Teil 10

14 0 0
                                    

Zu Hause angekommen legte ich meine Geschichte auf mein Bett und quälte mich durch die Zimmer, um zu sehen, ob die beiden Kleinen ihre Hausaufgaben machten.

„Es ist doch Wochenende. Da haben wir keine Hausaufgaben! Will, spielen wir später wieder was?"

Nie im Leben. Da war das Pornos ausdenken noch ein Vergnügen dagegen.

„Ich weiß noch nicht."

„Und bestellen wir wieder Pizza?"

„Nein, Emma."

Die Kleinste sah mich böse an.

„Bist doch kein guter Papa."

Wie konnten die Worte einer sechs Jahre alten Göre einen erwachsenen Mann so hart treffen? Völlig in Gedanken versunken bereitete ich das Abendessen vor. Brot und der restliche Inhalt des Kühlschranks. Eigentlich sollte ich mich um den nächsten Porno kümmern. Ich könnte auch mit Sam losziehen. Stattdessen würde ich den Freitagabend mit den Kleinen verbringen müssen. Ich hatte keine Lust, mir wegen eines Pornos noch eine Nacht um die Ohren zu schlagen. Aber den Abend mit den Kindern zu verbringen war auch nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung. Und dann ließ mich mein halb erwachsener Neffe auch noch im Stich. Er verschwand nach einem Bissen Brot, um „mit einer Freundin was trinken zu gehen". So nannte man das heute also.

„Viel Spaß."

Er zwinkerte mir zu und verschwand.

„Was machen wir heute Abend, Onkel Will?"

„Ich würde sagen, ihr geht früh ins Bett."

Ich grinste, als sie lautstark protestierten. Ich glaube, jedes Kind reagiert so auf „früh ins Bett" gehen.

„Könnt ihr euch nicht selbst beschäftigen?"

Violet schüttelte den Kopf.

„Ich will Labyrinth spielen!"

Emma hielt dagegen.

„Schweinsgalopp."

Die beiden Kinder stritten sich darum, was sie jetzt spielen wollten und warfen mit noch mehr Spielenamen um sich, die mir nichts sagten. Das ist so eine dieser Situationen. Man sitzt bei einer Gruppe und diese redet über die Schule, die alle besuchten außer man selbst. Oder über Filme, die man nie gesehen hat. Und das Thema kann noch so interessant sein. Ohne die Grundvoraussetzungen kann man nicht mitreden. Dann hatten sie sich geeinigt.

„Wir spielen Spongebob."

Spongebob? Soweit ich wusste, war das eine Fernsehserie.

„Da gibt's ein Spiel?"

„Mehrere, aber wir haben nur eines."

Emma rannte die Treppen hoch und kam mit einem Spiel wieder herunter. Sie packte es aus und legte es auf den Wohnzimmertisch. Ich war erleichtert. Es war ein ganz normales Malefiz in einer Spongebob-Version. Da konnten wir ja gleich spielen, ohne dass mir eine Sechsjährige die Regeln erklären musste. Ich nahm eine der Figuren in die Hand.

„Ich bin das hier."

Ich sah sie mir genau an.

„Ein Eichhörnchen im Taucheranzug?"

„Das ist Sandy Cheeks. Die NASA hilft ihr, auf dem Meeresgrund zu leben."

Sachen gibt's. Emma war Spongebob und Violet war ein Seestern in Hawaiihosen.

Um elf sah ich auf die Uhr.

„Sag mal, Violet, wenn Sara da ist, wann schickt sie euch am Wochenende ins Bett?"

„Um zehn."

Nach erneutem Protest und einer Gute-Nacht-Geschichte lagen die beiden um Mitternacht im Bett. Ich fuhr den Laptop wieder hoch und starrte die leere Seite an. Eine neue Pornogeschichte. Bobs vernichtende Kritik hatte mich getroffen. Diesmal musste es etwas Gutes sein. Aber ich hatte ja auch noch bis Dienstag Zeit dafür. Erstmal brauchte ich einen Kaffee.

Nachdem die dampfende Kanne neben mir stand, wurde es auch nicht leichter. Stundenlang lief ich im Zimmer auf und ab und schrieb seitenweise Worte, nur um sie wieder zu löschen. Morgens um zwei klopfte es und Martin kam herein.

„Guten Morgen, Will."

Ich sah erschöpft vom Bildschirm auf.

„Hey Tin. Wie war's?"

Er setzte sich zu mir aufs Bett.

„Cool. Ich war mit drei Mädchen was trinken."

Ich lachte auf.

„Ich dachte, du wolltest mit einer Freundin etwas trinken gehen?"

„Ja, das dachte ich auch. Eigentlich wollte ich nur mit Lena was trinken gehen. Aber irgendwie waren plötzlich zwei Freundinnen von ihr dabei."

„Anstandsdamen? Haben sie aufgepasst, dass du dich nicht an Lena vergreifst?"

„Ja, irgendwie so was. Obwohl ich lieber allein gewesen wär mit Lena. Deswegen war ich ein bisschen ... angepisst anfangs. Die beiden waren aber echt in Ordnung. Aber immer, wenn ich etwas näher zur Lena gerutscht bin, hat eine der beiden angefangen mit ihr zu sprechen. Ich hab mich ein bisschen wie ein Außenseiter gefühlt. Wir waren erst in dieser Bar. Doch um 12 hat uns der Barkeeper rausgeworfen, dann sind wir zu der einen nach Hause, die heißt Tabea. Weil die wohnt gerade zwei Straßen weiter. Eigentlich hatte ich gar keinen Bock mehr, ich dachte, den Abend kann ich auch alleine verbringen. Doch dann hat mich Tabea darum gebeten, doch noch mitzukommen. Das hab ich dann gemacht. Und als wir bei ihr waren, hab ich eigentlich die ganze Zeit nur mit ihr geredet. Anfangs, weil Lena nur mit Jana geredet hat und wir uns nicht anschweigen wollten. Das Zimmer von Tabea ist total krass. Die hat an einer Wand die Innereien von einem Klavier stehen. Das ist wie eine Riesenharfe. Ich hab mit meinem Handy ein Foto gemacht, Moment."

Er zog sein Handy aus der Hose, klappte es auf und zeigte mir auf dem kleinen Display das Bild. Dann zeigte er mir das nächste Bild.

„Und das ist Tabea."

Ein junges Mädchen lächelte mir entgegen.

„Weißt du, ich hab das Foto von ihr gemacht und schau es auf dem Handy an und denke plötzlich, ‚eigentlich ist sie voll hübsch'. Und ich schaue mir das Original an und denke ‚und wie!' Und dann haben wir uns noch voll super unterhalten. Über Musik und alles Mögliche."

„Schön."

„Ja, was machst du?"

„Schreiben. Zumindest versuche ich es. Aber es will nicht so richtig, mir fällt nichts Kreatives ein."

„Was soll es denn werden?"

Ich habe es ihm nicht gesagt. Nicht, dass er zu jung wäre. Aber ich wusste nicht, was er über mich denken würde. Und so wurde aus dem Porno eine romantische Liebesgeschichte für ältere Menschen. Er versuchte mir noch ein paar Tipps zu geben und verschwand dann nach oben in sein Zimmer. Auch ich klappte den Laptop zu und legte mich schlafen. Ich freute mich auf das Ausschlafen am Samstagmorgen.


Das Leben ist ein Erdbeben und ich stehe neben dem TürrahmenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt