4. Kapitel - Lebendige Leichen

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Schweigend kam Arathan zu mir, ließ sein Blick kurz durch die Halle ziehen und ging dann die Treppe, vor der ich schon die ganze Zeit stand, runter. Genauso schweigend folgte ich ihm und auf dem Weg zur anderen Seite, war ich gebannt von den vielen Rundbögen, durch die wir liefen. Ich betrachtete ihre Form, die Art, wie man sie gemeißelt hat, und ihre Größe, da sie mir alle verschieden groß schienen. Danach betrachtete ich die Wände in denen, so sah es zumindest für mich aus, Geschichten festgehalten wurden. Geschichten, die ich vielleicht sogar kannte.

>>Hey, sieh dir das mal an...<<, hörte ich Arathan dumpf in der Ferne hinter mir sagen. >>Was denn?<<, fragte ich neugierig und drehte mich gleichzeitig um. Er deutete mit seinem Kopf auf eine kleine Statue, die so aus sah, als würde sie in diesem riesigen Ort untergehen. Unsichtbar werden. Ich machte einen fragenden Blick und Arathan zuckte mit den Schultern und sah dann nicht mehr zu mir, sondern nur noch zu dieser Statue. Ohne von seiner Reaktion überrascht zu sein, stampfte ich zu ihm, stupste ihn an der Schulter und machte erneut ein Fragendes Gesicht. Er seufzte. >>Schau dir doch mal diese Statue genauer an, nicht nur diese Halle!<<, schimpfte er oder versuchte er als schimpfen rüber zu bringen, klang aber doch eher wie eine verzweifelte Bitte. Ich machte was er sagte und drehte mich zu Statue. Sie hatte einen Menschlichen Körper, aber ein unerkennbares Gesicht, war komplett von Moos überdeckt, abgesehen von einer Stelle, diese Stelle waren ihre Hände. Die linke in den Himmel gestreckt, die rechte liegend auf dem Boden. Ansonsten war da nichts, abgesehen von der Tatsache, das sie mir irgendwie bekannt vorkam.

Nach kurzem Überlegen fragte ich Arathan: >>Kann es sein, das ich, beziehungsweise wir, dies Statue kennen?<<, >>Es kann nicht nur sein, es ist so!<<, antwortet er mir schnell, >>Das ist Imalà, eine vergessene Göttin unserer Vorfahren. Hast du damals in Zeiten-lehre etwa nicht aufgepasst?<<, >>Doch, ich fand es bloß nicht so interessant wie du!<<, entgegnete ich ihm und wendete meinen Blick wieder auf Imalà, >>Also... gehört es sich so, das sie so von Moos überdeckt und völlig von der Zeit zerstört ist oder...?<< Ich sah wie Arathan seinen Kiefer anspannte und seine Hände zu Fäusten formte. >>Ups, hab wohl einen Wunden punkt getroffen<<, dachte ich. >>Entschuldigung... Ich wusste nicht, das hier deine Grenze liegt<<, flüsterte ich und sah zu Boden. Plötzlich spürte ich etwas warmes auf meiner Schulter. Arathan hatte seine Hand auf meine Schulter gelegt und sah mich besorgt an. >>Schon gut, aber du bist wirklich kalt. Ist wirklich alles in Ordnung?<<, wollte er wissen. Ich lächelte leicht und nickte mit dem Kopf. >>Gut... wenn du meinst<<, murmelte er und nahm seine Hand wieder weg, >>Jedenfalls... was ich eigentlich sagen wollte war, dass, wie bereits erwähnt, das eine Göttin von Elfen war...<<, >>Und...?<<, >>Und wenn du genau hinsiehst, siehst du, das Menschen sie gebaut haben. Verstehst du was ich meine?<<, ich schüttelte den Kopf und Arathan fuhr fort: >>Das bedeutet, das es irgendwann einmal eine Zeit gegeben hat, wo Menschen und Elfen friedlich miteinander lebten!<<, er machte eine kurze Pause, als würde es sich an etwas Erinnern und gerade einen Rückblick haben, dann faste er sich wieder. >>Kannst du das glauben?<<, fragte er mich schließlich überraschend Ernst. Tatsächlich musste ich kurz nachdenken, bevor ich ihm eine ehrliche Antwort geben konnte. Doch mein Kopf war lehr und wollte mir nicht bei dieser Entscheidung helfen, also schüttelte ich den Kopf und fügte: >>Nein, nein das glaube ich nicht<< hinzu. Mit einem enttäuschten Blick nickte Arathan und flüsterte etwas undeutlich: >>Verstehe<< Dann ging er weiter zur Tür, die in der Nähe von Imalà war, öffnete sie und wartete im Türrahmen auf mich. 

Ich wollte ihm sofort folgen, als ich wieder dieses Geräusch vernahm,was ich auch schon gehört hatte, als wir auf der Suche nach dem Höhleneingang waren. Nur ein Unterschied: Ich konnte diesmal ein paar Wörter verstehen, die sie sagten und somit hörte sich nur noch die hälfte wie flüsternde Schreie an. >>Arathan?<<, er sah zu mir herüber, >>Hörst du das auch?<<, wollte ich von ihm wissen, auch wenn ich höchstwahrscheinlich die Antwort schon wusste. Verwirrt schüttelte er mit dem Kopf und... verschwand!? Er war weg oder zumindest konnte ich ihn nicht mehr sehen. >>Lyna... sind... weg... rette...<<, schreie oder ein flüstern unterbrach die Stimmen, die gerade versuchten mir etwas zu sagen. >>Ich, sind, weg, rette?<<, wiederholten meine Gedanken verwundert. >>Du... er... holt...<<, fuhren die Stimmen fort, aber ich verstand nichts. Diese paar Wörter halfen mir auch nicht weiter und die Stimmen klangen so weit weg. >>Wenn ich näher ran gehe verstehe ich vielleicht mehr...<<, dachte ich und ging zu der Tür, in der vor kurzem noch mein bester Freund stand und verschwunden war. Dort verstand ich auch ein bisschen mehr. Die Stimmen wiederholten: >>Lyna... sie sind... der Schutz ist weg... rette... ihn<<, der Satz machte noch immer kaum sinn, aber ich verstand ihn und hörte weiter zu, >>Du musst... er kommt... holt dich und...<< Die Wörter reichten diesmal aus, das ich den Satz verstehen konnte, aber ich wusste nicht wenn ich retten soll, welcher Schutz gemeint war, wer "sie" sind und wer "er" ist. 

Ich wollte noch näher ran, da ich dachte, das wenn ich den ganzen Satz höre, ich mehr verstehe. Doch etwas packte mich an meinen Schultern, warf mich auf den Boden und schrie panisch meinen Namen. >>Lyna! Alles Okay? Oh man... Lyna!<<, hörte ich immer wieder bis alles verschwamm und ich nur noch schwärze sah. >>Arathan?<<, fragte ich vorsichtig, als ich langsam wieder was sehen konnte. Und Tatsächlich. Ich sah in die besorgten Augen von ihm und erkannte dann langsam sein ganzes Gesicht, sah wie es voller Sorge war und wie er vorsichtig und behutsam seine Hand auf meiner Stirn ruhen ließ. Als er dann sah, das ich wieder zu mir gekommen war, seufzte er erleichtert und schmiss sich neben mich auf den dreckigen Boden. >>Was ist passiert?<<, fragte ich und drehte mich auf die Seite, um ihn anschauen zu können. Er zitterte leicht, sein Gesicht war mit wenigen Tränen geziert und er Atmete schwer. Jetzt machte ich mir Sorgen. Behutsam legte ich meine Hand auf seinen Arm und wiederholte meine Frage, diesmal etwas langsamer. >>Ich weiß nicht. Du... deine Augen haben auf einmal dunkel geleuchtet, als hättest du Schatten in ihnen und... und du hast was vor dich hin gemurmelt. Dann bist du auf einmal an mir vorbei und los gerannt, in irgendeine Richtung, als ich dich einholte, packte ich dich an den Schultern und die fielst mit geschlossenen Augen zu Boden<<, er atmete ein letztes mal tief durch, >>Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht, Angst bekommen und immer nach dir geschrien<< Ich sah ihn ängstlich an, da die Worte "Deine Augen haben dunkel geleuchtet, als hättest du Schatten in ihnen" mir im Kopf stecken geblieben sind. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie meine weißen Augen auf einmal dunkel wurden und erklären konnte ich mir das erst recht nicht. >>Danke<<, flüsterte ich ihm zu, auch wenn ich nicht wusste, warum ich mich bedankte. Vielleicht weil ich einen so guten Freund habe? Keine Ahnung. >>Nichts zu d-<<, Arathan wurde von einem grollen unterbrochen und wir sahen beide gleichzeitig erschrocken auf. >>Das hast du jetzt aber gehört oder?<<, hakte ich nach und sah nur aus dem Augenwinkel, wie er schnell nickte, auf seine Füße sprang und seinen Bogen spannte. Ich machte es ihm, etwas weniger Geschickt, nach und folge ihn bis zu einer kaputten Mauer mitten im Raum, an die ich mich mit meinen Rücken anlehnte. Arathan ging noch etwas weiter nach vorne bis zu einer Ecke, dann drücke er sich auch mit dem Rücken an die Wand. Eine Weile blieben wir in dieser Position im Raum stehen und lauschtem dem Geräusch, was langsam immer leiser wurde. Ich ließ meinen Blick kurz durch die Fremde Gegend schweifen. Wir waren nicht mehr in der Halle, sondern in einen kleinen Raum, voll mit leeren, aus Stein bestehenden Bücherregalen und Tischen. Als mein Blick auf Arathan fiel machte er ein Zeichen, dass wir weiter gehen können und sollen. 

Kaum befanden wir uns im nächsten Raum war da was... seltsam. Wir waren wieder in einer kleineren Halle mit einer tiefen Decke und der Boden war bedeckt mit... Leichen? >>Sind wir nicht die ersten hier unten?<<, fragte ich, obwohl die Antwort eigentlich schon ziemlich offensichtlich unter unseren Füßen lag. >>Etwas stimmt hier nicht<<,stellte Arathan fest und wollte sich eine der Leichen genauer anschauen. Doch kaum hatte er sich vor sie gekniet sprang diese Schreiend auf und so auch die ganzen anderen. >>Was zur Hölle?<<, schrie ich und drehte mich schnell um. Hinter mir machten sich schon die ersten plötzlich lebendig gewordenen Leichen kampfbereit und bevor ich über etwas nachdenken konnte, zielte ich mit dem Bogen und schoss einen Pfeil in seinen Torso. Der nächste Pfeil traf ihm wieder im Torso und der danach endlich in seinen Kopf. Sofort viel dieser zu Boden und ich konzentrierte mich auf die anderen.

Einen nach dem anderen jagte ich einen Pfeil mal ins Knie, mal in den Rumpf und dann in den Kopf und den Geräuschen hinter mir zuurteilen, machte Arathan es nicht anders. Irgendwann, als die Toden dann auch wirklich Tod waren, kniete ich mich auf den Boden. Einer von ihnen hatte mich während des Kampfes mit seinen langen Fingernägeln tief in den Arm geschnitten und ich bemerkte dies erst, als der Kampf vorbei war. >>Alles in Ordnung?<<, fragte Arathan, der schnell zu mit eilte. Ich weiß nicht wie oft er mich schon gefragt hat ob es mir gut geht, ob alles in Ordnung ist oder sonst was, aber ich weiß, das ich ihn gerade verrückt vor Sorgen mache. >>Mir geht es gut<<, zischte ich nach einer Weile aus zusammengebissenen Zähnen hervor, >>Komm, wir müssen weiter<<, >>Was? Nein, wir müssen zurück! Es sind gerate Leichen wieder zum leben erwacht. Lyna, dieser Ort ist vermutlich verflucht!<<, widersprach mir Arathan. Das sah ihm nicht ähnlich. Normalerweise ist er sehr Abenteuerlustig und er glaubt nicht an Flüche, obwohl er selber mal verflucht war, aber vermutlich benutzte er das nur als ausrede, damit wir zurück gehen, weil er Angst hatte oder wegen meiner Wunde. >>Ein Fluch? Einen Fluch kann man brechen<<, sagte ich schließlich und stellte mich wieder hin, >>Damit kennst du dich am besten aus!<< Er musste lachen und sah mich lächelnd an. >>Na gut, du hast gewonnen. Wir gehen weiter, wenn du mir versprichst, sofort was zu sagen, wenn deine Wunde schlimmer wird!<<, kicherte er und wir folgten wieder diesem grollen.                              

Shadow Ages: Die dunkle Zeit beginntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt