Kapitel 11

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Kay:

Völlig perplex blicke ich in zwei bekannte blaue Augen, unfähig auf ihre Frage zu antworten. "Ihr zwei kennt euch?", höre ich auf einmal Sara fragen. Ich habe gar nicht bemerkt, dass sie zu uns herüber gekommen ist. Tess fängt sich schneller als ich und antwortet meiner Chefin in spe: "Wir haben uns in New York getroffen." Dann dreht sie sich zu mir und blickt mir tief in die Augen, während sie etwas leiser sagt: "Ich hätte nicht gedacht, dich jemals wiederzusehen. Schon gar nicht hier." Langsam gewinne ich meine Fassung wieder und erwidere knapp: "Lange Geschichte." Ich will ihr nichts von meiner Abschiebung sagen. Sie lächelt mich an. "Ich habe die ganze Nacht Zeit." Um mich aus der Affäre zu ziehen, deute ich einen Blick in Richtung Sara an, die immer noch hinter uns steht und Tess anstarrt. Ich kann ihren Blick nicht deuten, irgendetwas zwischen Eifersucht und Hass. Ich frage mich, was Tess getan haben muss, dass Sara sie so ansieht. "Ich warte hier, bis du fertig bist.", sagt Tess und grinst mich an. Dieses Mädchen ist verdammt hartnäckig, aber ihren wunderschönen grünen Augen kann ich nicht widerstehen. Leicht nicke ich, bevor ich mich kopfschüttelnd umdrehe und zur Theke zurück laufe. Ich hätte nie gedacht, sie noch einmal in meinem Leben zu treffen. Während ich beginne Gläser abzutrocknen, beobachte ich die blonde Schönheit. Das Mädchen, mit dem sie bis eben noch Stress anfangen wollte, scheint sie mit Fragen zu bombardieren, aber Tess ignoriert sie gekonnt. Ob dieses Mädchen wohl eine abgelegte Liebschaft ist? Nein, das kann ich mir nicht vorstelle. In New York wollte sie nicht mit mir mitgehen. Es wäre untypisch für Tess, wenn sie sich nun auf einmal jeder hingeben würde.Seltsamerweise steigt trotzdem Eifersucht in mir auf. Mir gefällt die Art nicht, mit der dieses Mädchen Tess ansieht. Was, wenn sich Tess doch verändert hat? Ich schüttle den Kopf. Was ist nur los mit mir? Es ist nicht meine Sache. Ich sehe weg, konzentriere mich auf meine Arbeit. Es kann ja wohl nicht sein, dass ich in irgendeiner Weise Besitzansprüche für Tess habe. Ich kenne sie nichtmal.

Das Café füllt sich immer weiter je später es wird und ich verliere Tess bald aus den Augen. Sehnsüchtig warte ich darauf, dass der Zeiger der Uhr auf die 11 springt. Ich will mit Tess reden, mehr über sie erfahren, sie kennenlernen. In der verspiegelten Rückwand der Theke sehe ich mein absolut dämliches und vollkommen untypisches Grinsen. Es steht mir nicht, aber ich kann es nicht ändern.

Endlich ist meine Probeschicht vorbei und Sara kommt zu mir. "Wir machen es schnell: Du hast den Job.", sagt sie und streckt mir ihre Hand hin. Ich zögere, ich sollte ihr von meiner Vorgeschichte erzählen. "Also da gibt es noch was, das sollten Sie wissen. Können wir vielleicht irgendwo ungestört reden?", druckse ich herum. Sie runzelt ihre Stirn und nickt dann. Ich folge ihr die Treppe hinauf in ein kleines Zimmer mit einem Schreibtisch, wahrscheinlich ihr Arbeitszimmer. "Also, was gibt es?", fragt sie. Ich hole tief Luft. Es kann sein, dass ich jetzt diesen perfekten Job verliere. "Ich bin vorbestraft. Ich habe den Tod eines Mannes verursacht und muss jetzt Sozialstunden leisten.", platze ich heraus und sehe sie gespannt an. Sara steht ganz still da und antwortet langsam und überlegt: "Das erschwert die Sache natürlich. Auf mich wirkst du nicht gefährlich. Ich werde dich trotzdem einstellen, aber dieses Detail darf auf gar keinen Fall bekannt werden. Mein Ruf steht auf dem Spiel." Ein Stein fällt mir vom Herzen. "Danke." - "Ich bin froh, dass du ehrlich warst.", sagt Sara. Die restlichen Details zu meinem Arbeitsvertrag regeln wir schnell und ich freue mich wie ein Kleinkind auf das Treffen mit Tess. Als Sara mich aus ihrem Büro entlässt, sprinte ich die Treppe hinunter. Aber ich kann sie nirgendwo entdecken. Sie wird doch nicht etwa gegangen sein? Sie hat mich doch nach diesem Treffen gefragt. Ich suche das Café noch zwei weitere Male nach ihr ab, aber keine Spur von der hübschen Blonden. "Scheint als wäre deine Süße ohne dich gegangen. Emily wird sich sicher fabelhaft um sie kümmern.", sagt Sara im Vorbeigehen. Was meint sie damit? "Was läuft da zwischen den beiden?", frage ich Sara. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob ich das wissen will, aber mich beunruhigt die Situation. Meine Chefin beginnt zu grinsen und antwortet: "Die zwei haben so eine Art Freundschaft plus. Man munkelt, Emily hätte Tess entjungfert." Ich reiße meine Augen auf und beginne zu husten. "Sie hat was?", frage ich völlig perplex. "Naja, das ist nur so ein Gerücht.", meint die große blonde und grinst. "Sie mögen Tess nicht besonders oder?", frage ich sie und ihr Grinsen verschwindet. "Ich sehe nur, wie sie durch die Gegend rennt und Herzen bricht. Das gefällt mir nicht. Sie spielt nun schon seit Wochen mit der armen Emily. Tess lässt niemanden emotional an sich ran." Das saß. Ich sehe zu Boden. Auf was habe ich mich da nur eingelassen? "Hey, Kopf hoch. Wir haben hier gleich Schluss, dann kann ich mich um dich kümmern. Wenn du willst, kannst du bei mir schlafen. Ich kenne eine fabelhafte Ablenkung." Sara grinst anzüglich und lässt ihren Blick ganz langsam an mir heruntergleiten. Ich fühle mich schlecht. Sie ist mir nicht geheuer. Alles, was sie gesagt hat, klingt so gar nicht nach der Tess, die ich in New York getroffen habe. Ich schüttle bestimmt den Kopf. "Es tut mir leid, aber ich kann das nicht. Ich werde einfach nach Hause gehen.", sage ich und verlasse das Café. Ich spüre noch immer ihren lüsternen Blick im Rücken, als ich auf die Straße trete.

Hold on to me (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt