Wie lange ich so rannte - keine Ahnung. Lang. Länger, als ich je durchgehalten hatte. Ich hatte Seitenstechen, mein Kopf pochte und jeder Atemzug schmerzte beinahe unerträglich in meinem ausgetrockneten Hals. Doch ich lief weiter.
Laufen, immer weiter, immer weiter!
Luca war so ein Idiot! Konnte er nicht etwas weniger egoistisch sein? Schließlich hatte er es möglicherweise mir zu verdanken, dass er Maja nie wieder küssen musste!
Einatmen - Ausatmen.
Einatmen - Ausatmen.
Verdammter Blödmann! So ein Doofkopf!
Reiß dich zusammen, Emily! Die einzige, die hier gerade zickig und egoistisch ist, bist du!
Stimmte das wirklich? Ich drosselte mein Tempo und mit dem Tempo verpuffte auch
der Zorn auf Luca. Er konnte ja nichts dafür, dass ich ihn liebte. Es war wahr, so gemein zu ihm zu sein war nicht fair. Verdammt. Aber wem durfte ich denn dann die Schuld an meinem Pech in die Schuhe schieben, wenn nicht Luca?
Dem Schicksal, Emily, dem Schicksal.
Hrmpf. Scheiß Schicksal.Als ich mich wieder einigermaßen abgeregt hatte, beschloss ich, das Ganze einmal sachlich zu betrachten.
Es war gut, dass Luca mit Maja Schluss gemacht hatte.
Warum? Weil Maja eine gemeine Zicke war!
Aber offenbar dachte er nun dass jedes Mädchen so war und wollte nichts mehr von ihnen wissen.
Moment mal, wenn er nichts mehr von Mädchen wissen will, warum hat er heute stundenlang mit dir an diesem Iglu gebaut?
Weil... weil... stimmt. Aber warum hat er dann gesagt, dass er genug von mir hat?
Das hat er NIE gesagt! Nie! Er hat nur genug von Beziehungen und...
...von Mädchen. Ich bin eines!
Nur hat er das vielleicht noch nicht so richtig gemerkt?
Muss er auch nicht! Dann will er schließlich nichts mehr mit mir zu tun haben!
Blödsinn! Er braucht wahrscheinlich nur eine Pause. Sei für ihn da, wenn er dich braucht und es wird sich bestimmt der Moment ergeben, der perfekt für ein Liebesgeständnis ist!
Und wenn er mir einen Korb gibt?
Und wenn nicht?
Stimmt.Ich seufzte und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die Haare klebten eklig daran und mir war unglaublich warm. Erschöpft brach ich zusammen und blieb am Boden liegen, bis sich mein Atem beruhigt hatte.
Dann rappelte ich mich auf und sah mich verwundert über meine Umgebung um..
Wo war ich? Ich hatte kein bisschen auf den Weg geachtet. Ach ja, das war das kleine Wäldchen, das Lucas Haus umgab. Komisch, meine Beine hatten mich vollkommen selbstständig hier her gebracht.Ich sog die Luft ein, die so angenehm nach Schnee roch und überlegte, was wohl nun zu tun sei. Wie konnte ich Luca meinen "kleinen" Nervenzusammenbruch erklären? Dass ich es erklären musste, war keine Frage.
Schließlich hielt ich es für das Beste, einfach zum Hügel zurückzugehen und dann zu improvisieren."Emily!"
Luca klang erleichtert, er war tatsächlich noch beim Hügel gewesen und hatte vergebens versucht, unser Iglu zu reparieren.
"Warum bist du weggerannt? Habe ich etwas falsch gemacht?"
Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen?
"Hey, was ist denn los mit dir?", fragte er und strich mir übers Haar. Mein Herz machte einen Sprung.
"A-alles gut", log ich. "Sorry... ich weiß auch nicht."
Luca knabberte an seiner Unterlippe. "Bist du... wegen dem weggelaufen, was ich über Maja gesagt habe?", fragte er vorsichtig.
Erschrocken sah ich ihn an. Wie hatte er das denn so schnell herausgefunden?
"Es tut mir leid", sagte er, "es war doof von mir, so über jemanden zu reden, den ich fast ein halbes Jahr lang geliebt habe. Das war respektlos."
Puh, er hatte es falsch verstanden. Schnell nickte ich."Ist schon okay", sagte ich, "ähm... Soll ich dich nach Hause begleiten?"
Sichtlich überrascht willigte Luca ein und so gingen wir gemeinsam den Weg zu seinem Haus inmitten der blätterlosen Birken, redeten über dies und das und keiner von uns verlor noch ein Wort darüber, warum ich weggelaufen war.
Möglicherweise wäre es sogar ein guter Zeitpunkt für mein Geständnis gewesen, aber ich sagte nichts. Im Moment genoss ich einfach, dass es eben doch noch Momente gab, an denen ich ungestört und friedlich bei Luca sein konnte.
DU LIEST GERADE
Liebe im Schnee
Romance》Ein Mädchen liegt im Schnee. Es hat die Augen geschlossen, als schliefe es. Die herabfallenden Flocken schmelzen auf seiner schneeweißen Haut. Ein sanftes Lächeln umspielt die eiskalten Lippen.《 Wie tief kann die Liebe zu einer Jahreszeit reichen? ...