Marie PoV
Es war gleich 17 Uhr, das hieß Feierabend. Ich hatte mich im Büdchen gut eingelebt und die Stammkunden waren alle super lieb zu mir. Ich hatte diesmal endlich mal Glück mit einem Job.
In den letzten 2 Wochen war viel passiert. Ich hatte meine Wohnung gekündigt und die wenigen Habseligkeiten die ich hatte, waren bei Tom gut untergekommen. Ich weiß viele denken, das es viel zu zeitig wäre zusammen zu ziehen, aber warum soll man eigentlich immer ewig warten bis man solch einen Schritt macht? Ich liebte ihn, da war ich mir sicher und entweder es funktionierte oder es funktionierte nicht. Ich hatte nichts zu verlieren.
"Heeey Mäuschen!" wurde ich angesprochen und aus meinen Gedanken geholt.
"Hey Schatz." sagte ich
"Ich wollte dich abholen, hab noch etwas vor mit dir!"
"Oh schön, warte ich bin gleich da." Ich zog mir meine Jacke an und verabschiedete mich von Marcel.
Als ich vor Tom stand, beugte er sich zu mir herunter um mir einen langen Kuss zu geben! Also ich kann dazu nichts sagen, denn immer wenn er mich so küsst, schaltet mein Gehirn aus. Da gibt es nur noch Gefühle.
"Hey hör auf." grinste ich in den Kuss hinein.
"Warum?" fragte er nun auch grinsend.
"Könnte sonst passieren das ich dir gleich die Klamotten vom Leib reiße."
"Ich hätte nichts dagegen, aber warte bitte bis wir zuhause sind." Damit nahm er meine Hand und liefen zu seinem Auto.
"Öhm ich dachte wir gehen hoch?"
"Nein, wir fahren wohin?"
"Wohin?"
"Das sag ich dir dann gleich. Steig ein bitte."
"Ok, du machst es aber spannend." Er lächelte leicht, das machte mich etwas nervös. Ich spürte das da mehr kommen würde als ich bis eben noch vermutete. Und Recht hatte ich damit. Wir waren kurze Zeit später auf der Wache.
Wir liefen Muri über den Weg und er nahm mich gleich in den Arm.
"Na Marie wie geht es dir?"
"Seit dem ich deinen prima Kumpel da kenne, hervorrangend!"
"Dann is ja gut, falls er dich mal schlecht behandeln sollte, sag mir Bescheid, dann bekommt er Ärger mit mir." Ich küsste seine Wange und bedankte mich bei ihm.
Tom schlug ihn für diesen Spruch die Faust in seinen Oberarm.
Beide lachten und wir machten uns auf den Weg zu dem Büro von Klaus.
"Ok sagst du mir jetzt was wir hier machen?"
"Klaus wird es dir gleich erzählen."
Tom klopfte an und wir gingen ins Innere des Büros. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich wusste nicht mal warum.
"Aah hi Marie, Tom, nehmt doch bitte Platz."
"Hi Klaus." sagten wir beide.
"Also Marie, ich muss dir was erzählen, ich habe beim BKA nach geharkt was mit deinem Vater passiert ist."
"Ooook." kam es fragend von mir.
Tom nahm plötzlich meine Hand und drückte sie fest. Ich schaute ihn an und atmete nochmal tief durch.
"Ja also, ich habe heraus gefunden wo dein Vater beerdigt wurde." Beide sahen mich an. Ich konnte nichts sagen. War das wirklich war? Gab es einen Ort wo ich trauern konnte? Ich war gerade sehr überfordert mit der Sache, ich spürte Tränen, Tränen der Freude, der Trauer, der Hilflosigkeit. Alles zusammen. Das wurde mir wirklich zu viel. Ich stand auf und rannte aus dem Büro, ich brauchte jetzt dringend frische Luft. Als ich durch den Flur rannte, rempelte ich Florian an, der mich festhielt.
"Hey Marie, was hast du denn?" fragte er, aber ich riss mich los und erreichte endlich den Ausgang. Ich rannte so schnell ich konnte, quer über die Straße wo ich von wütenden Autofahrern angehupt wurde. Ich rannte weiter, einfach weiter, ich lief vor meinen eigenen Gefühlen davon.
Ich war ganz außer Puste und ich sah wegen den vielen Tränen alles verschwommen. Mitten auf dem Bürgersteig blieb ich stehen, beugte mich nach vorn, die Hände auf meinen Oberschenkeln liegend und versuchte wieder Luft zu bekommen. Nach kurzer Zeit ging das ganz gut, aber ich konnte nicht mehr und fiel auf die Knie. Ich spürte einen warmen Körper der mich nach oben zog.
"Mäuschen mach das nie wieder hörst du?" sagte Tom und hielt mich fest in seinen Armen, ich lehnte mit meinem Kopf an seiner Brust und weinte seine Jacke nass. Ich weiß nicht wie lang wir da standen, mein Schluchzen und weinen ließ langsam nach, ich begann zu zittern. Tom merkte es und wir liefen schweigend zurück zur Wache in Klaus Büro.
"Da bist du ja wieder." sagte Klaus mitfühlend.
"Wenn du es nicht wissen möchtest, dann ist das auch ok Marie."
"Neeein, ich will es ja wissen, es war einfach zu viel. Ich bin ja eigentlich froh das es nun einen Ort gibt wo ich trauen kann."
"Ok also er liegt in einer anonymen Grabstätte auf dem Tempelhofer Parkfriedhof Berlin."
"Ok." sagte ich nur
"Möchtest du morgen mit mir dahin fahren?" fragte mich Tom
Ich schaute ihn lange an bevor ich antwortete.
"Ja sehr gern." Er nahm erneut meine Hand. Und stand auf.
Als wir im Gehen waren, drehte ich mich nochmal um zu Klaus.
"Danke für alles, das werde ich dir, oder euch nicht vergessen."
Er lächelte mich an und sagte:
"Gern Marie. Nun wird es Zeit für dich Abschied zu nehmen."
"Ja sieht so aus." sagte ich leise.
Wir fuhren zurück nach Hause. Ich schwieg, ich konnte nicht reden und Tom verstand das. Er war da für mich mit seiner liebevollen und beschützenden Art, sorgte er dafür das ich mich nicht allein fühlte.
Ganz früh am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg nach Berlin. Die Fahrt verlief schweigend, immer noch. Ich wusste nicht was ich sagen wollte. Aber ich spürte auch das Tom, das von mir auch nicht verlangte. Er hielt die ganze Fahrt über meine Hand. Ich fühlte mich ihm so nah, es war gut das man auch mal miteinander schweigen konnte. Das sagt viel über eine Beziehung aus.
Am frühen Nachmittag parkte Tom das Auto etwas abseits vom Friedhof.
"Schatz wir sind da." weckte er mich, ich war in einen unruhigen Schlaf gefallen.
"Hm?" blinzelte ich ihn an
"Wir sind da."
"Ok." sagte ich, aber machte noch keine Anstalten auszusteigen.
Tom stieg aus und kam zu mir auf die Beifahrerseite, öffnete die Tür, reichte mir seine Hand und sagte.
"Komm, wir schaffen das."
Ich ließ mich von ihm führen. Als wir am Eingang ankamen, sah ich einen älteren Mann der Blumen verkaufte.
"Ich würde gern etwas mitnehmen, ich weiß es ist nicht üblich auf anonyme Gräber Blumen zu legen, aber..." weiter kam ich nicht.
"Alles was du möchtest Schatz, du musst dich nicht rechtfertigen." Ich lächelte ihn an und ging zum Blumenhändler. Und entschied mich für eine einfache Rose. Dann war es soweit, wir betraten den Friedhof und ich weiß nicht, aber ich hatte das Gefühl meinem Vater wieder sehr sehr nahe zu sein. Der erste Weg führte uns zur Verwaltung. Tom übernahm das reden. Der Verwalter schaute in seinen Unterlagen nach und wurde schnell fündig, er brachte uns dann zu der Stelle an der mein Vater lag.
Er verabschiedete sich mit den Worten:
"Bitte dieser Platz wurde ihren Vater zugedacht Frau Horak, lassen sie sich soviel Zeit wie sie brauchen und falls sie mich noch mal brauchen sollten, wissen sie ja wo sie mich finden."
"Danke." sagten ich und Tom gleichzeitig, er nickte und drehte sich dann um.
Ich schaute Tom an, er lächelte mir aufmunternd zu, ich löste mich von seiner Hand und ging ein Stück auf die Rasenfläche zu. Es war nicht viel vom Rasen zu sehen, denn eine leichte Schneeschicht bedeckte sie. Ich hockte mich hin und legte die Rose nieder, ein paar Tränen tropften auf den Schnee und ließ in dort wo die Tränen trafen schmelzen.
Und dann begann ich mit meinem Vater zu reden.
"Ok, hier bin ich Papa, vor fast 20 Jahren haben wir uns trennen müssen, ich weiß du bist an einem besseren Ort als dieser hier, manchmal frage ich mich warum du mich nicht mitgenommen hast. Aber dann fielen mir deine Worte ein, die du mir so häufig gesagt hast. 'Mariechen du bist ein starkes und kluges Mädchen, du kannst alles erreichen was du möchtest, du musst nur dafür kämpfen. Und wenn du das einmal nicht kannst, dann schließe deine Augen und denke an deine wunderhübsche Mutter, die immer bei dir sein wird.' Ich wünschte mir du könntest jetzt hier sein und mir das nochmal sagen, ich vermisse deine tiefe, wenn doch weiche Stimme. Du warst immer mein Held, Daddy konnte alles. Und du hast mir soviel bei gebracht. " Die letzten Worte waren sicher nicht mehr verständlich. Ich kniete nun im Schnee, die Nässe und Kälte drang in mich ein.
"Leb wohl Papa, aber lass ein kleines Stückchen von dir hier bei mir ok?" Ich spürte Toms Hand an meiner Schulter. Ich schaute nach oben, lächelte ihn zaghaft an.
"Du bist nicht mehr allein Marie."
Ich stand auf drückte mich fest an Tom.
Arm in Arm verließen wir wenig später den Friedhof....

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Mein Leben in Köln
RomanceSeit wenigen Wochen lebt Marie in Köln, arbeitet meistens Nachts an einem Kiosk und ist auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit. Flucht im übertragenen Sinne, denn sie versucht verzweifelt ihre Vergangenheit zu vergessen! Aber es kommt ja bekann...