Kapitel Zwei

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Ich schob mich durch die Schülermasse soweit nach hinten, wie es nur irgendwie möglich war.
An irgendeiner Stelle blieb ich stehen.
Ich wusste nicht genau, wo ich stand und ich hatte auch keine Lust soweit bis zur Tube zu laufen.
Ich stand kaum zwei Minuten zwischen tratschenden 5-6 Klässlerinnen, da legte sich von hinten eine Hand auf meine Schulter.
Erschrocken drehte ich mich um und sah meinem Klassenkameraden und besten Freund Logan Stiller ins Gesicht.
"Hey Sage, hast du Haley gesehen ?"
Ich schüttelte den Kopf.
Logan legte den Kopf schief und musterte mich.
"Sag mal geht's dir auch wirklich gut, du siehst so blass aus ?"
"Ja klar, alles in bester Ordnung. Du, ich glaube Haley kommt ein bisschen später, sie hat mir vorhin geschrieben, dass sie verschlafen hat."
"Oh okay. Weißt du was hier los ist ?"
Ich hab gehört eine ältere Schülerin soll gestorben sein."
"Ich hab auch nicht mehr gehört als du. Angeblich sollen wir Schulfrei bekommen."
Logan nickte.
"Wahrscheinlich"
Ich sah weg und eine der Sechstklässlerinnen quitschte aufgeregt: "Oh mein Gott kann der Tag noch besser werden ? Da vorne ist Headmaster Wilson Junior."
Ich sah auf.
Headmaster William Wilson Junior stand auf der Treppe, die in die Schule führte und hatte ein Mikrofon in der Hand.
Wüsste ich nicht, was passiert war hätte ich mich wahrscheinlich auch über den Anblick unseres heißen Headmasters gefreut.
William Wilson Junior, besser bekannt als Junior hatte am Anfang des Jahres das Headmasteramt von seinem Vater William Wilson Senior übernommen. Er war grade mal Ende 20 Anfang 30 und echt ziemlich gutaussehenden.
Er räusperte sich und sagte dann: "Guten Morgen liebe Schülerschaft, liebes Kollegium.
Ich muss ihnen leider etwas sehr unschönes mitteilen.
Heute morgen, hat eine Schülerin den Tod gefunden. Leider nicht auf natürliche Weise. Den Umständen entsprechend haben sie alle heute frei.
Wir können leider nicht genau sagen, wie lange die Schule wegen der Ermittlungen gesperrt ist, allerdings werde ich das sobald wie möglich in Erfahrung bringen.
Wie lange sie alle vom Unterricht befreit sind, das wird spätestens heute Abend in unserer App nachzulesen sein. Ich wünsche ihnen allen noch einen schönen Tag."
Das letzte ging im Gejubel von über 600 Schülern unter.
Ich sah Logan an.
Grinsend fragte er: "Und was machen wir heute ?"
"Ich denke mit dir macht sie nichts, Stiller."
Ich drehte mich um und verdrehte die Augen.
Vor uns stand Matthew Williamson.
"Ich glaub nicht, dass einer nach deiner Meinung gefragt hat Williamson."
Schwach sagte ich: "Jungs haltet beide die Klappe. Ich bin müde und werde nach Hause fahren. Hab gestern zu lange Law&Order geschaut. Muss ein bisschen Schlaf nachholen."
Ich sah die beiden entschuldigend an und griff nach dem Leinenbeutel, der als meine Schultasche fungierte.
"Ich begleite dich. Wir fahren sowieso mit derselben Tube."
Logan griff nach seinem schwarzen Rucksack und grinste Matthew triumphierend an.
Ich verdrehte nur meine Augen und schüttelte den Kopf.
Jungs !
Langsam aber beständig verlor sich die Schülermasse und jeder nahm seinen Weg nach Hause.
"Was meinst du meinte Junior vorhin, als er sagte, dass sie nicht auf natürliche Weise gestorben ist ?"
Ich sah Logan von der Seite an.
"Vielleicht hat sie sich umgebracht."
Logan sah mich an und zog eine Augenbraue nach oben.
"Wer ist bitteschön so verzweifelt und bringt sich um ?"
Ich blieb stehen und sah Logan verärgert an.
"Wo ist dein Taktgefühl hin, Stiller ?
Weißt du eigentlich, dass man über sowas keinerlei Scherze macht.
Meine Mum hatte schon dutzende Leichen bei sich auf dem Tisch liegen.
Nur wegen Suiziden !
Und ich will ja nichts sagen aber ich denke der Name Jenna Montgomery genügt dir !"
Wütend rauschte ich an dem verdutzten Jungen vorbei und holte mein Kopfhörer aus meiner Hosentasche.
"He Sage warte mal.
Es tut mir leid, ich hab nicht darüber nachgedacht, was ich sage. Es tut mir ehrlich leid, aber ich hab auch nicht an deine Tante gedacht."
Mit Schwung drehte ich mich um und wäre dank meiner schweren Tasche fast hingefallen.
Im letzten Moment fand ich mein Gleichgewicht wieder und funkele meine besten Freund an.
"Weißt du was Stiller, spar dir die Luft. Ich lauf nach Hause und zwar alleine."
Mit diesen Worten ließ ich ihn stehen und ging wütend weiter.
Ich wusste, dass er mir nicht folgen würde. Ich hatte meinen Standpunkt mehr als klar gemacht, und das war ihm bewusst.
Ich fütterte die Kopfhörerbüchse mit meinen Kopfhörern und entsperrte mein Handy.
Mit einem klick öffnete ich meine Playlist und kurz darauf dröhnte mir Eminem ins Ohr.
Verwundert sah ich auf meine Handyuhr. Wir hatten erst kurz vor neun !
Ich seufzte tief.
Meine Mum hätte um zwei aus gehabt, aber jetzt wo sie mit Lancaster einen neuen Fall hat, da kann das alles dauern.
Ich ging weiter und nahm einen Weg in Richtung Themse.
Ich war froh, hinter dem Fluss zu wohnen. Dort befanden sich die Reihenhäuser und die Wohnsiedlungen.
Als ich an der Themse entlang zur Millennium Bridge schlenderte beschloss ich kurzerhand mich bei einem kleinem Eckcafé mit Leckereien einzudecken, denn ich wusste sobald ich nach Hause kam würde ich darüber nachdenken, was es bedeutete, dass Em tot war.
Ich würde mir die Seele aus dem Leib heulen und keiner wäre da, der mich trösten könnte.
Dabei würde mein Blutzuckerspiegel so weit in den Keller gehen, dass ich Unmengen an Zucker bräuchte um meinen Blutzuckerwert normal zu halten.
Außerdem musste sich das kleine Café gegen die große Kette Starbucks durchsetzten.
Starbucks war dierekt gegenüber und machte das Café so noch unscheinbarer, als es sowieso schon war.
Ich hasse diese Ketten.
Klar ich hol mir auch ab und zu etwas bei H&M oder so, aber ich unterstütze sowas nicht so wie viele andere es taten.
Als ich die Tür aufdrückte klingelte die kleine Ladenglocke und die Besitzerin, eine 70 jährige Frau, die das Café schon betrieb, als meine Mutter so alt war wie ich sah von ihrer Zeitschrift auf.
Außer mir war nur ein altes Ehepaar da und trank einen Tee.
Okay der Fairness halber, wir haben erst neun Uhr, an einem Donnerstag.
Ich grüßte das Ehepaar freundlich und ging dann zur Theke.
Ächtzend erhob sich Miss Trudy Waters und lächelte Mir entgegen.
"Na meine Hübsche, hattest du heute nur eine Stunde Unterricht, oder warum bist du schon so früh hier ?"
Es war manchmal echt gruselig, denn Trudy kannte meinen Stundnplan fast besser als ich.
Was natürlich auch daran liegen könnte, dass ich jeden Tag nach der Schule hierherkam um mir was zu trinken oder zu essen zu holen.
"Ne, aber bei uns in der Schule wurde in einem Fachsaal die Leiche einer Schülerin gefunden. Die mussten die Schule sperren, wegen Tatort und so."
"Oh nein, dass ist ja furchtbar, kanntest du die Schülerin ?"
Mir schossen die Tränen in die Augen und leise sagte ich: "Es war Em."
Trudy schlug sich entsetzt die Hände vor den Mund und fragte: "Aber doch nicht Emily Parker, oder ?"
"Doch"
"Oh nein, mein Schatz. Komm her und lass dich drücken."
Sie kam um die Theke herum und zog mich in eine lange Umarmung.
Ich schluchzte gegen ihre Schulter und die alte Dame strich mir beruhigend über den Rücken.
Irgendwann ließ sie mich wieder los.
"Was brauchst du alles Kleine."
"Ist eigentlich schon egal Hauptsache was Süßes."
Trudy nickte verständnisvoll und holte mehrere Tüten.
"Also du bekommst zwei Zimtschnecken, Schokobrötchen und vier Schweineohren.
Und nicht zu vergessen die noch warmen Quarkohren und Blätterteigstangen mit Marzipan gefüllt.
Brauchst du sonst noch was ?"
"Zwei Karamelkakao wären klasse."
Die alte Frau nickte und fing an die Spezialität des Cafés zu machen.
In meiner Tasche kramte ich nach meinem Geldbeutel und als ich ihn gefunden hab lagen fünf Tüten und zwei große Becher mit dampfenden Karamelkakao auf der Theke.
"Wie viel macht das ?"
"Ja red' doch keinen Stuss. Ich will nichts dafür. Du bist in einer schlimmen Situation und ich helfe dir. Ganz einfach. ."
"Nein wirklich. Wie viel ?"
"Nein, ich will nichts dafür und ich nehme dein Geld auch nicht an."
Ich sah, das auf der Theke das kleine selbstgemachte Sparschwein, dass ich ihr vor fünf Jahren zum 40zigsten Jubiläum geschenkt hatte stand.
Ich zog eine fünf Pfundnote aus meinem Portemonnaie und steckte sie in das Schwein.
"Betrachte es als Spende."
Trudy schnappte kurz nach Luft lächelte dann aber.
Ich packte die Tüten ein, nahm die beiden Becher und verließ das Café.

Bisschen spät. Sorry ❤❤❤

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