Verfolgung

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Auch wenn Harry nicht an meine Vermutung glaubt, ich glaube daran. Mein Vater lebt, dieses Hemd hat es mir gezeigt. Ich weis, dass Harry es für Schwachsinn empfindet, nach einer Person zu suchen, nur weil man ein Hemd gefunden hat, dass wie eines aussieht was diese Person besitzt. Aber ich zwinge ihn nicht, mich zu begleiten. Er kann unsere Suche nach Terminus allein fortsetzen, und sehen ob es dort wirklich diese versprochene Sicherheit gibt. Er ist mir gefolgt, als ich gehen wollte, gezwungen habe ich ihn nicht. Er muss akzeptieren, dass ich meinen Vater um jeden Preis wieder bei mir haben möchte, egal ob ich mich damit in Gefahr bringe oder nicht. Diese Welt bietet schon genug Gefahr, da wird mich diese kleine Steigerung, die mich erwarten konnte, auch nicht aufhalten. Und Harry erst recht nicht.

,,Bist du dir sicher, dass er in diese Richtung gelaufen ist? Er kann auch in die andere gegangen sein."

Harry's Unsicherheit macht sich ein weiteres Mal bei mir bemerkbar.

,,Ja, er ist hier lang gelaufen!"

Sage ich ernst und halte meinen Blick vorne. Bis jetzt konnten wir keine weiteren Anzeichen dafür finden, dass mein Vater hier war. Aber er lässt ja nicht extra nach jeden Metern ein Hinweis liegen, er weis ja nicht mal, dass ich noch lebe und nach ihm suche.

,,Siehst du das dort vorne?!"

Ich mache meine Augen zu einem Schlitz um zu erkennen, was Harry meint. Wir sehen und irritiert an und rennen gleichzeitig los, zu den Toten am Boden. Als wir atemlos bei ihnen ankommen, schaufle ich erneut Hoffnung. Mindestens 10 Beißer liegen tot auf dem Asphalt verteilt herum.

,,Er war hier!"

Ich weis nicht, woher diese ganze Hoffnung in mir herkommt, aber ich bin mir so sicher, dass mein Vater etwas damit zu tun hat. Jeder andere würde denken, dass es von irgendjemand anderem kommt, aber nicht ich. Das war mein Vater, der gegen diese Horde gekämpft hat. Langsam beuge ich mich zu einer der Leichen, die ziemlich verstümmelt ausschaut, herunter und schaue sie mir genauestens an.

,,Das Blut und die Wunden an ihm sind noch frisch. Er muss erst vor kurzem hier lang gekommen sein."

Ich drehe mich zu Harry, der mich einfach nur ansieht.

,,Dann sollten wir uns beeilen, oder?"

Mit einem Nicken bestätige ich seine leicht ironische Aussage und rapple mich hoch. Schnell setzen wir unseren Weg fort, während ich mich noch einmal kurz zu den Toten umdrehe.

_____

Harry's pov

In Claire sprudelt die Hoffnung nur so. Ich bin mir nicht sicher, ob die Suche ganz so viel Sinn macht, vor allem, weil seit der toten Beißer auf der Straße bereits wieder mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen, vergangen sind. Vielleicht ist es falsch, ihr ständig die Hoffnung zu rauben, aber ich bin nun mal seit langem nicht mehr so optimistisch. Sie sollte lernen, dass sie sich nicht immer allzu große Hoffnungen machen sollte, denn am Ende wird die Enttäuschung umso größer. Auch wenn ich überhaupt kein Fan ihres Plans bin, unterstütze ich sie dabei. Sie vermisst ihren Dad, da ist es verständlich, dass sie alle kleinsten Spuren auf sein Überleben deutet. Ich hatte noch nie zu große Hoffnungen für irgendwas und ich werde jetzt auch nicht damit anfangen. Sie will ihren Dad suchen? Dann helfe ich ihr auch dabei, egal ob ich mir sicher bin, dass er bereits tot ist.

Claire läuft vorne weg und dreht mir ihren Rücken zu. Es wirkt, als würde sie von Sekunde von Sekunde schneller werden, was mich dazu veranlasst, auch mein Tempo zu beschleunigen. Sie ist echt ehrgeizig und hartnäckig, dass muss man ihr lassen. Seit wir, seit dem Zugunglück eine Zweiergruppe bilden, hat sie immer bekommen, was sie wollte. Egal wie sehr ich gegen etwas war, sie schaffte es immer wieder, mich für sich zu gewinnen. Diese kurzen, aber ausschlaggebende Sätze mit ihrem süßen Hundeblick in Kombination schafft es einfach immer auf's neue. Manchmal geht es mir tierisch auf den Geist, dass sie so süß ist, aber ich mag sie trotzdem. Wir kennen uns noch nicht ganz so lange, 6 oder 7 Monate vielleicht, aber trotzdem würde ich alles, wirklich alles, für sie tun. Ich würde mein Leben für ihres geben, mich vor eine Kugel werfen, nur um ihr Schutz zu bieten und mich einem Beißer vorwerfen, um ihr Deckung zu geben. Einfach alles, so sehr habe ich meine Claire bereits ins Herz geschlossen.

,,Harry!", höre ich eine zarte aber ernste Stimme flüstern.

Sofort versuchen meine Augen das Gesicht zu der Stimme zu finden und blicken nach sehr kurzer Zeit in zwei braune Augen.

,,Jetzt komm, bevor sie dich sehen!"

Harsch winkt die Brünette mich zu sich rüber, hinter ein großes dichtes Gebüsch. Ich weis nicht recht, wer mich nicht sehen soll, aber ich tue was sie sagt, und setze mich neben sie auf das sandige Gras. Vorsichtig späht sie über das Gebüsch hinweg und ist so leise wie sie nur kann. Ich mache es ihr nach und strecke meinen Kopf ebenfalls soweit über das Gebüsch, dass ich alles sehen kann, aber man mich nicht auf den ersten Blick entdeckt. Gespannt versuche ich zu erkennen, wen Claire meinte und lasse meinen Blick umher schweifen. Dieser bleibt dann an einer Afrikanerin und einer kurzhaarigen Brünette hängen. Sie gehen geradewegs in einen kleinen Laden, vergleichbar mit einem Kiosk, das um genau zu sein, einzige Gebäude in dieser Nähe. Claire und ich tauschen schnell einige Blicke aus und lassen uns wieder nieder. Na toll, jetzt dürfen wir hier sitzen und warten, bis die feinen Damen wieder verschwinden. Wir wissen nicht, wie sie drauf sind, obwohl ich mir bei der kurzhaarigen eher weniger Sorgen mache. Die Afrikanerin mit den Rasterzöpfen macht mir eher Bedenken, mit ihrem riesigen Schwert. Sie würde sicher nicht zögern, um uns zu töten, indem sie uns eiskalt den Kopf abschlägt.

,,Bleib sitzen.", zische ich leise, als ich mit bekomme, wie Claire sich bereits aufrichten will.

Ich erstarre einfach und fixiere den Beißer der gemütlich mit fauchenden Geräuschen auf uns zu torkelt. Manchmal ist es schon witzig, wie gierig diese Dinger sich nach Frischfleisch sehnen und nahezu abhängig nach einem sind, aber auch nie locker lassen. Claire's Angst macht sich deutlich bemerkbar, ich sehe wie sie ängstlich aber auch verwirrt zu mir rüber sieht, sie scheint nicht zu verstehen, was ich vor habe. Nur wegen diesem Beißer, müssen uns die Samurai und ihre Freundin doch nicht entdecken und töten, oder? Der Beißer kommt immer näher und ich ziehe mein Messer langsam aus dem Holster.

,,Was tust du Harry?!", zittert das Mädchen neben mir ängstlich, aber ich ignoriere sie.

Direkt vor uns fällt der Beißer auf die Knie und versucht nach uns zu greifen, aber ich halte ihn entspannt zurück, indem ich ihn an den Haaren hinten halte. Er versucht unlogischerweise nach uns zu beißen was natürlich nicht so funktioniert wie er es wahrscheinlich dachte, und streckt seine Arme hungrig nach uns aus. Ich schaue ihn mir kurz an, wie verzweifelt er nach uns zu greifen versucht und steche ihm die scharfe Klinge in die Stirn. Sofort fällt er vor uns zu Boden und ich ziehe mein Messer gelassen wieder aus seinem Gammelkopf. Claire sieht mich mit großen Augen an.

,,Ist doch alles gut", sage ich lässig und wische das schwarze Blut an den Überresten des Shirts, des Leichnams ab.

,,Sie kommen!", flüstert Claire plötzlich und ich drehe mich um. Die beiden haben vollgepackte Rucksäcke auf den Schultern hängen und unterhalten sich fröhlich.

,,Die sehen ja ganz schön glücklich aus, dafür dass die Welt gerade untergeht", stellt sie ein weiteres Mal fest.

Die beiden Damen verschwinden wieder in die Richtung, aus welcher sie kamen und sofort, als sie gerade außer Sichtweite sind, springt Claire aus unserem Versteck und rennt los.

,,Was machst du, verdammt?!"

Ohne Anstalten zu machen, anzuhalten, dreht sie sich im Laufen um:,,Komm einfach!"

Augenverrollend und grölend komme auch ich hervor und renne ihr nach. Dieses Mädchen macht mich noch irre!

Keep me aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt