12. Kapitel - Unentschlossenheit

172 57 28
                                    

Nach dem Mittagessen hüpfte ich gut gelaunt wieder zum Hügel, den Schlitten zog ich hinter mir her.
Doch schon als ich Luca vorne am Weg stehen sah, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Er sah so finster drein, dass es mir beinahe ein wenig Angst machte.
Auf meinen fragenden Blick hin deutete er nur neben sich, wo unser Iglu stand.
Gestanden hatte!

Von dem Schneegebilde, bei dem wir uns so viel Mühe gegeben hatten, war kaum mehr eine Ruine übrig!
"Wer... wer könnte das gewesen sein?", fragte ich verdattert.
"Ich weiß es nicht", sagte Luca. "Es gibt viele Idioten auf der Welt, aber wer hat denn bitteschön Spaß daran, auf so einem Kunstwerk herumzuhüpfen??"
Ich fühlte mich unwohl.
Eigentlich war mir das Iglu nicht so wichtig, es war sowieso nur aus der Absicht entstanden, Luca zu beruhigen.
Aber jetzt hatte es das genaue Gegenteil bewirkt, denn Luca war noch aufgebrachter als vorher.

Ich legte ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter.
"Wir können doch später ein neues bauen... Es war doch sowieso zu eng darin. Aber jetzt machen wir erstmal etwas anderes. Schau mal, was ich bekommen habe!"
Nun zeigte ich auf den Schlitten.
"Ich wollte ihn gleich ausprobieren."
"Cool, der sieht ja fast so aus wie meiner!", murmelte Luca. "Schade dass ich ihn nicht dabei habe..."
Ich schmunzelte, denn eigentlich war mir das ganz recht.
Zusammen zu fahren bedeutete nämlich, dass ich einen Vorwand hatte, Luca zu umarmen.
Mit dem Schlitten in der einen Hand und Luca an der anderen stieg ich den kleinen Berg hinauf.

Während ich mich hinter ihn setzte, überlegte ich, ob ich es wohl schaffen könnte, mit ihm zusammen zu kommen.
Die Voraussetzung war natürlich, dass er sich ebenfalls in mich verliebte und das würde wohl die größte Schwierigkeit werden. Wir waren Freunde und ich hatte das Gefühl, Luca wollte nicht mehr als das. Wie war das nochmal mit Manipulation durch Hypnose?

Bevor ich mir mehr Gedanken darüber machen konnte, hatte sich mein Freund-und-nicht-mehr-als-das bereits kräftig abgestoßen und wir sausten in die Tiefe. Ich umschlang seinen Oberkörper und wünschte mir, nie wieder loslassen zu müssen, doch leider war es natürlich mal wieder viel zu schnell vorbei und ich musste ihn freigeben, um nicht verdächtig zu wirken.
Sei nicht so ein Feigling!, zischte mir eine Stimme in meinem Inneren zu.
Gesteh es ihm! Vielleicht hast du ja Glück? Mehr als schiefgehen kann es nicht.
Aber dann wäre ich vielleicht meinen einzigen Freund los!
Ach, Quatsch! Glaubst du, er lässt dich stehen, weil du ihn liebst? Er mag dich, das weißt du! Und es steht dir keine Maja mehr im Weg! Was hält dich noch auf?
Die Furcht davor, dass es schiefgeht...
Sei kein Feigling!

Ich war kein Feigling! Ich hatte nur Angst, er würde mir den Rücken zukehren, wenn er es wusste.
Andererseits... Warum sollte er? Es stimmte schon, er mochte mich.
Ich beschloss, mich zusammenzureißen und es zu wagen.
Doch gerade als ich den Mund aufmachen wollte, sagte er grimmig:
"Weißt du, ich glaube, ich bin froh, dass das mit Maja beendet ist. Ich habe die Nase voll von der Liebe und Beziehungsstress. Als Single fühle ich mich viel freier, das habe ich, glaube ich, sehr vermisst!"

Ich klappte den Mund wieder zu. Er sprach genau das aus, was ich mir die ganze Zeit gedacht hatte.
Luca wollte keine Beziehungen mehr, er fühlte sich als Single freier...
Plötzlich wurde ich wütend. Wer kümmerte sich eigentlich mal darum, was ich fühlte?
Ich hatte mich nämlich gerade beinahe dazu überwunden, Luca ein Liebesgeständnis zu machen, doch wen interessierte das? Luca? Der war ja nur mit sich selbst beschäftigt und merkte es gar nicht. Dieser egoistische Idiot!

Mir war klar, dass meine Wut auf Luca nicht berechtigt war, aber irgendwie musste ich ja Dampf ablassen.
Eigentlich war ich ja sowieso nicht sauer auf ihn, sondern... sondern... Auf die Welt! Auf das Schicksal! Auf mich selbst!

Ich drehte mich um und lief.
Weg von Luca, weg von dem, den ich liebte, der mich nicht liebte, der mir aber trotzdem hinterherrief, ich solle stehenbleiben.
Der verzweifelt fragte, was denn los sei.
Ich gab keine Antwort.
Ich kannte sie selber nicht.

Liebe im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt