Teil 16

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Ich hatte so gut geschlafen wie vor meinem ersten Date mit einem Mädchen. Gar nicht. Mir war schlecht und ich war übermüdet, als ich das Essen für die Kinder machte. Nachdem die Kinder weg waren, döste ich noch zwei Stunden vor mich hin, dann machte ich mich auf den Weg zu Basement Dreams. Im Bus fragte ich mich wieder, ob ich mit meiner Freizeitkleidung aussah wie der Standard-Porno-Schreiber. Vielleicht streuten bestimmte Berufsgruppen absichtlich Gerüchte über ihren Beruf, damit man sie selbst nie in diesen Gruppen vermutete. Vielleicht war der ältere Herr mit grauem Hut und dazu passenden Hosenträgern, der im Bus zwei Reihen vor mir saß, der Seniorchef von Beate Uhse? Und vielleicht war der Mittvierziger im Anzug und mit schwarzem Koffer in der vorletzten Reihe der größte Drogendealer der Stadt? Und vielleicht steckte hinter der unscheinbaren Fassade der jungen Frau mit Kinderwagen ein Profikiller?

Im Gebäude von Basement Dreams wurde ich darüber aufgeklärt, dass Bob Tail nicht vor elf Uhr zur Arbeit kam. Also verbrachte ich eine halbe Stunde vor dem Gebäude und wartete auf den Chef.

Bob kam, las sich meine Geschichte durch und zündete die erste Zigarre des Tages an.

„Besser, viel besser als die erste. Sehr interessant. Und wäre ich nicht, wer ich bin, würde ich sie vielleicht sogar drucken lassen. Aber ich suche Niederes. Animalischen Sex. Ich gebe Ihnen zwei Tage. Schreiben und bringen Sie."

Ich ließ den Kopf hängen, entschied mich und sah Bob an.

„Bob, ich habe es versucht und wir haben gesehen, dass es nicht funktioniert. Deswegen danke ich Ihnen für Ihre Geduld und wünsche Ihnen noch viel Erfolg mit den Pornos. Ich werde keine mehr schreiben."

Bob nahm die Zigarre aus dem Mund und atmete durch die Nase aus.

„Gut, William, dann bekomme ich von Ihnen den Vorschuss zurück."

Vorschuss? Was für ein Vorschuss?

„Was für ein Vorschuss?"

„Den Vorschuss, den ich unserem gemeinsamen Freund Samuel übergeben hatte. Er wollte ihn sofort überbringen. Hat er das nicht getan?"

Dieses Arschloch! Deswegen war er so versessen darauf, dass ich unbedingt die Pornos schreibe!

„Nein, das muss er irgendwie verschwitzt haben."

„Nun, solange dieses Geld nicht wieder bei mir ist, sind Sie verpflichtet zu schreiben. Und ich rate Ihnen, beeilen Sie sich. Heute wäre Abgabetag für den ersten Porno, doch in meiner Güte gebe ich Ihnen noch zwei Tage."

„Gut. Können Sie mir auch sagen, wie hoch der Vorschuss war?"

„Natürlich. Ein Monatslohn. 2000 Euro. Anders gesagt: Vier mal 32 Seiten. Voller Sex."

Ich schluckte schwer, verabschiedete mich und ging direkt zu Sam. Als ich vor seiner Wohnung stand, war ich zumindest äußerlich wieder ruhig. Sam öffnete in Boxershorts die Tür, wahrscheinlich kam er direkt aus dem Bett.

„Goofy! So früh schon hier? Komm rein!"

Ich kam rein.

„Warssu schon bei Bob?"

Ich nickte.

„Und?"

Ich schüttelte den Kopf.

„Ach Scheiße."

Ich nickte.

„Und dann habe ich ihm gesagt, dass ich kündige."

Sam sah mich an.

„Und er meinte, er möchte dann den Vorschuss zurück."

Sam sah zu Boden.

„Hast du nicht vergessen, mir was zu sagen? Oder besser: zu geben?"

„Hey Will, ich dacht ich leg das Geld gleich an, dann hassu später viel mehr davon!"

„Und du wolltest mir nichts davon sagen."

„Hättessu mir das Geld dann überlassen?"

„Nein."

„Siehst du?"

„Und wie hast du das Geld angelegt?"

Er ging zu einem Haufen Kartons und öffnete sie. Stolz zeigte er mir den Inhalt. Sie waren voller Sammelkarten. Ich nahm eine Packung heraus und versuchte, den Titel zu entziffern.

„Arena Masters?"

„Ich sag's dir! Der neueste Hype aus Japan! Bald werden mir die Kinder die Karten aus den Händen reißen! Die Karten sind dann locker viermal so viel wert!"

„Du hast 2000 Euro in Spielkarten gesteckt?"

„Ja! Und weil ich dich so lieb habe, bekommst du die Hälfte des Gewinns!"

„Und wann ist das? Erleben wir beide das noch?"

„So, in drei oder vier Monaten müsstest du das Geld haben."

„Sam! Ich muss Bob so schnellstmöglich das Geld zurückgeben, das du ihm abgeluchst hast!"

„Warum?"

„Weil ich nicht mehr schreiben will!"

„Warum denn nicht, sieh es doch als Herausforderung!"

Eine halbe Stunde später hatte er mich soweit. Ich versuchte mich weiter an den Pornos und bekam von Sam 4000 Euro. Sobald er sie hatte. Ich musste mich beeilen, die Kinder brauchten ein Mittagessen.

Martin, Violet und Emma bemerkten meinen Unmut und ließen mich während des Essens in Ruhe. Schweigend saßen wir am Esstisch und mich kotzte es an, dass sich meine schlechte Laune auf die Kids meiner Schwester niederschlug. Doch hätte ich den Mund aufgemacht, wäre es nur noch schlimmer gekommen.

Als ich später in meinem Zimmer saß und schrieb, es zumindest versuchte, kam Martin herein.

„Was ist denn los?"

Er setzte sich aufs Bett. Ich drehte mich auf meinem Stuhl und erzählte ihm von meiner abgelehnten Geschichte und meiner ‚Kündigung' und Sam, der meinen Vorschuss in kleine bunte Pappkarten gesteckt hatte.

„Was schreibst du noch mal?"

„Ja, so Liebesgeschichten für ältere Menschen. Warum?"

Ich hatte mich wieder zum Schreibtisch gedreht und das leere Display und den blinkenden Cursor angestarrt. Ich hörte ein Blättern hinter mir.

„Na ja, das hier liest sich aber nicht wie eine Liebesgeschichte für ältere Menschen."

Scheiße! Ich drehte mich um und flog vom Stuhl auf den Boden neben dem Bett. Tin grinste. Ich rieb mir die Seite und wurde rot.

„Das hier liest sich eher wie eine Liebesgeschichte für Männer im mittleren Alter."

Ich erzählte ihm von meinen Pornos. Und irgendwie verstand er mich. Vielleicht nahm ich junge Menschen zu spät ernst. Jetzt redete ich mit ihm wie mit einem Gleichaltrigen. Und es funktionierte. Ich erzählte ihm von meinen nun schon zwei abgelehnten Pornos und meinem Problem, dass ich innerhalb von zwei Tagen einen neuen schreiben musste. Martin zuckte mit den Schultern.

„Sorry, ich habe da noch keine Erfahrung, ich kann dir nicht helfen."

„Es geht ja nicht direkt um Erfahrung, sondern um Phantasie."

Martin schüttelte nur den Kopf.

„Mein Onkel schreibt Pornos, wie krass ist das denn? Wenn Mama das erfährt, oh oh."

„Nix, wenn Mama. Sara darf das nicht erfahren. Sara hat mich schon so auf dem Kieker, das müssen wir nicht ausreizen."

„Das war ein Scherz, ich hab's ja verstanden."

Emma riss die Tür auf.

„Onkel Will, Violet und ich wollen zum Spielplatz. Kommst du mit?"

Ich dachte an meinen Porno und an laute Kinder auf einem Spielplatz. Dann sah ich Martins warnenden Blick und dachte an meine Schwester, bei der ich noch einiges an Sympathiepunkten sammeln musste.


Das Leben ist ein Erdbeben und ich stehe neben dem TürrahmenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt