#13 - Liebesbeweis

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Olivia Grace Callahan

Ich blieb noch im Flur des Wohnheims stehen und strich mir durch die Haare.

Das war ... interessant. Ich hatte meine Nummer dagelassen und nun würden wir beide uns zu einem Kaffee treffen.

Ich bin ihm schon einmal begegnet, das war in der Cafeteria, als ich an ihm nur mal vorbei wollte. Er hat mich schon interessiert.

Aber ich kannte ihn kaum, wie konnte ich jetzt schon über ihn urteilen?

Unsere zweite Begegnung war bei uns im Wohnheim, wo er und Jesse uns anscheinend belauscht haben sollen. Rebecca ließ mich daran immer wieder erinnern, wenn ich an ihn dachte. An Ethan. Er hatte mir schon leidgetan, dass er darüber sehr entsetzt war, deshalb habe ich ihn auch zu der Party eingeladen.

Und das war ein Riesenfehler von mir!

Ich dachte, ich würde ihn auf der Party sehen, aber er war die ganze Zeit unten gewesen. Dort, wo die Zeremonie der Studentenverbindung stattfand.

Und er hat es zugelassen, sich die Hand zu verbrennen, nur um weiterzukommen. Das ließ ich aber auf keinen Fall zu!

Moment, wollte ich ihn etwa beschützen? Hatte ich Sorge um ihn? Ich kannte ihn ja nicht einmal, es war echt nicht meine Aufgabe, über ihn Sorgen zu machen!

Und jetzt wollte ich mich sogar mit ihm treffen ... Nein, ich kenne ihn nicht, vielleicht nutzt Ethan diese Einladung aus, um sich an mich heranzumachen ...

Ich weiß, das war sehr weit hergeholt, aber ich kannte ihn wirklich kaum, da konnte man doch über solche Dinge Gedanken machen ...

Nun ... vielleicht könnte es ja schön werden. Es war doch nur eine Einladung zu einem Kaffee. Ich sollte mich geehrt fühlen, immerhin war das seine Chance, sich bei mir zu revangieren, weil ich auf ihn aufgepasst habe.

Aber das hätte wirklich jeder gemacht. Als Jesse zu mir gerannt kam - verschwitzt, verzweifelt, besorgt - und mir erzählte, was mit Ethans Hand passiert war, war ich echt aus dem Häuschen. Er hatte mir so leidgetan, ich konnte mir nicht ausmalen, was für Schmerzen er hatte ...

Wow, ich dachte echt viel über den Jungen nach, dessen Nachnamen ich nicht einmal kannte.

Ich würde ihn wohl näher kennenlernen, wenn wir uns zum Kaffee treffen würden ... Schon morgen ... Mit Ethan ...


Als ich in meinem Wohnheim ankam und in mein Zimmer ging, hockte schon Rebecca in ihrem selbstgemachten Hängebett und funkelte mich an.

„Na, wie war's bei deinem Lover?"

Ach, Becca ... Seit ich Ethan das erste Mal sah, erwähnte ich ihn auch häufig, wenn wir von Jungs und so sprachen. Sie verdrehte immer die Augen und wollte dann das Thema wechseln. Seit dem Lauschangriff von Ethan, war sie noch viel genervter, wenn ich von ihm redete. Sie stand auf und ging eine rauchen oder schlafen. Sie hat ihn wirklich gehasst ...

„Er ist nicht mein Lover, Bec ... Ich hab doch nur auf ihn aufgepasst."

„Ziemlich lange, muss ich schon sagen" - diesmal verdrehte ich die Augen und ging zu meinem Kleiderschrank, um mir normale Klamotten anzuziehen - „habt ihr miteinander geschlafen oder was?"

„Nein, unsere Beziehung geht noch nicht so weit ... ", scherzte ich und setzte mich neben sie hin.

„Ich hab das Gefühl, du verfällst ihm langsam, Liv." (Liv ist übrigens mein Spitzname)

„Wie kommst du denn darauf? Ich kenne ihn doch kaum."

„Nun, du sprichst nur noch von ihm, wenn wir beim Thema Jungs sind. Wenn du seinen Namen erwähnst, wirst du ganz rot im Gesicht und sprichst wie Minnie Maus weiter ..." - Das stimmte nicht! - "Und oftmals hast du versucht, mich zu überreden, in der Cafeteria zu ihm und seinem neunmalklugen Freund zu setzen."

Ich sagte nichts, sondern dachte darüber nach, dass sie recht hatte. Ich sollte wirklich aufhören, von ihm zu reden. Ich hatte viel Wichtigeres am Hals ...

Da fiel mir siedend heiß ein, dass ich meine Hausarbeiten zum Einführungskurs in Literatur noch machen musste. Ich hatte heute nämlich meine erste Vorlesung!

Ein kleiner Einblick: Mein Dozent hieß uns Neulinge herzlich willkommen und wollte von uns wissen, warum wir als Hauptfach Literatur gewählt haben. Ich erzählte ihm von meiner Vorliebe für klassische und moderne Romane, wobei ich mich in letzter Zeit mehr den moderneren Kitschromanen gewidmet hatte. Ich hatte es irgendwie unbewusst geschafft, mich dem Hype an Das Schicksal ist ein mieser Verräter  von John Green anzuschließen.

Ich hatte drei ganze Tage für dieses Buch verschwendet. Und es war wirklich ein wahrhaftiger Kitschroman ... Mich hat zwar die bewegende Geschichte berührt, jedoch fand ich die Art, wie der Autor das Buch geschrieben hat, sehr kindisch und klischeehaft.

Jedenfalls setzten wir uns dann mit der allgemeinen Literatur und mit den großen Schriftstellern wie Ernest Hemingway und Jane Austen auseinander.

Als Hausaufgabe sollten wir Liste von Sachbüchern zur Literatur und Romanen klassischer Autoren zusammenstellen.

Ich setzte mich an meinem Schreibtisch, auf dem bereits mein Stundenplan angeklebt war und persönliche Fotos in Bilderrahmen aufgestellt waren. Eins davon war bei meinem Schulabschluss. Meine Eltern umarmten mich und ich lächelte schief, weil mein Barrett fast von meinem Kopf fiel. Das andere Foto war mit mir und meinem Bruder Wayne. Ich vermisste ihn sehr. Ich vermisste seine Albernheiten, die er mit mir gemacht hat. Er hatte mir versprochen, mich so oft es ging anzurufen und mit mir zu skypen. Ich hoffte wirklich, er würde mich bald auch besuchen kommen und mir von seinem Leben und Neuigkeiten von Zuhause und von der Schule berichten.

Ich legte meine Tasche auf den Schoß und holte meine Unterlagen heraus. Anschließend nahm ich meinen Notebook zur Hand und begann mit meinen Hausarbeiten.

Nachdem ich schon einiges fertig hatte, surfte ich noch ein wenig auf Facebook, wo mir eine neue Nachricht ins Auge fiel.

Eine neue Nachricht von Ethan Hensley ...

Oh Gott ... was ging plötzlich mit mir vor?

Ich bekam eine Gänsehaut, die sich über meinem gesamten Körper erstreckte. Wie unheimlich ...

Schmunzelte ich etwa?

„Was ist denn mit deinem Gesicht?", fragte Rebecca plötzlich erstaunt. Ich wusste nicht, was sie damit meinte.

Bevor ich etwas sagen konnte, kam sie mir zuvor: „Du bist ja rot wie eine Tomate!"

Ich konnte es nicht glauben ... Wie konnte eine Nachricht bei mir eine irre Gänsehaut und ein rotes Gesicht auslösen?

Ich beachtete Rebeccas Verwunderung nicht weiter und wendete mich wieder der Nachricht zu. Sofort öffnete ich sie und las sie mir intensiv durch.

Hi, Olivia! Ich wollte mich noch einmal bei dir bedanken. Ich weiß, dass ich mich schon genug bedankt hab, aber ich hätte nie gedacht, dass mir jemand derart geholfen hätte, den ich nicht einmal richtig kannte. Also danke, danke! Wir sehen uns dann morgen! ♥♥♥

Ich lächelte unentwegt. Es war für mich einfach überwältigend.

Ich klappte mein Notebook schnell zu und verkroch mich sofort in mein Bett.

„Olivia, ist mit dir alles okay?", fragte Rebecca.„Du wirkst total komisch, bist du verknallt oder so?"

Ich fing an wie eine verrückte Girly zu kichern, was zu mir keineswegs passte, und antwortete:

„Ich weiß auch nicht ... "

American College StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt