Kapitel Sechs

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KAPITEL SECHS

Marlene war überrascht, als eine Welle der Ruhe und Gelassenheit sie überrollte. Ihre Nervosität war wie weggespült und plötzlich konnte sie klar denken, ruhig atmen und sprechen, ohne sich dabei zu verhaspeln und lächerlich zu machen. Sie wusste nicht, warum sie mit einem Mal so entspannt war, aber es half in dieser Situation.

„Also?“, fragte Harry und brachte sie somit zum Aufsehen. Sie begegnete seinen grünen Augen und dachte erneut daran, wie unglaublich ähnlich Mia ihm war.

„Du hast mit mir geschlafen“, platzte es aus ihr heraus und gleich darauf schlug sie sich die flache Hand auf den Mund. Um Gottes Willen, nur sie würde ein Gespräch auf diese Weise beginnen! Manchmal wusste sie wirklich nicht, was in ihrem Kopf vorging.

Harry öffnete den Mund, schloss ihn wieder, runzelte die Stirn, legte den Kopf schief und wirkte alles in allem ziemlich verloren.

„Tut mir leid, das wollte ich nicht sagen“, erklärte Marlene und spürte wie ihre Wangen rot wurden. Viel unangenehmer konnte die Situation ja kaum noch werden.

„Ähm … also habe ich nicht mit dir geschlafen oder …?“

Wenn er ihr so verwirrt gegenüberstand, wirkte er wirklich wie ein kleiner Junge. Marlene hatte fast ein wenig Mitleid mit ihm, wenn sie daran dachte, was sie ihm gleich eröffnen würde, doch dann dachte sie an den Morgen im Hotel und wie furchtbar sie sich gefühlt hatte.   

„Doch, hast du“, sagte sie mit ruhiger Stimme.

„Ja, also … tut mir leid?“ Er klang so, als wüsste er nicht, was sie hören wollte. Und was genau wollte sie denn hören? Harry konnte sich nicht einmal ansatzweise an sie erinnern, dass konnte sie in seinen Augen lesen. Ihr Herz machte einen schmerzhaften Hüpfer.

„Nein … also, ich meine, du musst dich nicht entschuldigen.“

„Was genau willst du dann von mir?“ Harry tappte mit seinem Fuß auf den Boden und Marlene wusste, dass er ungeduldig wurde. Sie konnte es verstehen, schließlich kam sie ewig nicht zum Punkt dieses Gesprächs.

„Okay, hör zu! Ich weiß, dass du dich nicht an mich erinnerst, ich verschaff dir kurz einen Überblick: Es ist etwa zwei Jahre her, du hast mich in dem Supermarkt getroffen, in dem ich damals gearbeitet habe und ein bisschen mit mir geflirtet. Dann hast du mich zu einer Hausparty bei einem deiner Freunde eingeladen. Ich wusste damals nicht, wer du bist - ich war gerade erst aus Deutschland hierher gezogen und hatte noch nie von One Direction gehört - also habe ich gedacht, ich gebe dir eine Chance - du warst nett, zuvorkommend, charmant. Ich konnte ja nicht wissen, dass du mit mir schläfst und am nächsten Morgen verschwindest, ohne wenigstens Tschüss zu sagen. Aber naja, das ist ja jetzt auch egal.“ Marlene holte kurz Luft und sprach weiter, bevor Harry sie unterbrechen konnte. „Auf der Party hast du mir auch deine Bandkollegen vorgestellt. Liam hat sich gestern tatsächlich an mich erinnert. Das war nett - und dabei hat er mich noch nicht einmal nackt gesehen.“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme einen schärferen Ton anschnitt. „Naja, das ist eigentlich auch nebensächlich. Obwohl Liam mich davon überzeugt hat, mit dir zu sprechen. Okay, ich glaube ich sollte nicht ewig reden und einfach zum Punkt kommen. Also, der eigentliche Grund dieses Gesprächs ist … du hast Mia getroffen, meine Tochter, ja … also … sie ist … Du bist Mias Vater, Harry.“ Sie schloss ihren Mund und ihre Augen gleichzeitig und wartete auf irgendetwas - vielleicht auf einen Knall oder den Untergang der Welt.

Nichts passierte.

Schweigen erfüllte den Raum.

Marlene richtete ihren Blick schließlich wieder auf Harry; seine Augen waren geweitet und unfokussiert, sein Mund halb geöffnet. Er sah absolut hilflos und enorm verängstigt aus. Seine Hände klammerten sich an Lindas Schreibtisch fest, seine Knöchel waren weiß von der Anstrengung und es schien als wäre der Tisch alles, was ihn in diesem Moment Halt gab.

here is the deepest secret nobody knows [One Direction / Harry Styles]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt