich wohl hinbekommen." - "Dann sind wir uns ja einig." Frau Schmid unterschreibt ein Formular und gibt es Kay. "Es war mir eine Freude, Frau Schmid.", grinst Kay ironisch. "Sie können jetzt gehen, Kay.", sagt Frau Schmid trocken und ignoriert Kays Hand, die sie ihr entgegenstreckt. 

Nachdem Kay aus dem Büro gegangen ist, wendet sich Frau Schmid mir zu. "Und jetzt zu Ihnen, Miss Koch. Ich hätte nicht von Ihnen erwartet, dass Sie sich mit einer Frau einlassen. Und schon gar nicht mit einer solch... verkommenen. Ich werde Ihrem Vater bescheid geben und hoffe, dass Sie diese Beziehung so bald wie möglich beenden." Ich schüttle nur den Kopf und entgegne: "Mein Vater kennt Kay bereits und auch wenn er nicht gerade angetan ist von unserer Beziehung, gibt er uns trotzdem eine Chance. Das sollten Sie auch tun. Kay ist ein wundervoller Mensch und sie verdient es nicht, dass Sie sie so fertig machen. Ich bin froh, dass sie nicht mehr hier her kommen muss. Und zum Glück bin ich auch bald weg." Das saß. Frau Schmid sieht mich nur pikiert an und sagt: "Sie können jetzt gehen." 

Vor dem Zimmer wartet Kay auf mich und sieht mich besorgt an, als ich wütend auf sie zukomme. "Diese Frau ist doch einfach unmöglich! Wie kann sie nur so über Menschen urteilen?", rufe ich und Kay zischt mich an: "Nicht so laut. Hier ist doch noch überall Unterricht, lass uns raus gehen." 

Hand in Hand laufen wir aus der Schule. Auf dem Parkplatz vor der Schule holt Kay eine Packung Zigaretten aus der Lederjacke und zündet sich eine an. Auch ich brauche jetzt eine Zigarette. Schweigend ziehen wir einige Male an den Zigaretten, ehe es aus Kay herausplatzt: "Ich bin irgendwie erleichtert. Die Frau ist echt schlimm. Aber sie weiß wann sie verloren hat." Auch bei mir löst sich langsam die Anspannung und macht der Erleichterung Platz. Irgendwie war die Situation eben schon komisch. "Wie sie versucht hat, Haltung zu bewahren...", meine ich und Kay kichert. "Ja, zu komisch diese Frau. Ich passe wohl nicht in ihr Weltbild." - "Haha auf gar keinen Fall! Sie wollte meinen Vater einschalten, um uns auseinander zu bringen. Stell dir das mal vor!", lache ich. "Im Nachhinein ist die Situation einfach nur komisch.", stimmt sie mir zu. "Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.", gestehe ich ihr und nehme sie in den Arm. "Ich habe es gemerkt. Süß von dir.", sagt sie und küsst mich kurz auf die Wange. Ich grinse und ziehe sie näher zu mir. "Wenn jetzt eh schon alle bescheid wissen, kann ich dich auch richtig küssen.", erkläre ich ihr und schließe die Lücke zwischen uns. Ihre Lippen fühlen sich so gut auf meinen an. An das Gefühl werde ich mich wohl niemals gewöhnen. Nachdem wir uns voneinander gelöst haben, entscheide ich mich die restliche Stunde zu schwänzen. 

Auf meinem Handy sind mehrere Nachrichten von Mark, der sich erkundigt, wie es lief. Ich schreibe ihm schnell zurück. 

Alles gut. Kay wurde gefeuert, aber ohne Konsequenzen. Komm auf den Parkplatz. Ich schwänz die Stunde. 

"Jetzt endlich offiziell UND legal. Ihr macht echt Fortschritte.", lacht Mark, als er zu uns auf den Parkplatz kommt. Ich schlage ihm spielerisch auf den Arm. "Halt die Klappe Mark!", rufe ich und Kay grinst. Sie holt wieder ihre Zigaretten aus der Jacke und fragt an Mark gewandt: "Zigarette?" - "Da sag ich nicht nein. Hast dir ne gute Freundin gesucht, Tess.", erwidert er grinsend und holt sich eine Zigarette raus. 

Rauchend stehen wir an meinen Mini gelehnt und Mark fragt: "Was machst du denn mit deiner ganzen Freizeit jetzt, Kay?" Diese zuckt mit den Schultern. "Mal sehen. Musik machen wahrscheinlich. Meike wollte ja noch mit mir eine Platte aufnehmen." Mark zieht seine Augenbrauen hoch. "Wirklich? Das klingt echt cool." - "Ja, ich weiß aber gar nicht, ob ich in Deutschland bleiben will. Eigentlich möchte ich so schnell wie möglich zurück in die USA.", erklärt Kay und mein Herz bleibt stehen. Alles um mich herum dreht sich. Wieso hat sie mir das nicht erzählt? Wie soll es denn mit uns weiter gehen? Ich spüre wie sich Tränen in meinen Augen bilden, kämpfe sie aber mühsam zurück. Mark soll mich jetzt nicht weinen sehen. "Oh okay. Na dann.", meint Mark und sieht mich verwirrt an. Vermutlich spürt er, dass wir da noch Klärungsbedarf haben. Und ich bin ihm dankbar, dass er jetzt nicht weiter darauf eingeht. 


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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 22, 2020 ⏰

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Hold on to me (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt