Kapitel Drei

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Es war ziemlich schwer mit zwei vollen Händen die Haustür aufzuschließen, doch irgendwie gelang es mir.
Wir lebten in einem großen Altbau mit drei Etagen.
In der ersten Etage lebte Misses Conner und ihr kleiner Mops.
Die zweite und dritte Etage gehörte uns.
Misses Conner steckte den Kopf zur Tür hinaus, als die schwere Holztür hinter mir ins Schloss fiel.
"Nanu, du schon wieder hier ? Bist du nicht grade erst aus dem Haus gegangen ?"
"Ja, vor knapp zwei Stunden aber bei uns in der Schule ist was sehr...ähm...unschönes passiert."
"Das klingt ja spannend. Willst du vielleicht kurz reinkommen und ein bisschen erzählen ?"
Entschuldigend sah ich die alte Frau an und erwiedert: "Glauben sie mir, ich würde gerne ein bisschen plaudern, doch ich bin extremst müde und wollte mich zuallererst ins Bett legen. Ich bin sicher, sie erfahren noch früh genug, was genau passiert ist. Spätestens morgen, wenn sie die 'London News' lesen."
Sie nickte, wünschte mir einen schönen Tag und verschwand wieder in ihre Wohnung.
Seufzend ging ich die Treppen hoch und vor unsere Wohnungstür musste ich schon wieder mit den beiden Bechern, den Schlüsseln und dem Schloss kämpfen.
In der Wohnug warf ich meine Tasche in eine Ecke, strif (?) meine Schuhe ab und stellte in unserer hellen Küche die beiden Kakaobecher ab.
Ich hing die Jacke an einen Haken im Flur und ging erstmal aufs Klo.
Ich sah in den Spiegel.
Mir blickte ein, für London gut gebräuntes Gesicht entgegen.
In den  grünbraunen Augen glitzerten Tränen und bevor ich noch etwas machen konnte rollten sie mir unaufhaltsam übers Gesicht.
Emily war tot.
Nie wieder würden wir morgen zusammen mit dem Bus oder mit der Tube fahren.
Nie wieder würde sie mit zu mir kommen.
Nie wieder würde ich von ihr Mathe und sie von mir Deutsch abschreiben können.
All das war vorbei.
Laut schluchzent verließ ich das Klo, ließ die Küche und das Wohnzimmer links liegen und rannte so schnell ich konnte die Treppen hoch und warf mich in meinem Zimmer auf mein großes Bett.
Emily ist tot.
Sie ist wirklich tot.
Ich weinte bittere Tränen und jedes mal, wenn ich dachte ich hätte mich beruhigt rollte eine weiter Welle der Trauer mich hinweg und mit ihr die Tränen.

Ich wusste nicht, wann ich eingeschlafen war, aber als ich aufwachte hatten wir bereits kurz nach zwei.
Ich wischte mir schniefend über die Augen und gähnte ausgiebig.
Ich tapste aus dem Zimmer und ging ins große Bad zwei Zimmer weiter.
Als ich in den Spiegel sah, musste ich fast lachen.
Ich sah aus wie ein verschlafenes Pandababy.
Ich beschloss mein Handy zu holen im eine Foto von mir zu machen.
Als ich durch die Küche ging, lag auf der Kücheninsel ein gelbes Post-it und auf dem Herd stand eine Pfanne mit Rührei und Speck.
Anscheinend war meine Mutter vorhin kurz hier gewesen.
Ich sah auf das Post-it und lächelte.

Hey Kleine,
Wenn du das hier liest, bin ich wahrscheinlich schon wieder in der Gerichtsmedizin. Essen steht auf dem Herd. Solltest du noch irgendetwas brauchen, kannst du jederzeit anrufen.
Kuss Mum

Ich lächelte.
Mum würde ich heute bestimmt nicht mehr sehen. Immerhin hatte sie jetzt zusammen mit Lancaster einen neuen Fall.
Ich ging zu meiner Jacke und holte aus ihrer Tasche mein Handy.
Als ich wieder zurück im Bad war machte ich ein Foto von mir.
Ich veränderte nichts.
Nicht, dass man mir meine Heulattacke ansah, nicht meinen Gesichtsausdruck.
Ich öffnete Instagram und postete das Bild unter den Hashtags pandababy, heulattacke, RestInPeace.
Anscheinend hatte nicht nur ich die Idee mit dem letzten Hashtag, denn als ich das Profil eines Mädchens öffnete sah man unter ihrem neusten Bild (übrigens ein Bild unsere Schule)
ein Rest in Peace.
Seufzend steckte ich mein Handy weg und ging wieder runter.
In der Küche holte ich mir mein Essen und ließ mich dann im Wohnzimmer vor den Fernseher fallen.
Obwohl ich kein großer Fan der Serie war zog ich mir die Folge How I met your Mother, die momentan lief rein.

Ich dämmerte nach dem Essen ein wenig vor mich hin und erschrak mich deshalb, als mein Handy anfing zu klingeln.
"Ja ?"
"Hi, hier ist Logan. Ich wollt mich nochmal für vorhin entschuldigen und dich fragen, was du machst."
Ich schluckte.
"Ist schon okay. Ich mache nichts, nur zu Hause rum sitzen."
"Hast du Bock was zu unternehmen. Immerhin haben wir den ganzen Tag Zeit."
"Nichts für ungut, aber eigentlich hab ich keine Lust heute auch nur noch einen einzigen Schritt vor die Haustür zu setzten."
"Alles klar, dann komm ich zu dir. Bin in 20 Minuten da. Bye !"
Ich wollte grade protestieren, aber da hatte er schon aufgelegt.
"Penner"
Komisch, warum hatte mich Haley denn noch nicht angerufen ?
Ob es unmoralisch wär, sie jetzt anzurufen, wenn sie grade mit ihrer Familie um Em trauerte ?
Ich zuckte mit den Schultern und wählte ihre Nummer.
Nachdem der Freizeichenton dreimal gepiept hatte ging sie dran.
"Ja, hallo hier ist Haley ?!"
Ihre verheulte Stimme zu hören war wie ein Schlag in die Magengrube und brach mir das Herz.
"He Hal, ich bins Sage. Bist du schon zu Hause ?"
Sie schniefte und antwortete: "Ne, wir sind immer noch auf dem Revier. Wird wohl noch etwas länger dauern.
Es kotzt mich so an ! Hast du Logan oder den anderen schon erzählt, wer gestorben ist ?"
"Ne ich hab's keinem gesagt."
"Danke Sa. Das bedeutet mir echt viel. Oh shit, meine Mum ruft mich. Ich muss Schluss machen. Ich ruf dich später einfach nochmal an."
"Alles klar."
Als sie aufgelegt hatte pfefferte ich mein Handy ans Ende des Sofas und wartete sehensüchtig darauf, dass Logan endlich kam und ich nicht mehr allein war.

Nach fast einer halben Stunde klingelte es endlich und ich betätigte den Summer um zu öffnen.
Außer Atem stand Logan vor mir und sagte: "Sorry, aber die Straßen waren mal richtig verstopft und die Tube hatte ich grade verpasst. Auf die nächste zu warten hätte sich nicht gelohnt."
Als er mich ansah und mein Gesicht bemerkte breitete er die Arme aus und zog mich in eine Umarmung.
Gosh, war ich froh, dass ich Logan hatte.

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