Teil 1 - Anna

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„Ehm, brauchst du den Zucker noch?"

Eine Stimme riss mich aus meiner Arbeit. Ich saß in einem kleinen Café, das nur ein paar Straßen entfernt von meiner Wohnung lag. Ich kam oft hierher, denn hier war es schön ruhig. Eingerichtet war es im Stil der 80er Jahre, doch nichts konnte einen besser beim Schreiben eines Artikel helfen, als ein großer Kaffee und ein Muffin. Und ich könnte schwören, dass es hier die besten Muffins der ganzen Stadt gibt. Der Teig schmeckte immer nach einem Hauch von Zimt. Doch nun lenkte mich eine nur allzu bekannte Stimme davon ab.

„Christopher?", fassungslos starrte ich in ein grinsendes Gesicht. „Anna! Ich hatte gerade schon einen Moment Angst, du würdest mich nicht mehr erkennen." Sein Grinsen wurde noch breiter. „Ich brauche den Zucker nicht. Du kannst ihn zu deinem Tisch mitnehmen.", meinte ich zögernd. Ich war fassungslos, doch versuchte es mir nicht anmerken zu lassen. „Ach Quatsch, ich brauch ihn nicht. Ich hab noch gar nichts bestellt. Ist der Muffin gut?", er lachte und nahm auf dem Stuhl neben mir Platz. „Was schreibst du da?", fragte er und schielte auf meinen Bildschirm. „Das geht dich gar nichts an.", entschlossen klappte ich den Laptop zu und drehte mich zu dem Jungen neben mir. „Chris.", es folgte eine kurze Pause. „Was willst du hier?". Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich war empört. Ich war entsetzt. Das konnte doch nicht sein Ernst sein, dass er sich hierhin setzte. Was wollte er plötzlich von mir? „Ich hab gehört, die Muffins sollen gut sein. Und ich liebe gute Muffins.", erwiderte er unschuldig. „Ich meine hier in der Stadt. Ich hab seit Jahren nichts mehr von dir gehört. Und jetzt bist du plötzlich hier an meinen Tisch. Und begutachtest meinen Muffin!", meine Stimme klang vorwurfsvoll, doch ich wollte ruhig bleiben. Er beachtete dies erst gar nicht. „Ich weiß. Und du hast mir gefehlt.", äußerte er seine Meinung dreist. 

Der Mann vor mir war der beste Freund meines Freundes gewesen. Wir hatten den Großteil unserer Jugend zusammen verbracht. Er wohnte früher auch in einer Kleinstadt weiter im Norden, nur ein paar Häuser von mir entfernt. Es gab mal eine Zeit, da war es auch so etwas wie mein bester Freund gewesen. Doch dann hat sich sich alles verändert und nach nur diesen paar Augustwochen war alles anders gewesen. Das alles war jetzt schon über zwei Jahre her. Hin und wieder dachte ich noch über die damalige Zeit nach, auch wenn ich mir das nur sehr ungern eingestand. Es war zu schmerzvoll.
„Ich weiß. Du hast mir gefehlt, wie schon gesagt. Deswegen bin ich hier. Es hat etwas gedauert, bis ich dich gefunden habe. Schön ist es hier." Sein Grinsen verblasste und er sah mir nun ernst in die Augen. „Was denkst du dir dabei? Nach so langer Zeit wieder aufzutauchen? Du kennst mir doch gar nicht mehr!", warf ich ihm vor. „Hör zu!", fing er langsam an „Ich weiß, dass ich Scheiße gebaut habe. Und es tut mir Leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Wie gesagt, deswegen bin ich letztendlich hier. Es ist zwar spät, aber...". Ich glaubte ihm kein Wort. „Genau es ist spät, verdammt spät. Ich versteh nicht, wie du jetzt einfach hier herkommen konntest!", erwiderte ich energisch. „Gib mir eine Chance. Man sieht sich nicht ohne Grund immer zweimal im Leben. Also hier bin ich, das zweite Mal und will meine letzte Chance. Ich möchte dich neu kennen lernen.", er blickte mir noch immer direkt in die Augen. Er hatte große Reh-braune Augen. Augen, die so schön waren, dass man sich kaum von ihnen abwenden konnte. Ich hatte es geliebt, Zeit mit ihm zu verbringen, denn er hatte mich immer so angesehen, als ob es nur uns beide auf der Welt gab. Ich konnte so leicht alles um mich herum vergessen, wenn ich in diese großen Augen sah. Doch damit kannte ich mich schon aus. Zu oft hatte ich mich so um den Finger wickeln lassen. Doch ich hatte daraus gelernt. 

„Nein.", sagte ich entschlossen.

Dann packte ich meine Sachen zusammen und verließ das Café. 









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