#9 - Dilemma

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Rebeccas überraschter Blick blieb an mir haften. Bevor ich irgendwas sagen könnte, kam sie mir zuvor:

„Wie kannst du dich in sie verlieben, du kennst sie ja nicht mal?"

Da hatte sie nicht ganz Unrecht. Ich kannte Olivia ja nur vom Namen her, aber mein Ziel war es ja jetzt, sie durch die bevorstehende Party kennenzulernen. Und wenn das nichts nützen sollte, müsste ich mich wohl oder übel mit den Verbindungsstudenten anfreunden, um an sie heranzukommen.

„Ich bin nicht wirklich in sie verliebt", log ich dann, denn ich wollte nicht, dass der ganze Campus davon mitbekam.

Rebecca schüttelte verwirrend den Kopf, als würde sie mich für ein Kind halten, und kramte aus ihrer Handtasche eine Zigarette raus.

Ich wollte mich nicht mehr mit ihr unterhalten, da sie einen etwas mürrischen Charakter besaß. Wenn ich sie charakterisieren würde, würde ich denken, dass sie zu der Gruppe von Menschen gehört, die mit einer Kippe zwischen den Zähnen faul im Bett zu Grunge-Musik hört.

Nachdem die den ersten Zug ihrer Zigarette nahm, fragte sie mich:

„Kommst du auch zur Verbindungsparty? Bisschen saufen, bevor dein erster Vorlesungstag stattfindet?"

„Ich werde kommen", sagte ich, „aber ich trinke nicht. Ist nicht mein Ding."

Rebecca starrte mich noch überraschter an, als vorhin. Ich hätte den letzten Satz wohl sparen sollen.

Mit einem entsetzten Kopfschütteln ging sie einfach davon und ließ mich hier stehen.

Gott, wieso stellte ich mich noch vor meinem ersten Vorlesungstag wie ein Trottel dar.

Also nach meiner Ansicht fand ich es nicht so schlimm, wenn man im Studentenalter aufs Trinken verzichtete, aber ich hoffte, dass wenigstens die Tatsache, dass ich noch nie ein Mädchen geküsst hatte, sich nicht allzu schnell verbreiten würde.

Wieder in meinem Wohnheim habe ich nach etwas Lässigem für die bevorstehende Party rausgesucht. Gestern hielt mich ja Jesse davon ab, deshalb war ich froh, dass er jetzt nicht hier war.

Jesse war wohl noch immer draußen und schloss sich weiterhin mit den anderen Potterheads zusammen. Um mich kümmerte er sich nicht. Dass er mich auch heute Morgen beim Frühstück sitzengelassen hat, hat er wohl schnell wieder vergessen.

Aber diese Sache fand ich jetzt nicht wichtig. Wichtig war jetzt die Party und Olivia.

Die normale lässige Jeans, die ich gestern rausgewühlt habe, sah ich mir noch einmal an. Sie war frisch und wirkte unauffällig, genau wie ein weißes Hemd mit durchsichtigen Knöpfen am kurzen Ausschnitt.

Dazu passte noch meine Rolex, und etwas Haargel. Aber zunächst beschloss ich zu duschen, denn es war schon kurz nach drei und die Party sollte um Fünf Uhr beginnen.

Die Gemeinschaftsdusche der Jungs in diesem Wohnheim war im unteren Geschoss und als ich unten ankam, war es schon in vollem Gange. Anscheinend ging mein Wohnheim mit auf die Party und wollte sich frischmachen.

Ich ging geradewegs in eine freie Kabine und ließ das Wasser laufen. Es war sehr erfrischend und machte meine Gedanken frei.

Erst in der Dusche konnte ich klar nachdenken und mir fiel ein, wie lächerlich es war, einem Mädchen hinterher zu schnüffeln und zu vergessen, aus welchem Grund man hier war.

Ich war hier, um zu studieren. Ich wollte mir nach dem College ein Leben aufbauen. Was tat ich mir jetzt eigentlich an?

Morgen war mein erster Vorlesungstag. Was, wenn ich morgen früh verkatert in einem fremden Bett aufwachte?

Ich wollte nicht zu viel hoffen, also konzentrierte ich mich darauf, dass ich mich mit meinem Schwamm zu Ende schrubbte und wieder nach oben in mein Zimmer ging.

Gerade als ich mich nach dem Duschen anzog und nach oben gehen wollte, wurde ich von jemandem hinten angetippt.

Ich drehte mich um. Es war ein blondhaariger Student, der gerade von der Dusche mit eingewickeltem Handtuch kam.

„Hey, du bist der Neue, richtig?", fragte er und steckte mir die Hand entgegen. „Ich bin Drew."

Ich schüttelte die Hand und antwortete höflich: „Ich bin Ethan. Ethan Hensley."

„Ich weiß nicht, ob du schon von der Party für die Neulinge gehört hast. Ich wollte dir nur sagen, dass sie um fünf beginnt und du gerne mit uns fahren kannst."

Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ein Glück hat Drew mir noch rechtzeitig eine Mitfahrgelegenheit für die Party angeboten.

Ich hatte mich eigentlich beinahe entschlossen, nicht zur Party zu gehen, um meinen Ruf nicht zu schaden. Aber ich hatte ja bereits Olivia Bescheid gegeben, dass ich kam. Es gab für mich also kein Zurück mehr.

„Das wär echt klasse", antwortete ich also, „Danke!"

„Kein Ding. Komm einfach in einer Viertelstunde runter zum Parkplatz. Da warten ich und drei andere Jungs, die zur Verbindung gehören."

„Ach, ihr gehört zur Studentenverbindung? Kappa Alpha?"

„Klar. Aber keine Sorge, wir sind nicht so schlimm, wie alle denken. Du kannst heute gerne beitreten. Es wird aber sehr schwierig, überleg's dir also gut."

Und damit ging er zurück in die Umkleidekabine.

Ich dachte über seine Worte nach. Ich hatte ja schon überlegt, in die Verbindung beizutreten, damit ich so Olivia näher kommen konnte. War es also eine gute Idee?

Ich hob den Gedanke für die Party auf und machte mich auf in mein Zimmer, um mich nochmal schnell zurechtzumachen, bevor ich zum Parkplatz runterging.

Als ich dann die Tür zu meinem Zimmer öffnete, sah ich den zurückgekehrten Jesse an seinem Laptop hocken. Er drehte sich um und beäugte mich von oben bis unten. Er wunderte sich über meine Klamotten und als er dann verstand, wofür ich mich so aufgebrezelt habe, drehte er sich entsetzt wieder zu seinem Laptop.

Ich beachtete ihn nicht und nahm mein Haargel aus meinem Nachttisch.

Während ich meine vorderen Haare zurecht schmierte, kam Jesse zu Wort.

„Überleg's dir gut, Ethan. Noch kannst du beschließen, es zu lassen."

Entnervt sagte ich: „Es ist eine Willkommensparty, Jesse. Es wäre unhöflich, wenn ich als neuer Student nicht käme."

„Ich meine nicht die Party, sondern die Verbindung. Überleg's dir gut."

Das Gleiche meinte dieser Drew zu mir und er war ja selbst ein Mitglied von Kappa Alpha. Ich wollte nicht weiter an diesem Gedanken hängenbleiben. Rasch zog ich meine Schuhe an und eine einfache Lederjacke über und verließ mein Zimmer.

Draußen angekommen, sah ich auf meine Uhr. Es war kurz nach vier. Einige Studenten gingen in kleinen Gruppen in verschiedenen Richtungen zu ihren Autos. Ich schlenderte ebenfalls zum Parkplatz und hielt Ausschau nach Drew und seinen Verbindungsbrüdern.

Irgendwann rief jemand meinen Namen und ich entdeckte Drew etwas weiter hinten vor einem schwarzen Minivan.

Ich lief also zu ihm hin und seine Freunde begrüßten genauso freundlich wie Drew. Die Drei hießen Joey, Trey und Wyatt. Die gehörten schon seit einem Jahr zur Verbindung und sie erzählten mir, dass Kappa Alpha ein einfacher Zugang zu Alkohol und Frauen wäre und dass es Spaß machte, lauter Partys und Treffen zu organisieren. Außerdem erhielte man als Verbindungsmitglied sogar Bonuspunkte für Examen und Prüfungen.

Das klang alles für mich recht positiv und ich überlegte mir wirklich, mich der Verbindung anzuschließen.

Die Jungs stiegen alle in den schwarzen Minivan und bevor ich auch einstieg, holte ich erst einmal tief Luft.

American College StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt