Teil 24

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Sam war erst sauer, weil er in seinem kreativen Schaffen gestört wurde, doch dann sah er die Koffer und verstand.

„Sara hat dich rausgeworfen?"

„Sie hat meine Pornos gefunden."

„Als ob sie nicht wüsste, das jeder Mann Pornos unterm Bett hat."

Ich sah ihn mit bösem Blick an, doch er grinste nur und schob mich in die Wohnung.

„Und dann auch noch zwei Koffer. Das einzig Wichtige für nen Mann auf Reisen is ein Handtuch, weissu das nich? Und genau das könntessu jetz ziemlich gut gebrauchen."

„Du hast wohl wieder gute Laune?"

Im Wohnzimmer herrschte Chaos. Neues, für Sam ungewohntes Chaos. Alles, was auf dem Esstisch gestanden hatte, war weg. Dafür stand dort eine Schreibmaschine. Eine Hermes Baby, wie mein Kennerblick mir verriet. Und Blätter. Und ein Mülleimer. Mit noch mehr Blättern drin. Ich stellte meine Koffer ab und zog ein paar Seiten aus dem Müll.

„Mein Herz ist entflammt."

Ich sah Sam schräg an, ließ das Blatt wieder fallen.

„Ich habe mein Herz bei dir verloren, und in meiner Brust ragt ein Loch. In meiner Brust ragt ein Loch? Das muss heißen, in meiner Brust klafft ein Loch. Aber das ist doch alles..."

Sam schwenkte seine Hände in einer abwehrenden Bewegung in der Luft.

„Ich weiß, das hört sich alles scheiße an, stimmt's?"

Zur Bestätigung ließ ich die Blätter wieder in den Müll fallen.

„Will, ich hab keine Ahnung, was ich schreiben soll! Du bis der Schriftsteller. Schreib du mir was!"

„Bestimmt. Und dann muss ich jedes Mal was schreiben, wenn du es mit ihr vermasselst."

Sam seufzte.

„Komm, setzen wir uns raus, wechseln das Thema. Trinken zwei Bier. Oder mehr. Heute Abend müssen wir nirgends mehr hin."

Wir setzten uns zwar auf den Balkon, ich hatte mir trockene Klamotten aus meinen Koffern gefischt, doch das Thema wechselten wir nicht. Sam konnte an nichts anderes denken.

„Erzähl mir von ihr."

Sam nippte an seinem Bier, dann sah er in den dämmernden Himmel. Die Sonne ging gerade unter. Sam wollte anfangen zu reden, doch ich hob die Hand und bedeutete ihm, ruhig zu sein.

„Lass uns den Sonnenuntergang in Stille genießen."

Ich dachte an Alex und den Morgen im Schlossgarten. Als ich derjenige war, der Hilfe brauchte. Jetzt war ich derjenige, der zuhörte. Obwohl ich selbst Probleme hatte. Vielleicht hatte Alex auch Probleme gehabt. Ich sollte ihn fragen, wenn ich ihn das nächste Mal sah. Wo und wann immer das sein sollte. 20 Minuten sahen wir schweigend der Sonne zu, die blutend versank, nur um wieder aufgehen zu können. Ein ewiger Kreislauf. Die Buddhisten nennen das Samsara.

„Jetzt erzähl mal von Valerie."

„Sie is wie eine Katze. Sie schaut dich an und du sags nichts und dir scheint es, als ob sie schon alles über dich weiß. Dann fängt sie an, dich zu fragen. Sie fragt dich, wie du heiß und was du machs, und du erzähls ihr alles. Und es fühlt sich an, als ob sie schon alles wüsste. Trotzdem issie total neugierig. Wie ein Kind. Fast schon übertrieben, dassu dir ein bisschen verarscht vorkommst. Aber gleichzeitig wünschssu dir, dassie noch mehr fragt. Damit du noch mehr erzählen kannst. Damit sie dich weiter mit diesen Augen anschaut. Obwohl du gar nich in die Augen schauen kannst, wenn sie redet. Wenn du das tus, kannssu nicht mehr weiterreden, kennssu das?"

Das Leben ist ein Erdbeben und ich stehe neben dem TürrahmenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt