21. Kapitel - Ab zu Luca

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Als wir aus dem Wäldchen heraustraten, erinnerte ich mich an Mum.
"Verdammt, ich muss schnell nach Hause! Mum hat gesagt, ich darf nur eine Stunde raus, die ist bestimmt schon rum!"
"Das ist schlecht... wenn du unpünktlich kommst, darfst du sicher nicht noch mit zu Luca", stellte Larissa fest. "Kannst du rennen?"
"Ich versuche es!"
So gut es ging, rannten wir zu mir nach Hause und drückten stürmisch auf die Klingel.

"Na, auf die Minute! Wie geht es dir, Süße?", fragte Mum und öffnete die Tür.
"Gut", erwiderte ich. "Darf ich bitte noch eine Stunde draußen bleiben? Oder länger? Mir ist nicht mehr schwindelig!"
Mum runzelte die Stirn.
"Nein, du musst dich ausruhen!", sagte sie.
"Wovon denn?", fragte ich. Warum musste sie denn alles so schwer machen?
"Von deinem Unfall", sagte sie bestimmt.

Plötzlich ergriff Larissa das Wort.
"Entschuldigen Sie, aber es geht Emily wirklich besser, ich habe kaum mitgekriegt, dass sie verletzt ist! Und ich möchte ihr noch etwas zeigen! Es ist wirklich nicht anstrengend und total schön!"
Nun musste Mum lächeln.
"Wer bist du denn? Ich kenne dich gar nicht."
"Ich heiße Larissa", sagte sie.
"Ach, komm schon, Mum!", führte ich die Diskussion fort. "Ich bin schon fast wieder gesund! Die frische Luft hat mich geheilt!"
Meine Mutter blickte abwechselnd in die beiden flehenden Gesichter. Dann sagte sie: "Ach, Emily" und schloss mich in die Arme. "Nun geh schon. Aber sei um halb sieben Zuhause! Sonst gibt es Ärger!"

Ich lachte glücklich, umarmte sie nochmal fest und zog Larissa dann zur Straße zurück.
"Deine Mutter ist gar nicht übel!", sagte diese und schlug zielsicher den Weg zu Luca ein. Sofort wurde mir wieder etwas mulmig im Magen.
"Larissa... ich weiß nicht. Ich habe Luca ziemlich fertig gemacht und glaube eigentlich nicht, dass er mich wiedersehen will."
Larissa sah mich mitfühlend an. "Hey, das war okay! Du hättest genau so reagieren müssen, wenn das Bild echt gewesen wäre, wie du es dachtest. Maja ist schuld! Sie... sie hat mir das Foto abgekauft! Ich hatte ja keine Ahnung, was sie damit wollte, deshalb gab ich es ihr. Um ehrlich zu sein glaube ich, sie wollte eigentlich etwas anderes von mir, als sie mich besuchen kam, aber als sie das Foto auf meinem Schreibtisch sah, wollte sie nur dieses. Sie hat mir fünf Euro dafür gezahlt! Und das alles nur, damit du mit Luca nicht glücklich wirst. Wir müssen ihm das erzählen, ansonsten schleimt sie sich wieder bei ihm ein und ihr heimtückischer Trick funktioniert!"

Zweifelnd wich ich ihrem eindringlichen Blick aus, doch daraufhin nahm sie nur meinen Arm und zog mich weiter.
"Wenn er schon mich nicht liebt", murmelte sie bitter, "sollst wenigstens du mit ihm zusammen sein!"
Erst als sie das sagte, begriff ich, was sie da eigentlich tat. Sie half mir, Luca, in den sie sich schon vor langer Zeit verliebt hatte, für mich zurückzugewinnen! Sie gab ihn auf. Obgleich sie wusste, dass er nie etwas für sie empfunden hatte, musste es doch wahnsinnig schwer für sie sein!

"Danke, Larissa", sagte ich. "Danke für alles."
Sie brachte ein kleines Lächeln hervor.
"So viel ist alles doch gar nicht..."
"Oh doch. Du gibst hier gerade Luca für mich auf!", rief ich.
"Ach, weißt du", meinte sie, "ich musste schon vor einiger Zeit einsehen, dass aus uns beiden nie etwas werden würde. Das hier zwingt lediglich auch meinen verliebtesten Teil, sich dessen im Klaren zu sein. Es ist schmerzhaft, aber nicht so schlimm, wie du denkst."
Wir mussten bald da sein, denn man konnte zwischen den Bäumen bereits den See erkennen, in dem sich das blasse Sonnenlicht glitzernd spiegelte. Sofort überfluteten mich die Erinnerungen an meinen vierzehnten Geburtstag. Und an Luca.

"Oh, was soll ich nur sagen?", rief ich verzweifelt. "'Luca, sorry für alles, Maja ist schuld, kann bitte alles so sein wie vorher?'"
"Das wird sich schon ergeben", sagte Larissa zuversichtlich.
Da war ich mir ganz und gar nicht sicher, aber ich sagte nichts mehr und so verbrachten wir den Rest des Weges schweigend.
Als wir schließlich vor der Tür standen, kam mit einem Schlag die Panik zurück. Was tat ich hier? Ich hatte doch Schluss gemacht, ich durfte mich hier nicht blicken lassen! Ich musste hier weg... weit weg! Am besten an den Atlantik, da wollte ich schon immer mal hin. Oder nach Spanien zu meinem Vater!
Also was nun? Atlantik oder Papa?

Doch bevor ich mich entscheiden konnte, hatte Larissa schon geklingelt, beinahe sofort öffnete sich die Tür und ein rundlicher Mann mit kleinen, freundlichen Augen sah uns entgegen.
"Guten Tag, ihr zwei. Wer seit ihr denn?", fragte er.
"Wir möchten bitte zu Luca",erklärte Larissa.
"Ah, Freunde von Luca - kommt herein. Ich bin sein Vater", sagte der Mann, trat zur Seite und machte eine einladende Bewegung mit der Hand. Wir taten, wie uns geheißen.
"Luca ist oben in seinem Zimmer", sagte sein Vater und deutete die Treppe hinauf. Ich dankte ihm und ging, immernoch mit einem flauen Gefühl im Magen, nach oben. Larissa folgte mir.
Oben angekommen blieb ich zögernd vor der Tür stehen, an der mit großen Buchstaben "LUCA" stand, doch als mir Larissa einen aufmunternden Blick zuwarf, fasste ich mir ein Herz und klopfte kräftig an.

"Herein?"

Liebe im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt