ACHTUNDDREIßIGSTES KAPITEL

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Ich starrte auf das Ultraschallbild in meiner Hand und blinzelte die kommenden Tränen weg. Fest biss ich mir auf die Unterlippe und ging mit meinem Finger langsam über meinen Sohn, den ich jetzt in meine Arme tragen sollte. Er sollte vor drei Tagen auf die Welt kommen und mir in die Arme gereicht werden. Stattdessen lag ich hier im Krankenhaus ganz allein. Er wurde auf die Welt gebracht und mir in die Arme gereicht, jedoch nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte. Es war nicht, wie es sein sollte. Langsam fasste ich mir am Bauch. Die Rundung war nicht mehr da. Unser Sohn war nicht mehr in meinem Bauch. Weinend schüttelte ich den Kopf und schrie verzweifelt um mich. Mein Sohn war weg. Ich hatte nichts mehr. Nur einmal hatte ich ihn in meine Arme tragen können, obwohl ich ihn neun Monate in meinem Bauch getragen hatte. Neun verdammte Monate, in denen ich mich nach diesem Tag gesehnt hatte. Und nun? Statt dass mir die Ärzte ein gesundes Baby überreichten, wurde mir Beileid ausgesprochen und ein nicht lebendes Baby bekam ich. Mein Baby starb zum Zeitpunkt der Geburt. Es war einfach weg.

Ich bekam nur nebenbei mit, wie mehrere Krankenschwestern das Zimmer betraten und zu mir eilten. Den Stich in meinem Arm spürte ich kurz danach und sah sofort dorthin. Nach einer Zeit wurden meine Augenlider schwerer und ich fiel in den Schlaf.

Als ich meine Augen wieder öffnete, war mein Hals trocken und leichte Kopfschmerzen plagten mich. Mit viel Mühe kam ich an das Glas und die Wasserflasche dran. Im selben Moment ging die Tür auf und die Ärztin kam herein. Aufmunternd lächelte sie mir zu und setzte sich zu mir aufs Bett. Ich setzte mich auf und stellte alles wieder ab nachdem ich ein Schluck Wasser genommen hatte. "Frau Demirbas wir würden gerne Ihre Familienangehörige benachrichtigen.", teilte mir die Ärztin mit. "Nein, nein. Ich will das nicht." Die Ärztin seufzte und sah kurz auf die Unterlagen in ihrer Hand. "Solange Sie nicht zustimmen, sind mir die Hände sowieso gebunden. Ich stehe unter ärztlicher Schweigepflicht, wie Sie wissen." Ich nickte dankend und lehnte meinen Kopf wieder zurück. "Haben Sie Schmerzen?" Ich schüttelte bloß meinen Kopf und schloss erschöpft meine Augen. "Darf ich Sie was fragen?" Ich öffnete wieder meine Augen und stellte meine Frage, als die Ärztin nickte. "Könnten Sie vielleicht dafür sorgen, dass mein Sohn in Mannheim bestattet wird?" , "Aber natürlich. Ich werde Ihnen die Tage mehr Informationen dazu geben." , "Vielen Dank."

In den nächsten Wochen schaffte ich es den Verlust so langsam zu verarbeiten. Der Schmerz saß noch sehr tief und hatte sich sogar vergrößert, als ich in Mannheim ankam, um meinen Sohn zu beerdigen. Niemand wusste, dass ich mich nun in Mannheim befand. Das war auch besser so. Ich würde auf Sevgis Hochzeit erst erscheinen. Meinen Kleid hatte ich bereits. Es war lang und schwarz. Die Ärmel befanden sich an meinen Oberarmen und mein Dekolleté war leicht herzförmig. Das Kleid war eng anliegend bis zu den Knien. Von dort aus fiel es. Untenrum war das Kleid gemustert und außerdem hatte es eine kleine Schleppe.

Genau in diesem Kleid befand ich mich wenige Tage später. Meine Haare hatte ich beim Friseur machen lassen sowie meine Schminke. Die Haare wurden zu einer Wasserwelle frisiert und bei der Schminke wurden meine Augen besonders betont. Zuletzt trug ich noch auffällige schwarze Ohrringe und meine hohen schwarzen Sandalen mit Absätzen. Ich nahm meine Tasche zur Hand, sah mich ein letztes Mal tief ein- und ausatmend im Spiegel an und machte mich dann auf dem Weg zu der Hochzeit meiner besten Freundin.

Vor dem Haus ihrer Eltern standen einige Männer in Anzügen und waren in ihren Gesprächen vertieft. Mit gesenktem Kopf ging ich an ihnen vorbei und betrat das volle Haus. Mein Herz raste verdammt schnell und meine Hände zitterten leicht. Mir war eigentlich überhaupt nicht nach einer Hochzeit zumute, doch ich musste. Sevgi würde es mir nie verzeihen, wenn ich nicht dabei sein würde. Vorsichtig ging ich die Treppen hoch und hielt mich am Geländer fest. Auch oben war es voll und alle sagen in das Zimmer von Sevgi. Ich quetschte mich durch die ganzen Leute, bis ich letztendlich vor Sevgi stand. "Dilek?" Ungläubig und mit Tränen in den Augen sah sie mich an. Schnell stand sie auf und fiel mir um den Hals. "Ich dachte-" , "Dass ich nicht komme? Denkst du, ich verpasse die Hochzeit meiner besten Freundin?", lachte ich. Mein Lachen diente nur dazu, um meine Tränen zu überspielen. Ich löste mich von ihr und sah sie mir genau an. In ihrem Brautkleid mit den gemachten Haaren und der perfekten, nicht zu übertriebenen Schminke sah sie einfach nur wunderschön aus. "Du siehst wunderschön aus Sevgi.", lächelte ich sie an. "Lass uns ein anderes mal weinen ja? Heute nicht, sonst verschmiert deine Schminke.", meinte ich und drückte ihre Hand. Sie nickte. Als ich ihr in die Augen sah, sah ich das Strahlen. Die Stimme von Umut drang in meinen Ohren, weshalb ich mich zur Seite stellte und zur Tür sah, die noch geschlossen war.

Ich stand an der Ecke des Saals und beobachtete meine überglückliche Freundin und ihren Mann. Beide tanzten, sahen sich ununterbrochne in die Augen und grinsten sich an. Bei dem Anblick wurde mir warm ums Herz und die Tränen kamen hoch. Neben mir erschien Asli, die mich in ihren Arm nahm. "Ich habe dich vermisst.", sprach sie aus und starrte ebenfalls zu dem Brautpaar. "Wir alle haben dich vermisst. Glaub ja nicht, dass wir dich wieder gehen lassen werden.", hörte ich ihre warnende Stimme und sah zu ihr. "Ich hatte nie vor wieder zu gehen.", ließ ich sie wissen und küsste sie auf die Wange, woraufhin sie mich mit sich auf die Tanzfläche zog. Umut wurde von den Jungs weggezogen und ich wurde von Asli in den Kreis gedrängt. Ich schüttelte leicht lachend meinen Kopf und fing an zu tanzen. Irgendwann landete ich gegenüber von Umut und tanzte auch mit ihm im Kreis. Das Schwindelgefühl ignorierte ich einfach und machte weiter. Nur kurz schloss ich meine Augen und hielt mir die Hand an die Stirn. Sofort ließ ich meine Hand wieder sinken. Nach einigen Sekunden öffnete ich auch wieder meine Augen und blickte hoch. Schockiert hielt ich in meiner Bewegung inne, als ich in eisblaue Augen sah. Mein Herz setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus und schlug kurz danach heftig gegen meine Rippen.

Ich weiß, dass es diesmal ein wenig zu kurz geraten ist. Ich kann euch aber versprechen, dass ich bereits am nächsten Kapitel bin. (:

Gefangen von der Liebe...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt