#14 - Wie gewonnen, so zerronnen ...

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Ethan Hensley


Ich kaute grundlos an meinem Bleistift herum und schaute abwechselnd auf meine Hausarbeiten und meinen Laptop.

Ich sollte eigentlich meine versäumten Sachen vom Einführungskurs nachholen, da ich ja von meinen "Verbindungsbrüdern" davon abgehalten wurde.

Meine Hand haben sie verbrannt! Und das vor meinem ersten Vorlesungstag!

Ich hätte mich nie auf diesen Schwachsinn einlassen sollen, das war einfach nur verantwortungslos und dumm von mir.

Aber ich sollte mich glücklich schätzen, dass ich Leute an meiner Seite hatte, die mich unterstützt und gepflegt haben.

Jesse kann ich nicht genug danken. Er hat mir noch geholfen, bevor die Krankenschwester kam. Er gab mit seinen medizinischen Fähigkeiten sein Bestes und hat es geschafft. Seine Mutter wäre sehr stolz auf ihn gewesen. Ich kann mir vorstellen, wie sich Jesse nach ihrem Tod gefühlt haben muss. Das hier war ja gar nichts ...

Und dann wäre da noch Olivia ...

Ich konnte nicht aufhören daran zu denken, wie sie auf meinem Bett saß und mir Gesellschaft leistete. Ihre Anwesenheit ließen mich meine Schmerzen vergessen. Sie ist einfach wundervoll ...

Ich fand, dass unsere gemeinsame Verabredung die Möglichkeit war, sie näher kennenzulernen. Und morgen war es soweit. Nach meiner ersten Vorlesung, die eigentlich heute stattfinden sollte.

Dabei bemerkte ich den kleinen Berg aus Arbeitsbögen vor mir liegen. Ich musste den verpassten Stoff nachholen, aber es waren nur Einführungsbögen zum Thema Rechtswissenschaft, was ich ja studiere. Dazu kamen noch Fragebögen zum Thema Literatur, was ich im Nebenfach studiere.

Ich setzte mich an meinem Schreibtisch und erledigte meine Aufgaben, während ich die ganze Zeit an die Verabredung denken musste. Diese Gedanken hielten mich total vom Arbeiten ab und blieben bis zum Abend in meinem Kopf.

Als ich endlich mit meinen Aufgaben fertig war, war es inzwischen kurz vor Sieben. Da erst morgen mein erster Vorlesungstag war und ich danach ja ein wunderschönes Mädchen treffen musste, begab ich mich in die Dusche.

Glücklicherweise war kaum jemand in der Gemeinschaftsdusche, also konnte ich in Ruhe eine Dusche nehmen und wieder verschwinden, und musste nicht unangenehme Blicke oder Fragen von Studenten ertragen.

Als ich in eine Kabine ging und das Wasser anstellen wollte, bemerkte ich, dass meine Hand noch verbunden war. Da ich sie lieber nicht abbinden wollte, nahm ich die kleine Plastiktüte, in der meine Duschsachen drin waren, und wickelte sie um meine Hand. Dann begann ich zu duschen.

Nach zehn Minuten stellte ich das Wasser ab, packte meine Sachen wieder ein, wickelte mir ein Handtuch um und bog in die Umkleidekabine ein, als ich plötzlich hörte, wie eine Schließfachtür zugeknallt wurde.

Langsam schlich ich mich in die Umkleide, wo sich ein Student, mit dem Rücken zu mir gewandt, seine Schuhe zuband.

Ich hatte ihn nicht reinkommen hören, aber vielleicht hatte er sich nach einem Footballspiel einfach schnell Wasser ins Gesicht gespritzt.

Ich tappte behutsam mit den Füßen in Richtung Schließfächer. Ich kam mir dabei total blöd vor, denn ich hätte wie ein normaler Mensch auch 'Hey' sagen können.

Doch er hatte mich bereits gehört und drehte sich um.

Nein. Ernsthaft?

Wieso unbedingt er?

Und dabei war ich so blöd, ihn nicht an seiner Haarfarbe zu erkennen, dann wäre ich sofort wieder umgekehrt.

Meine Hand schmerzte, wenn ich ihn nur ansah.

„Hi, Mann", sagte Drew mit neutraler Miene und starrte abwechselnd auf meine Hand und auf mich. Ich war mir ziemlich sicher, einen kleinen Seufzer von ihm gehört zu haben.

Reue? Ich hoffte es doch.

Ich begann mit der Unterhaltung noch bevor er es tun konnte.

„Ihr habt Glück, dass ich meine Hand noch bewegen kann. Sie hatte sich entzündet. Und wahrscheinlich auch die der anderen Mitglieder, aber vielleicht nicht so schlimm wie bei mir. Ich konnte dank euch nicht zu meinem ersten Vorlesungstag erscheinen. Dabei studiere ich Jura im Hauptfach. Ich habe für dieses Ziel, für diesen Platz am College meinen Arsch aufgerissen und hätte nie geahnt, dass ich das alles nur wegen euch ruiniere. Dabei war eigentlich ich der Idiot. Bevor ich hierher kam, hab ich mir immer wieder befohlen, mich von euch Leuten fernzuhalten. Aber meine Einfalt hatte mich leider umgestimmt. Es tut mir leid."

Es herrschte kurzes Schweigen. Drew starrte auf den Boden. Er dachte wohl über meine Worte oder über sein Verhalten nach. Oder auch nicht.

„Es tut mir leid, was passiert ist. Du musst nur wissen, dass du nicht der Einzige bist, der für die Aufnahme in die Verbindung, Schmerzen erleiden musste. Das ist Tradition, die über Jahre hinweg besteht. Ich hoffe, deiner Hand geht es allmählich wieder besser. Ich wollte nämlich gleich hochkommen und dich daran erinnern, dass die nächste Aufnahmeprüfung morgen um 16 Uhr in der Main Library, in der Hauptbibliothek, stattfindet. Aber ich kann dich beruhigen, es wird weniger schmerzhaft ..."

Mit diesen Worten schnappte er sich seine Sporttasche und verzog sich langsam, aber ich hielt ihn noch schnell auf. „Moment mal!"

Ich glaube, ich hatte mich verhört. Da hatte ich klipp und klar deutlich gemacht, dass ich mit dieser Scheiße fertig war, und er kam mit einer wichtigen Erinnerung zum nächsten Aufnahmetermin.

„Willst du mich verarschen?", polterte ich, „Hast du etwa nicht zugehört? Ich bin durch, das war's! Ich habe einen Ruf zu verlieren."

„Oh, du hast aber eben nicht gesagt, dass du mit uns fertig bist. Du hast nur über deine Hand und deinen Ruf gejammert und deinen Standpunkt uns gegenüber klargemacht. Und du kannst uns nicht mehr verlassen. Dein Blut klebt jetzt an unseren Händen."

Ich hatte mich wohl verhört ...

„Auf gar keinen Fall trete ich weiterhin eurer Verbindung bei! Ihr habt doch einen Schuss!"

Das machte ihn ein wenig verärgert, denn er kam auf mich zu und hielt mir seine Faust vors Gesicht. War er irre?

„Wir haben keinen Schuss, klar?", sagte er, seine Verbindungsbrüder verteidigend. „Wir befolgen nur die Regeln, wir zeigen den Leuten, die dazugehören wollen, ihr neues Zuhause, von Generation zu Generation. Sie gehen das Risiko ein, ihre Hände zu verbrühen, damit sie aufgenommen werden. Du bist ebenfalls dieses Risiko eingegangen. Du wolltest dabei sein! Du hast mit den anderen auf uns gewartet! Du hast uns dein Blut überlassen! Du warst einverstanden, dich ewig an uns binden zu lassen! Du hast das alles zugelassen! Also sag ja nicht noch einmal, dass WIR einen Schuss haben! Den hast nämlich du!"

Er hatte mich inzwischen an die kalten Schließfächer getrieben, die meinen nackten Rücken berührten. Aber es war nicht dieses kalte Metall, dass mir eine Gänsehaut bereitete. Es war auch nicht Drews Wutausbruch. Es waren seine eiskalten Worte, die mich trafen und mich nachdenklich machten.

Er hatte vollkommen recht ... mit allem! Ich war hier der Mistkerl, der all das zugelassen hat. Und das alles nur wegen einem Mädchen. Wegen Olivia.

Ich blieb weiterhin stumm und starrte in Drews rasenden Augen. Langsam entfernte er sich von mir und ging im Rückwärtsgang mit seiner Tasche aus der Umkleide.

„Morgen, 16 Uhr", erinnerte er mich noch, „wenn du ohne einen triftigen Grund nicht auftauchst, ... dann kriegst du ernsthaft Probleme."

Und damit verschwand er.

Nun war ich alleine im Raum. Ich hatte noch immer mein Handtuch um, also zog ich mich gedankenlos an.

Als ich dann aus der Umkleide verschwand, ging ich in kurzen Schritten durch die leeren Flure. Noch vor zwanzig Minuten dachte ich über meinen nächsten Tag in der Vorlesung und über die Verabredung mit Olivia nach.

Jetzt waren diese Gedanken erloschen. Einfach weg, wie vom Wind ergriffen. Der einzige Gedanke mit Olivia, der mir durch den Kopf kreiste, war die nie stattfindende Verabredung mit ihr am morgigen Nachmittag ...

Denn da hatte ich meine nächste Aufnahmeprüfung ...

American College StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt