SIEBTES KAPITEL

4.8K 190 9
                                    


Am nächsten Morgen hatte mich Asli vor meiner Wohnung abgesetzt und fuhr selbst nach Hause. Ich ging auf die Tür zu und suchte dabei mein Hausschlüssel in meiner Tasche. Als ich es endlich gefunden hatte, sah ich auf, direkt in die eisblauen Augen. Schnell sah ich wieder weg. Ich wollte ihm nicht in die Augen schauen. Ich wollte ihn nicht sehen. Wie traute er sich überhaupt noch hierher?

Bei dem Versuch an ihm vorbei zu gehen, scheiterte ich. Er packte mein Handgelenk und legte seine Hand an meine Wange. Sofort schlug ich seine Hand weg und wollte mich von ihm losreißen, aber er hatte einen viel zu festen Griff. "Dilek bitte, hör mir zu." , "Ich habe keine Zeit." Meine Stimme klang so gleichgültig und so kühl, dass ich selbst ziemlich verwundert war. Gökhan dachte jedoch nicht einmal daran mich loszulassen. "Es tut mir leid. Es tut mir verdammt nochmal leid. Dilek, bitte.", entschuldigte er sich verzweifelt und reuevoll. "Gökhan oder sollte ich lieber Gökhan Bey sagen? Lass mich in Ruhe. Verschwinde von hier und aus meinem Leben. Von mir aus heirate sie morgen. Es interessiert mich nicht okay? Es ist mir scheiß egal! Vergiss alles was zwischen uns war! Vergiss, dass du mir jemals begegnet bist! Geh und mach deine Eltern stolz! Heirate sie!" Ich sprach überraschenderweise sehr ruhig.

Gökhan sah mich mit einem intensiven Blick an und schüttelte seinen Kopf nachdem ich fertig gesprochen hatte. Verzweifelt lachte er. "Nein Dilek. Nein, das werde ich nicht! Ich liebe dich, verstehst du das? Ich kann und werde gar nichts vergessen, was dich betrifft. Ich habe dir versprochen, dass ich mich trennen werde, aber ich brauche Zeit. Bitte Dilek." , "Du hast jetzt sehr viel Zeit Gökhan. Genug Zeit, um zu überlegen ob du sie heiraten möchtest oder nicht. Genauer genommen hast du dein ganzes Leben lang Zeit dafür." , "Hör auf! Hör auf Dilek!" Er spannte seinen Kiefer an und zog die Augenbrauen wütend zusammen, weshalb die Falte wieder entstand. Plötzlich hob er mich hoch und trug mich bis zu seinem Auto, ein großer schwarzer Jeep. Er warf mich einfach auf den Rücksitz und stieg ein. "Bist du bescheuert? Was soll der Scheiß?" , "Ich werde nicht zulassen, dass du dich von mir abwendest!" , "Gökhan halt sofort an!" , "Ich werde sicher nicht anhalten und jetzt hör auf mich wahnsinnig zu machen Dilek! Oder willst du unser Leben sofort beenden?", brüllte er und sah zu mir, während er ziemlich schnell die Straße entlang fuhr. Ängstlich sah ich nach vorne auf die Straße, da er gar nicht auf die Straße achtete. "Guck nach vorne!" Er sah endlich wieder nach vorne, doch er gab nur noch mehr Gas. Mein Herz schlug vor Angst total schnell. "Gökhan fahr langsamer!" Er ignorierte mich. Ich sah aufgrund des Tachos, dass er immer schneller wurde. "Gökhan!", schrie ich ihn an. Immer noch ignorierte er mich. Tränen stiegen mir in die Augen, die ich versuchte zurück zu halten. "Gökhan bitte.", schluchzte ich und starrte nach vorne wie er auf ein Auto zuraste, den er überholte. Ein weiteres Auto kam ihm entgegen. Ich schloss meine Augen fest und spürte die Tränen an meinen Wangen. Einige Minuten später bremste er scharf, wobei ich mich festhalten musste, da ich die ganze Fahrt nicht angeschnallt war. Gökhan stieg aus und öffnete mir die Tür. Schnell zog er mich zu sich und drückte mich an sich, als er mich weinen sah. "Es tut mir leid.", hauchte er leise an meinem Ohr und ein leichter Druck war an meiner Schläfe zu spüren. Er trug mich wieder. Diesmal wehrte ich mich und wollte weg, was aber nichts brachte. Er lief auf ein großes Gebäude zu und ging durch einige Türen bis er mich endlich wieder runter ließ. Ich sah mich um und stellte fest, dass wir uns in einer mir fremden Wohnung befanden.

"Wo hast du mich hingebracht? Lass mich doch einfach gehen! Was ist so schwer daran? Verstehst du nicht, dass ich dich nicht in meiner Nähe haben will? Ich will dich nicht sehen!", schrie ich ihn an und entfernte mich einige Schritte von ihm. Er ging sich mit der Hand übers Gesicht und seufzte. "Dilek ich lass dich nicht gehen bevor wir alles geklärt haben!" , "Du lässt mich zukünftig in Ruhe! Fertig!" , "So wird das nichts." Kopfschüttelnd ging er in irgendeinem Raum. Ich nutzte die Gelegenheit und ging sofort auf die Tür zu. "Versuch es erst gar nicht. Die Tür öffnet sich nicht so wie du es kennst.", rief er mir lachend zu und tatsächlich öffnete sich die Tür nicht. Mir war schon wieder zum heulen zumute. Ich wollte weg von ihm. Nachdem was gestern war, schmerzte mein Inneres, wenn ich ihn sah oder auch nur seine Stimme hörte. Mein Herz zog sich krampfhaft zusammen und fing an zu brennen. Tränen brannten in meinen Augen, die ich erfolglos versuchte zu unterdrücken. Ich setzte mich müde von dem Ganzen auf den Boden neben der Tür und zog meine Beine an mich heran. Die ganze Nacht hatte ich das Szenario von gestern Abend im Kopf und konnte deshalb auch nicht schlafen. Gökhan hatte mein Herz gestern zersplittert.

"Dilek, komm steh vom Boden auf." Gökhan stand vor mir und sah auffordernd zu mir herunter. Ich blieb still und auf dem Boden sitzen. Er kniete sich zu mir und streichelte mir über die Haare. "Schatz bitte.", hauchte er mir leise zu. Dass er mich so nannte, würde mich unter anderen Umständen sowas von glücklich machen, aber jetzt machte es mich nur wütend. Er hatte kein Recht dazu. "Wage es nicht mich noch einmal so zu nennen!", warnte ich ihn ohne ihn anzusehen. "Das werde ich mich noch sehr oft wagen mein Schatz." Während er das sagte, trug er mich in ein Zimmer und legte mich auf das Bett. Ich drehte ihm den Rücken zu und schloss die Augen. "Dilek...ich weiß, dass ich dich gestern sehr verletzt habe und ich könnte mich dafür umbringen. Ich wusste nur nicht, was ich in dieser Situation hätte machen sollen. Es tut mir leid.", fing er an zu reden und machte eine Pause, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass ich antworten würde. "Du bist die erste Frau, die mir in so kurzer Zeit so wichtig geworden ist. Du bist die erste Frau, die ich vom ganzen Herzen liebe. Ich muss noch vieles lernen, was die Liebe betrifft Dilek. Egal welche Fehler ich auch immer machen werde, du solltest immer wissen, dass ich dich liebe, nur dich." Er hatte sein Gesicht in meiner Halsbeuge vergraben. Ich spürte, wie er meinen Duft tief einsog. Ich wollte nicht schwach werden. Egal wie schön seine Worte sind und wie sehr mir seine Berührungen gefielen. "Dilek versteh mich. Meine Eltern waren so glücklich, als ich zugestimmt habe Mehtap zu heiraten. Ich-" Ich unterbrach ihn indem ich mich aufsetzte und ihn mit verweinten Augen ansah. "Gökhan bitte. Wenn du uns beiden einen Gefallen tun willst, dann lass mich einfach gehen oder halt zumindest den Mund." Er sah mich so an, als würde er alles was ich spürte, doppelt zu spüren bekommen. Sanft zog er mich zu sich und hielt mich fest in seine Arme. Dabei wischte er mir mit dem Daumen die Tränen weg. "Ich brauche dich genauso wie du mich. Schlaf jetzt. Wir reden später." Ich sagte nichts mehr und schloss meine Augen. Schlaf war genau das, was ich brauchte.

Verschlafen öffnete ich meine Augen und musste mich erstmal orientieren. Gökhan lag neben mir und schlief. Ich beobachtete ihn dabei und musste lächeln. Seinen harten Gesichtsausdruck verlor er selbst beim schlafen nicht. Seine Augenbrauen waren leicht zusammengezogen, weshalb die Falte etwas zu sehen war. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Wange. Als sich seine Augen plötzlich öffneten, wollte ich meine Hand schnell zurückziehen, doch er packte mein Handgelenk und hinderte mich daran. Er führte seine Lippen zu meiner Hand und küsste die Innenfläche. Dann sah er wieder zu mir.

"Komm, steh auf. Im Wohnzimmer wartet jemand auf uns.", teilte er mir mit und führte mich an der Hand hinter sich her. Verwirrt ging ich mit. Bevor er das Wohnzimmer betrat, blieb er stehen und drehte sich zu mir. "Dilek ich liebe dich und genau aus diesem Grund habe ich diese Person gebeten hierhin zu kommen. Für dich, für uns." Er küsste meine Stirn und führte mich dann ins Wohnzimmer, wo uns keine andere Person erwartete, als seine Mutter. Als sie uns beide Hand in Hand sah, lächelte sie warmherzig und stand auf. Ich wollte Gökhans Hand loslassen, er aber ließ es nicht zu. Vor Gökhan blieb sie stehen und legte ihre Hand auf seine Wange. "Ich bin deine Mutter. Glaubst du, ich habe nicht gemerkt, dass sie zu dir gehört und das nicht als Haushälterin? Ich sehe doch, wie mein Sohn seine Liebe ansieht. Versuch deine Mutter nie wieder anzulügen.", lächelte sie und umarmte ihn. Nachdem die beiden sich wieder voneinander gelöst hatten, sah seine Mutter zu mir. "Sie passt perfekt zu dir mein Schatz." Ich konnte einfach nichts dazu sagen. Dass er seine Mutter von uns beiden wissen ließ, bedeutete mir sehr viel.

Gefangen von der Liebe...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt