Kapitel 22

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Tess:

Nach der Schule sitze ich frustriert in meinem Mini. Das wäre beinahe schief gegangen mit der Direktorin. Ich dachte, ich könnte für Kay einstehen, da sie mich eigentlich sehr schätzt. Mein Vater spendet der Schule regelmäßig beträchtliche Summen an Geld. Aber anscheinend hat das die Situation nur noch schlimmer gemacht. Eigentlich wäre ich gerne mit Kay zusammen nach Hause gefahren, aber unter diesen Umständen hole ich sie besser erst später bei ihr ab. Wütend schlage ich auf das Lenkrad ehe ich losfahre. Es ist so ungerecht, dass wir unsere Liebe nicht offen zeigen dürfen. Ich fahre schnell. Der Schneematsch spritzt, als ich um die Kurve biege.

Ich vermisse es, Zeit mit meiner Freundin zu verbringen.Das Geheimhalten war anfangs noch aufregend, aber jetzt bin ich es einfach nur noch leid. Ein Glück habe ich morgen Geburtstag und kann es zumindest meinen Freunden inoffiziell sagen. Die letzten Wochen konnte Kay kein einziges mal über Nacht bei mir bleiben, da mein Vater immer zu Hause war. Ihm gefällt unsere Beziehung nicht. Ich denke er wünscht sich für mich eine Frau, die auch in unseren Kreisen verkehrt und die ich in der Welt der Reichen an meiner Seite präsentieren kann. Er wird sich schon noch an Kay gewöhnen. Immerhin kann er rein rechtlich ab jetzt nichts mehr gegen unsere Beziehung haben. Trotz allem bin ich einfach nur noch frustriert.

Ich überfahre eine rote Ampel und sehe den Fußgänger, der über die Straße gehen will erst im letzten Moment. Mit quietschenden Reifen kommt der Mini zum stehen. Wenige Zentimeter vor dem Mann, der jetzt erschrocken aufblickt. Mein Herz rast und ich sehe zunächst alles verschwommen. Ich sollte wirklich nicht mehr Auto fahren, wenn ich wütend bin. Es ist bereits das zweite Mal, dass ich beinahe einen Unfall baue. Ich blinzle und atme tief durch, da erkenne ich, wen ich beinahe überfahren hätte: Es ist Mark.

Auch er hat mich erkannt und öffnet die Beifahrertür. "Wow, Tess. Das war ja knapp.", sagt er mit bleichem Gesicht. Ich nicke nur. "Nimmst du mich mit?", fragt er und steigt bereits ein. "Mark... es tut mir ja so leid.", stammle ich und fahre langsam wieder an.

Als sich unser Schock gelegt hat fragt er: "Was hat dich denn so durch den Wind gebracht?" Ich seufze und antworte ehrlich: "Kay. Wir... nun ja. Es ist ein ziemlicher Zufall das Ganze. Weißt du noch, dass ich nach New York so durch den Wind war?" Er sieht mich irritiert an. "Ja, klar. Du bist komplett durchgedreht, wolltest aber nicht drüber reden." - "Genau. Das war ihretwegen. Ich habe sie dort vor einem Club getroffen und wir haben uns geküsst. Ich dachte, ich sehe sie nie wieder und das hat mich fertig gemacht...", ich mache eine kurze Pause, um zu sehen, wie Mark auf mein Geständnis reagiert. Er lacht amüsiert auf. "Das nenne ich mal einen Zufall. Dann ist die heiße Braut, wegen der du hier so am Rad gedreht hast, einfach in der Schule aufgetaucht." Ich grinse. "Ja genau. Sie arbeitet außerdem noch im Refugium in Düsseldorf.", erkläre ich ihm. "Ah ja, ich glaube da habe ich sie schon paarmal gesehen. Aber als sie dann hier war, seid ihr da direkt zusammen gekommen? Wieso erzählst du es keinem?", hakt er nach. Ich seufze. "Naja, so einfach war das alles nicht. Da war ja noch Emily und Kay hat was mit Sara vom Refugium angefangen..." - "Oh stimmt. Emily... Aber das ist ja jetzt nicht mehr aktuell. Das scheint ja auch Emily zu kapieren.", schlussfolgert Mark. "Ja, ich habe Emily eine ziemliche Ansage gemacht kurz vor Weihnachten. An heilig Abend dann sind Kay und ich zusammen gekommen, nachdem das mit Emily endlich geklärt war. Aber erzählen konnten wir nichts, weil ich ja minderjährig bin und Kay unsere Vertretungslehrerin.", platze ich heraus. Ich bin so froh, es Mark endlich zu erzählen. Dieses Geheimnis hatte unsere Freundschaft in letzter Zeit ziemlich belastet. "Wow. Da hast du ja echt was erlebt in letzter Zeit.", bemerkt Mark. "Ja und es tut mir so leid, dass ich dir nicht früher davon erzählt habe.", entschuldige ich mich. "Weiß denn dein Dad Bescheid?", fragt er vorsichtig. "Ja, er hat Kay letztens unabsichtlich kennengelernt. Er mag sie nicht. Sie passt nicht in unsere Kreise und ich glaube sie ist ihm zu alt für mich.", antworte ich. "Haha, das kann ich glauben. Deinem Dad wäre aber kaum jemand gut genug für seine kleine Tochter.", grinst er und hat damit absolut recht. Mein Vater ist zwar nicht viel zuhause, aber wenn es um mich geht ist er sehr besitzergreifend. "Die Party steht aber trotzdem morgen Abend oder?", hakt Mark nach. "Ja, die kann mir mein Vater nicht verbieten. Ich will Kay dann als meine inoffizielle Freundin bei euch vorstellen.", erkläre ich Mark. "Immerhin bin ich dann volljährig und keiner kann mehr rechtlich etwas gegen unsere Beziehung sagen." Mark nickt und wendet ein: "Hast du schon eine Idee, wie du es Emily beibringst?" Ich stöhne auf. Ich hatte vor lauter Vorfreude gar nicht daran gedacht, dass jemand unsere Beziehung ernsthaft stören könnte. "Nein. Ich hab gar nicht mehr an sie gedacht.",gestehe ich. "Ich kann mich um sie kümmern, wenn du magst. Damit sie deinen Ehrentag nicht kaputt macht.", grinst er mich an. Er ist einfach der beste Freund auf der Welt. "Das würdest du tun?", frage ich nochmal nach. Er nickt und ich hätte ihn am liebsten gedrückt, wenn ich nicht gerade hinterm Steuer sitzen würde. "Danke Mark! Du bist einfach der Beste!" - "Gern geschehen, immerhin hast du mich gerade vor dem Bus gerettet.", erklärt er. Ich sehe ihn verwirrt an. Seit wann muss Mark denn bitte Bus fahren?

"Bus?", hake ich irritiert nach. Er druckst etwas herum, ehe er erklärt: "Nun ja. Nicht nur bei dir ist was passiert." - "Mach mich nicht fertig, Mark. Was ist los bei dir?" Ich sehe ihn von der Seite an. Ich habe gar nicht auf ihn geachtet in letzter Zeit. Immer war bei mir etwas los. Dabei sehe ich jetzt deutlich, dass es ihm nicht gut geht. Er sieht traurig und müde aus. "Mein Vater hat krumme Geschäfte gemacht und muss ins Gefängnis. Die Firma ist pleite. Wir mussten unsere Autos und das Haus verkaufen und Insolvenz anmelden. Wir wohnen jetzt vorübergehend bei unseren Nachbarn im Keller." Damit habe ich nicht gerechnet. "Das tut mir leid. Ich habe davon ja gar nichts mitbekommen.", murmle ich beklommen, nicht für meinen besten Freund da gewesen zu sein. "Ist schon okay, Tess. Ich bin doch ein großer Junge. Ich komm schon klar. Immerhin kann ich jetzt endlich Kunst studieren und Comiczeichner werden.", meint er und grinst schon wieder. Mark kann man seinen Optimismus einfach nicht austreiben, egal was passiert. "Oh Mark!", rufe ich und biege in seine Straße ein. "Wir sehen uns heute Abend.", meint er zum Abschied und drückt mir einen Kuss auf die Wange.

Hold on to me (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt