3. Kapitel - Voller Vorfreude

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Am nächsten Morgen wachte ich bereits um sieben Uhr auf. Um sieben! Als ich die Ziffern auf meinem Wecker erkannte, wäre ich am liebsten auf der Stelle wieder eingeschlafen, doch es klappte nicht. Ich wälzte mich hin und her und presste meine Augen zusammen, aber nach ein paar Minuten musste ich schweren Herzens einsehen, dass ich hellwach war, also gab ich auf und beschloss mit einem Seufzer, schon einmal Frühstück zu machen.

Gähnend schälte ich mich aus meiner Decke, lief dann nach unten und begann, Teller auf den Tisch zu stellen, anschließend Besteck und Gläser. Da ich Zeit schinden wollte, entschied ich mich für Pfannkuchen und begann den Teig anzurühren. Ich merkte kaum, wie ich das Mehl mit dem Zucker mischte und erledigte alle Arbeitsschritte so routiniert wie es nur jemand kann, der seit der frühesten Kindheit mit demselben Rezept in derselben Küche seine Pfannkuchen brät. Als ich mit dem Anrühren fertig war, warf ich erneut einen Blick auf die Uhr.

Viel zu früh.

Die Küchenuhr zeigte gerade mal zwanzig nach sieben an und meine Mutter stand meistens erst gegen halb neun auf! Das war in - hatte ich bereits erwähnt, das ich Mathe hasste? - mehr als einer Stunde. Na toll. Also stellte ich den Teig gezwungenermaßen in den Kühlschrank (ich hatte ohnehin noch keinen Hunger) und ging in unser Wohnzimmer, wo es ein wundervolles großes Fenster gab.

Ich sah, dass es die Nacht über geschneit hatte und der Schnee jetzt beinahe einen Meter hoch lag, während der Himmel ohne die Schneewolken inzwischen ganz klar war. Die Sterne waren noch deutlich zu sehen - von der nahenden Morgendämmerung war kaum etwas zu erkennen. Lediglich die Straßenlaternen tauchten die kleine Dorfstraße vor unserem Haus in ein gelbliches Zwielicht, das ihr jedoch nicht annähernd das Unheimliche nahm. Die stockfinsteren Winkel und Lücken zwischen den Häusern schienen alles Licht zu verschlucken und gähnten mir durch das Fenster unheilvoll entgegen. Ein Schauder durchzuckte meinen Körper und ich knipste hastig die zweite Wohnzimmerlampe an.

Warum waren im Winter die Tage nur so kurz? Zu gerne wäre ich auf der Stelle in den glitzernden Schnee gesprungen, aber daran war nicht zu denken.
Es war so hinderlich, Angst in der Dunkelheit zu haben!

Und wie sollte ich mir jetzt nur die Zeit bis elf Uhr vertreiben? Wenn nur meine Mutter wenigstens schon wach wäre... Seufzend löste ich meinen Blick vom Fenster und entschied mich dazu, nach oben zu gehen und mein Zimmer aufzuräumen oder etwas anderes sinnvolles zu tun. Treppe hoch - Tür auf - Tür zu - CD-Player an. Mit einem kleinen Funken Hoffnung auf Schlaf legte ich mich erneut in mein Bett und versuchte, nichts zu denken, einfach nur der angenehm fidelnden Geige zu lauschen, den frischen Duft meines Kopfkissens einzuatmen...

Man möchte es nicht glauben, doch ich schaffte es tatsächlich, erneut einzuschlafen und wachte erst davon auf, dass Mum die Treppe hinunterging. Wie der Blitz war ich vor ihr nach unten gesprintet und gab mit der suppenkelle einen Klecks Teig in die Pfanne. Meiner überraschten Mutter grinste ich fröhlich zu.

"Nanu, schon so flink heute morgen? Es ist doch gerade erst neun!" Immerhin waren es jetzt nur noch zwei Stunden bis zur Verabredung mit Luca. Dennoch war ich ein wenig enttäuscht, weil sich das Schlafen sehr viel länger angefühlt hatte...

"Was hast du denn heute so vor? Ich dachte, wir könnten vielleicht mal wieder einen Winterspaziergang machen. Jetzt wo es noch nicht so viele vereiste Wege gibt", schlug meine Mutter vor. Oh. Ich biss mir auf die Lippe; solche Spaziergänge machten wir nicht sehr oft. "Tut mir Leid, Mum, aber heute habe ich schon was vor." Entschuldigend blickte ich sie an. "So? Was denn?"

"Ich ... wollte heute..." Während ich den Pfannkuchen wendete, suchte ich fieberhaft nach einer Ausrede. Warum ich meiner Mutter nichts von Luca erzählen wollte, wusste ich selbst nicht genau. Ich ließ mir viel Zeit beim Auftun auf Mums Teller.

"Also im Kiefernwald, da hatte ich heute gedacht, ich könnte..."
"Ist schon gut, Schätzchen." Sie zwinkerte mir zu. "Du musst es mir nicht erzählen." Dankbar, wenn auch peinlich berührt, umarmte ich sie kurz und füllte eine weitere Portion Teig in die Pfanne. Während der Pfannkuchen fest wurde, schwiegen wir. Dann stellte ich meinen Teller in den Schrank zurück. Mir war eine Idee gekommen. "Ich gehe mal Schnee schippen, okay?" Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm ich mein Frühstück in die Hand und huschte zur Küchentür hinaus.

Es war ein Glück, dass unsere Haustür nach außen aufging - ansonsten wäre mir wohl jetzt eine kleine Lawine entgegengekommen. So aber musste ich nur meine gesamte Kraft aufwenden, um die Tür einen spaltbreit aufzumachen und mich dann mit eingezogenem Bauch hindurch quetschen.
Wenn man aus unserem Haus heraus kommt, führt nach links, abgegrenzt von einer kleinen Steinmauer, ein schmaler Weg zur Straße. Diesen Weg wollte ich frei schippen.

Nun gut, frei schippen war wohl falsch gesagt, frei wühlen würde es eher treffen. Wie ein Maulwurf musste ich mich zunächst zum Spaten vorbuddeln (mit der Schneeschippe brauchte ich es gar nicht erst zu versuchen), nur um dann festzustellen, dass ich damit nichts würde anfangen können, denn es gab keinen Platz, wo ich den Schnee hätte hin schaufeln können, um den Weg freizubekommen. Während ich die letzten Bisse meines Pfannkuchens im Gehen verdrückte, stellte ich fest, dass ich wohl auf unser Steinmäuerchen klettern und den Schnee dort hinüber schaufeln musste. Das war zwar mühsam, nicht wirklich effektiv und dauerte somit ewig, war aber damit für mich genau richtig, denn endlich schien die Zeit etwas schneller zu vergehen. Als ich etwa die Hälfte des Weges hinter mir hatte, war es schon halb elf - um zehn vor wollte ich losgehen. Als es nur noch wenige Sekunden waren, legte ich den Spaten ab, stellte mich sprintbereit hin und zählte gemeinsam mit meiner Taschenuhr die Zeit herunter.

"Fünf, vier, dreei, zweeei, eeeeins, LOS!"

Liebe im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt