Kapitel 16

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Rumpelstilzchen

Ich wollte nicht in mein Schloss zurückkehren. Wollte nicht, dass diese unheimliche Leere wieder begann mich aufzufressen wie ein hilfloses Tier. Es würde mich doch wieder nur alles an Belle erinnern.

Also irrte ich weiterhin ziellos im Wald herum, wurde zerkratzt von dornigen Ästen, beschmutzt von Schlamm, weggepustet von dem eisigen Wind.

Doch nichts war so schlimm, wie der Riss in meinem Herzen.

Ich wusste, dass ich irgendwann wieder anfangen musste zu leben, dass ich weitermachen musste. Doch diese Optionen schienen so fern.

Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass mir so plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Deshalb war ich umso tiefer gefallen und umso härter aufgeprallt.

Und ständig dieses engelsgleiche Lächeln vor Augen. Es trieb mich in den Wahnsinn.

Ich wünschte mich an einen anderen Ort, einen, der mich tröstete. Endete schließlich an einem großen See, der die helle Sonne reflektierte. Das weiche Gras schmiegte sich an meine nackten Füße, die Sonnenstrahlen wärmten mich.

Ich atmete tief ein. Hier konnte man das Leben spüren. Ich ging auf den See zu.

Das kühle Wasser umspielte meine Knöchel. Ich watete weiter hinein, bis zur Hüfte. Dann drehte ich mich um und ließ mich in das kalte Nass fallen.

Ich teilte das Wasser kurz, dann schlug es über mir zusammen.

Hier unten war alles so friedlich, so still. Mein Kopf konnte sich ausruhen, von all den Eindrücken, von all den Gedanken.

Und auch wenn die Luft aus meinen Lungen wich, so tauchte ich nicht auf. Es war viel zu schön.

Ich sank weiter nach unten, die Oberfläche entfernte sich von mir. Es wurde dunkler, gab mir das Gefühl, einzuschlafen.

Und genau das wollte ich: Einschlafen. So tief, dass ich nicht mehr aufwachte. So tief, bis ich endlich diese blauen Augen wiedersah. Bis ich meinen Engel wiedersah.

Und so ließ ich es zu, dass das letzte bisschen Luft meine Lungen verließ und die Dunkelheit mich umhüllte wie ein Schleier.

Doch etwas zog meine Hand ruckartig nach oben, störte meine Friedlichkeit. Das Letzte, was ich mitbekam war, wie ich immer schneller der Oberfläche entgegenkam.

Belle?

Doch dann verließ mich mein Bewusstsein.

Hustend kam ich wieder zu mir. Ich spuckte Wasser und bemerkte, dass ich auf der grünen Wiese lag, den schimmernden See vor mir. Jemand hatte mich herausgezogen.

Suchend sah ich mich um. Sah mich nach einer bestimmten Person um. Doch einzig und allein ich war hier.

Enttäuscht sank ich zurück in's Gras. Eine plötzliche Müdigkeit überkam mich und ehe ich meine Augen nochmal öffnen konnte, war ich eingeschlafen.

Sie saß im Gras, mit dem Rücken zu mir. Ihr langes Haar schimmerte in der goldenen Sonne. Ihr Kleid war um sie herum ausgebreitet, sie flocht einen Blumenkranz.

Ich stand auf und ging zu ihr. Als ich bei ihr angekommen war, ließ ich mich neben ihr nieder.

,,Du hast versucht dich umzubringen", sagte sie, jedoch keineswegs vorwurfsvoll.

,,Nein, das war nicht meine Absicht. Nur ein netter Nebeneffekt. Hast du mich herausgezogen?", fragte ich hoffnungsvoll.

,,Ich bin tot", erwiderte sie, ohne aufzusehen.

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