Kapitel 1

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Mit dem Kopf auf die Hände gestützt saß ich vor meinem Spiegel. 

Ich hatte es gewusst. 

Und die Bestätigung, die ich eben bekommen hatte, riss ein klaffendes Loch in mein Herz. 

Vorhin war ich an dem Zimmer meiner Mutter vorbeigelaufen, welche schon seit einigen Tagen sehr krank war. Und es wurde von Tag zu Tag immer schlimmer. Ein, wie es schien, unheilbarer Virus, der sich wie ein Parasit durch ihren Körper fraß und sie fortlaufend lebloser aussehen ließ. 

Stimmen waren aus dem Zimmer zu mir gedrungen. Leise hatte  ich mich gegen die Tür aus dunklem Eichenholz gelehnt.

,,Wie geht es dir?", hatte ich meinen Vater fragen hören, gefolgt von dem rauen und lauten Husten meiner Mutter. 

,,Noch schlechter als gestern", erklang ihre heiser gewordene Stimme. Schritte waren zu hören gewesen.

,,Ich schaffe das nicht mehr, Valentin", hatte sie dann leise gesagt. 

,,Was meinst du damit?", fragte mein Vater besorgt.

,,Ich...werde sterben." 

Stille.

Der Schock, der mich in diesem Moment getroffen hatte, schnitt mir meine gesamte Luft ab. Meine geliebte Mutter sollte sterben? Das durfte einfach nicht passieren!

,,...soll ich es Belle sagen?", war nun wieder die Stimme meines Vaters ertönt. Auch ohne ihn zu sehen, hatte ich gewusst, dass er weinte.

,,Nein. Isabelle soll es noch nicht erfahren. Es würde ihr das Herz zerreißen", antwortete meine Mutter darauf mit ihrer sanften Stimme. 

Da hatte sie Recht gehabt. 

Unter Tränen war ich in mein Zimmer gerannt und hatte die Tür hinter mir zugeworfen.

Und nun saß ich vor dem Spiegel und fuhr mir durch die kastanienbraunen Haare. Meine blauen Augen schauten mich aus dem Spiegel heraus verzweifelt an. Es schien, als wäre das Licht aus ihnen gewichen, in der Sekunde, in der ich von Mutters voraussichtlichem Tod erfahren hatte. Sie sahen nun selbst aus, als würde kein Leben mehr in ihnen stecken. Ich war einfach nur unheimlich hilflos. Und ich hasste das. 

Es klopfte. 

,,Herein", sagte ich leise. Mein Vater kam durch die Tür auf mich zu. 

Als er mich zusammengesunken auf dem Stuhl sitzen saß, fragte er besorgt:,,Belle, meine allerliebste Tochter, was ist los?"

Ich wollte es nicht wiederholen, ich wollte es nicht laut aussprechen. Nicht so im Raum stehen lassen, als wäre es eine wahre Tatsache. Doch genauso war es. 

,,Ich weiß es. Das...mit Mutter", murmelte ich.

Überraschung breitete sich auf dem Gesicht meines Vaters aus.

,,Woher?"

,,Ich habe an der Tür gelauscht", beichtete ich und schaute auf meine Hände, darauf bedacht nicht zu weinen. Ich konnte doch nun keine Schwäche zeigen, ich musste stark für meine Mutter sein.

Mein Vater atmete hörbar ein und schien erst einmal nicht zu wissen, was er machen sollte. Wahrscheinlich fühlte er sich ebenso hilflos wie ich im Augenblick. 

,,Ach Belle", sagte er dann und nahm mich in den Arm. Nun machte er mir es wirklich unmöglich meine Gefühle zurückzuhalten. Ich spürte, wie meine Wangen feucht wurden, da eine salzige Träne nach der anderen an ihnen herunterlief. 

,,Glaubst du, sie wird wirklich sterben?", fragte ich weinend. Für einen Moment schwieg mein Vater. Wahrscheinlich überlegte er, wie er es mir am Besten sagen konnte. Wie er diese furchtbaren Worte in den Mund nehmen konnte, ohne mich und sich selbst zu verletzen. 

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