Teil 8

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Etwas Schrilles riss mich aus dem Schlaf. Der klingelnde Wecker stand nicht neben meinem Bett, sondern war zwischen meinen Koffern versteckt. Bis ich den Wecker gefunden hatte, war ich wach. Saras Kinder waren kreativ. Ich schleppte mich in die Küche, alle drei saßen schon am Tisch und löffelten ihre Cornflakes.

„Wer von euch hat den Wecker bei mir versteckt?"

Martin grinste.

„Du wärst doch sonst nie aufgestanden."

Dazu schwieg ich. Erstens war ich zu müde, um mich jetzt aufzuregen, und zweitens hatte er Recht. Er kam nach seiner Mutter, was das anging.

„Und warum musste ich jetzt aufstehen?"

„Du musst uns Essen machen!"

Es endete darin, dass mir zwei kleine Mädchen zeigten, wie man Brote für die Schule schmiert. Danach brachte ich sie zur Tür.

„Und was machst du jetzt, Onkel Willi?"

„Ich denke, ich werde noch mal ins Bett gehen."

„Vergiss nicht, die Flecken aus dem Teppich zu waschen."

„Ja ja, das mache ich, bevor ihr wieder zu Hause seid."

„Mama sagt, ‚ja ja' sagt man nicht!"

Ich nickte müde und schloss die Tür hinter den beiden und stand alleine im Flur, den ich noch schrubben musste. Eines war klar, wenn ich noch einmal schlafen gehen würde, würden mich wahrscheinlich erst die Kinder wieder aufwecken. Also suchte ich Schrubber und Putzzeug. Knapp eine Stunde verbrachte ich kniend auf dem Boden. Danach war der Teppich zwar nass, aber er sah wieder sauber aus. Ich liess das Putzzeug stehen und fiel ins Bett.

Als ich Stunden später auf dem Flur trat, schlug mir ein leckerer Geruch entgegen. Martin stand am Herd und achtete darauf, dass die Suppe nicht überquoll.

„Morgen, Martin."

„Mahlzeit, Willi."

Er drehte sich zu mir und grinste.

„Du hast dir ja mit dem Flur Mühe gegeben."

„Mhm."

„Sam hat angerufen. Du sollst dich melden."

Sam war kurz angebunden am Telefon. Harald war gerade da und sie stellten neue Karten-Editionen online.

„Heute 16:00 Uhr, in der Kuperstraße."

„Wo ist die? Und was ist da?"

„In Vaihingen, im Industriegebiet. Fahr zum Bahnhof Vaihingen und dann musste noch ein bisschen laufen. Da is Basement Dreams. Der Pornoverlag. Ich hab dir einen Termin besorgt, beim Chef. Um 16:00 Uhr."

„Gut ..."

„Ja, alles klar? Cool, dann viel Erfolg, muss hier weitermachen."

Ich hörte ein Klicken und eine tutende Leitung. Das hieß dann also, ich hatte ein Vorstellungsgespräch bei einem Pornoverlag. Was zieht man dafür an?

Nachdem ich mit Violet beim Arzt war - ein Raum voller kleiner, kranker, krakeelender Kinder - und dieser nichts Besorgniserregendes feststellen konnte, entschied ich mich für ein sauberes Hemd und eine etwas bessere Jeans. Passenderes hatte ich nicht. Ich klopfte an Martins Tür und sagte ihm Bescheid, dass ich für eine Weile unterwegs sein würde.

„Ich bin in drei Stunden wieder da. Oder so."

„Da bin ich nicht mehr da. Ich geh heute ins Theater."

Ich kam ehrlich gesagt gar nicht auf die Idee, zu fragen, welches Stück er sich ansehen wollte.

„Gut, viel Spaß und bis morgen."

„Und was ist mit den beiden Kleinen?"

Es gibt Dinge, derer ist man sich nicht bewusst, wenn man keine Kinder hat.

„Was soll mit ihnen sein?"

„Du kannst sie nicht allein lassen."

Sachen, die selbstverständlich sind, wenn man Kinder hat.

„Wann gehst du?"

„Um halb sieben."

Und diese Sachen musste ich jetzt lernen.

„Ich bin um sechs wieder da."

Alle.

Die Fahrt in der Bahn ließ mir viel Zeit zum Nachdenken. Da war ein komisches Gefühl im Magen. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Pornos werden eher verachtet und tabuisiert als ausdiskutiert. Zumindest, wenn man ein geistiges Alter von 18 überschritten hat. Wie sahen jene aus, die solche Sachen produzieren? Waren das Männer in rosa Bademänteln und Goldketten mit Mädels um sich herum? Oder waren das Männer im legeren Anzug, die Familie hatten und alten Frauen über die Straße halfen? Ist das Pornoding für sie nur Arbeit oder Berufung? Und würde ich da reinpassen? Ich dachte auch über die Kinder nach. Für die nächsten 2 Wochen würde ich den Leihvater spielen müssen. Ich wusste gar nicht, worauf ich weniger Lust hatte. Auf Kinder aufpassen oder Pornos schreiben. Ich starrte aus dem Fenster, bis die weibliche Stimme Vaihingen ansagte.

Der Weg führte zwischen riesigen, heruntergekommenen Lagerhallen hindurch direkt auf ein Gebäude zu. Ein altes Schild wies es als ehemalige Papierfabrik aus. Ich ging über eine Laderampe hinein und traf auf einen Mann, der Paletten voller Heftchen mit einem Gabelstapler durch die Gegend kutschierte. Als er mir erklärte, wo das Büro war, drückte er seine Zigarette an einem Rauchverbots-Schild auf dem Gabelstapler aus.Kommentarlos ging ich die Eisentreppe hoch und lief auf einem Steg über Druckmaschinen hinweg. Bis jetzt hätte dies eine normale Druckerei sein können. Doch dann öffnete ich eine schwere Tür, an der das Logo von Basement Dreams angebracht war. Als die Tür ins Schloss fiel, war es leise. Es musste eine schalldichte Tür sein, denn die Druckmaschinen arbeiteten nicht gerade geräuscharm. Ich stand in einem Flur, an dessen Wänden eingerahmte Cover hingen: ‚In Diana Jones' und ‚Adams Riese' und ‚Der Schwanz der Vampire'. Zumindest die Namen waren kreativ.

Ich klopfte an die Tür am Ende des Ganges und hörte von innen etwas undeutlich Gemurmeltes. Dann betrat ich die Höhle des Drachen.

Das Büro war ordentlich aufgeräumt, wenn man vom Schreibtisch absah. In Regalen standen Hefte mit ähnlichen Namen wie die der Cover im Flur. Hinter dem Schreibtisch war die riesige Rückenlehne des Stuhls.

„William?"

„Ja, der bin ich."

„Gut, ich bin Bob Tail und der Verleger von Basement Dreams. Wissen Sie, worum es geht?"

„Naja, Sam hat nichts Genaueres gesagt."

„Gut, ich werde es Ihnen erklären. Ich will Sex."


Das Leben ist ein Erdbeben und ich stehe neben dem TürrahmenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt