5. Kapitel - Ein Anflug von Eifersucht

274 69 26
                                    

Als ich am nächsten Samstag wieder an unserem Hügel ankam, stand Luca schon da.
"Hallihallo!", begrüßte er mich. "Hi!", rief ich und ging auf ihn zu. "Na, wie geht's di-" Mein Satz ging in einen kleinen Schrei über, denn ein undefinierbares weißes Etwas hatte plötzlich meine Jacke gepackt, kräftig daran gezogen und dann begonnen, mich anzukläffen.

"Chewie, aus!", rief Luca und packte das Etwas, sodass ich, die Gelegenheit nutzend, schnell einige Meter zurückweichen konnte. Zitternd holte ich Luft, um mich zu beruhigen.
Das Ding, das mich angefallen hatte, war, wie ich nun erkennen konnte, ein mittelgroßer Hund, dessen freundlich wedelnder Schwanz einen ziemlich extremen Kontrast zu den gefährlich spitzen Zähnen bildete. Seine Augen blickten mich herausfordernd an.

"Alles klar?", fragte Luca besorgt. "Hm...", brummte ich wischte mit einem Taschentuch notdürftig die Sabber von meiner Jacke und sah scheu zu dem Tier hinüber. "Warum benennst du deinen Hund nach diesem seltsamen Bär?" "Chewbacca ist doch kein Bär!", erwiderte Luca schon fast beleidigt. "Er ist ein Wookie! Und mein Hund ist genau so ... naja - sagen wir, temperamentvoll wie er." Er sah liebevoll zu Chewie hinüber. Temperamentvoll. Ah ja.

"Wenn du meinst...", sagte ich und musterte den aufgeregten Hund misstrauisch.
"Keine Sorge", sagte Luca. "Der beißt nicht. Er ... zieht nur sehr gerne an Kleidern herum."
Ich sah, wie er sich ein Lachen verkneifen musste und zog gespielt beleidigt einen Schmollmund. Nun mussten wir beide lachen. Mein Blick blieb an seinen Lippen hängen und mir fiel auf, dass sie wirklich sehr hübsch waren. Ungewöhnlich voll waren sie, und sie hatten eine ziemlich schöne Form- oh nein...
Luca guckt.
Luca hat Blick bemerkt.
Nicht gut, Emily. Gar nicht gut! Emily!
Lenk ihn ab, sofort!

"Ähm, und ... was, äh, machen wir heute?", fragte ich und versuchte, total entspannt zu wirken. Leider spürte ich, wie mir verräterisches Blut in den Kopf schoss.
"Och", meinte Luca und blinzelte verwirrt, "ich ... dachte, wir machen einen Spaziergang durch den Mattheus-Park. Magst du den? In vielen anderen Parks müsste ich Chewie halt an die Leine nehmen - das wäre sehr schade."
Wohingegen ich mich dann vielleicht etwas sicherer gefühlt hätte ... Aber Luca schien Chewie nun einigermaßen im Griff zu haben und so stimmte ich nickend zu.

Der Mattheus-Park war nicht weit von unserem Stammpark entfernt und wir brauchten nur fünf Minuten, während denen Chewie munter neben uns her tappelte. Ich nahm mir vor, ihn trotz seines Überfalls ein klitzekleines bisschen zu mögen, weil ich ihn tatsächlich doch ein klitzekleines bisschen niedlich fand mit seinen großen, braunen Hundeaugen und seinem verspielten Wesen.
Meinen fragend lächelnden Blick, der "Wollen wir nicht doch lieber Freunde sein?" bedeuten sollte, quittierte er glücklicherweise mit einem freundlichen Schwanzwedeln.

Im Park war es angenehm ruhig und wir schlenderten, abseits des Weges, an einem kleinen Bach entlang, in dem Chewie fröhlich planschte. "Hast du eigentlich Geschwister?", fragte ich Luca. "Ja, leider. Eine kleine Schwester."
Ich lächelte. "Ich hätte gerne eine kleine Schwester. Aber das ist ja auch klar, man will ja immer das, was man nicht hat."
"Ja. Ungerechte Welt. Ich finde es sehr, sehr ärgerlich, dass man sich seine Verwandtschaft nicht aussuchen kann und trotzdem, bis man erwachsen ist, mit ihr zusammenleben muss!", knurrt Luca und fuhr sich durch die braunen Haare.

Ich schmunzelte und stellte mir vor, wie sich seine Haare wohl anfühlten. Bisher hatte ich sie höchstens zufällig mal mit Handschuhen berührt. Sie sahen unglaublich weich aus!
"Oh, sieh nur!", rief Luca plötzlich entzückt.
Wir hatten die Quelle des Baches erreicht.
Das Wasser sprudelte aus der Erde hinaus, als würde die Erde damit gurgeln!
Es war faszinierend! Wo nur das ganze Wasser herkam? Konnte es sich tatsächlich einfach unter der Erde befinden?

Während Luca und ich die Quelle beobachteten, kam Chewie lediglich einmal kurz angehopst, drehte sich beim Anblick des Wassers aber sofort wieder desinteressiert um und begann, alles im Umkreis von zwanzig Metern abzuschnuppern. Er untersuchte jeden einzelnen Busch, setzte hie und da eine Markierung und schien ganz in seinem Element.
Mein Blick glitt von Chewie über die Quelle zu Luca, der sanft lächelnd seinen Hund beobachtete.

"Du, Luca?", begann ich bemüht beiläufig und spielte an einem Buchenblatt herum. "Hast du eigentlich eine Freundin?"
Luca besah mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte, dann sagte er: "Ja, habe ich."
Meine Mundwinkel drohten zu sinken und ich musste mich zwingen, Luca weiterhin in die Augen zu schauen. Auch er schien plötzlich wahnsinnig müde.

"Sie heißt Maja", sagte er. "Wenn du willst, also ... Ich könnte sie dir ja mal vorstellen. Morgen? Zum Beispiel?"
Irgendwie hatte ich überhaupt keine Lust darauf. Trotzdem murmelte ich: "Ja, gut."
Ein Räuspern.
Ein scheuer Blick.
"Wollen wir dann ... wieder gehen?", fragte ich. Luca nickte.

Den Rückweg über schwiegen wir. Die Sonne schien unangenehm hell in mein Gesicht und ich wünschte mir einfach nur noch, zuhause zu sein. Luca schien auch nicht fröhlicher. Als wir uns für den nächsten Tag verabredeten (vierzehn Uhr am Hügel) und uns dann verabschiedeten, sah er so bedrückt aus, dass ich ihn am liebsten umarmt hätte, aber ich traute mich nicht und winkte nur zum Abschied.

Der Heimweg erschien mir dreimal so lang wie sonst.
Als ich endlich zuhause angekommen war, wich ich den Fragen meiner Mutter aus und ging sofort in mein Zimmer.
Dort vergrub ich das Gesicht in den Händen und schloss die Augen, während ich versuchte, ein Schluchzen zu unterdrücken.
In der Ferne jaulte ein Hund.

Liebe im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt