Teil 2

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Es war zwar erst früher Abend, aber schon komplett verraucht in der Bar. Das deli öffnete von Donnerstag bis Sonntag den Raucherbereich. Ich war mit den Nerven fertig, die Sache mit Linda und meiner Schwester hatte mich aufgeregt, und nun musste ich anderen Menschen beim Rauchen zusehen. In solchen Momenten verdränge ich, dass ich eigentlich nicht rauche. Was für ein Klischee. Ein ziemlich hochgewachsener Kerl mit bleichem Gesicht, dunklen Augenringen und langen, zotteligen, schwarzen Haaren saß am Tresen und zündete sich an dem glühenden Rest seines Stummels eine frische Zigarette an. Ich setzte mich neben ihn.

„Hey, entschuldige, hast du 'ne Kippe für mich?"

Langsam drehte sich der Typ zu mir um und schaute mich an. Es vergingen einige Momente und ich fragte mich schon, ob er mich überhaupt verstanden hatte. Ich wollte weiter, da zog er aus den Tiefen seines Mantels eine zerknautschte Packung, die er mir anbot. Black Death Filter. Noch so ein Klischee. Dabei sah er mich die ganze Zeit an. Ich bedankte mich und bemerkte dann, dass die Packung leer war.

„Du, die Packung ist leer."

Der junge Mann starrte mich immer noch mit seinen müden Augen an.

„Ist schon in Ordnung, danke."

Ich wollte aufstehen, aber der Typ hob die Hand und bedeutete mir, sitzen zu bleiben. Dann legte er die leere Packung auf den Tisch und zog eine neue Schachtel hervor. Er riss die Plastikfolie auf und streckte mir dann die neue offene Packung und seine rechte Hand hin.

„Ich werde Alex genannt. Bediene dich und nimm dir, soviel dir beliebt."

Mit überkreuzten Händen schüttelte ich seine Rechte und zog mir eine Zigarette aus der Schachtel.

„Ich heiße Will, danke für die Kippe."

Alex drehte sich wieder zur Bar und hatte mich anscheinend schon vergessen.

Bei einer Dame, deren Zähne und Finger so gelb waren wie Katzenurin im Schnee, holte ich mir Feuer und setzte mich dann an den letzten freien Tisch in der Mitte des Raumes. Die Plätze im Freien waren komplett belegt gewesen.

Mein erstes Bier war schon fast leer, als Sam in der Tür erschien und zielstrebig auf mich zukam. Er hängte seine Jacke gerade über den Stuhl, da stand die junge Bedienung neben ihm und fragte, was er trinken wolle. Nachdem er sich sein erstes und ich mir mein zweites Bier bestellt hatte, verschwand sie hinter den Tresen. Sam sah ihr nach.

„Ziemlich junges Ding."

„Mhm, dachte ich auch schon."

Er sah mich an.

„Hey Goofy."

Unsere Hände schüttelten sich.

„Donald. Wie geht's dir?"

Sam lehnte sich in seinem Stuhl zurück und hob die Arme über den Kopf.

„Och du, ich kannnich klagen. Der Onlinestore läuft gut, kam grad ne neue Serie auffen Markt und ich hab in meiner Wohnung kistenweise Sammelkarten von Charakteren, die man hier noch nichmal kennt. Jetzt mussich ein, zwei Monate warten, bis die Kids die Läden leer gekauft ham, dann kannich Packs online stellen. Die gehen dann schneller weg wie warme Semmeln"

„Als."

Sam war schon ein paar Jahre länger in Stuttgart und hatte sich schnell an dialektale Eigenheiten gewöhnt, ich verbessere ihn dennoch jedes Mal. Und jedes Mal bekomme ich die gleiche Reaktion.

„Als Maul."

Sam hatte eine Marktlücke entdeckt. Er kaufte Sammelkarten in Massen direkt in Japan und verkaufte sie hier über seinen Laden im Internet weiter. Wir dachten alle, dass das mal wieder eine dieser unmöglichen Ideen werden würde, die er am laufenden Band hatte und die nie funktionierten. Wir befürchteten, dass er nach dem Hype von Pokemon auf den Karten sitzen bleiben würde. Doch nach Pokemon kam Digimon und Yu-gi-oh und mittlerweile hatte Sam seinen kleinen Laden im Internet etabliert. Er wurde langsam ein bisschen größenwahnsinnig und sah sich nach Räumen für einen echten Laden um.

Das Leben ist ein Erdbeben und ich stehe neben dem TürrahmenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt