#19 - Rache

26 4 0
                                    

Olivia Grace Callahan




Ich stürmte hinaus. Einfach hinaus. Ich schaute nicht nach hinten.

Die Peinlichkeit in dem Moment, als wir uns küssen wollten, hätte mich fast umgebracht.

Ich konnte zwar nicht wissen, ob ich rot wurde, aber ich fühlte mich momentan wie eine Tomate. Wie eine peinlich gerührte Tomate.

Als ich draußen ankam, holte ich so tief Luft, wie noch nie, und machte meinen Hirn frei für neue Gedanken.

Oh mein Gott! Ich hätte ihn beinahe geküsst! Wir waren so nahe dran vor dem Moment der endgültigen Entscheidung. Der Entscheidung, dass er mich genau so wollte, wie ich ihn. Was bin ich nur für eine Idiotin?

Ich wusste selbst nicht einmal, ob ich ihn wollte oder nicht, weswegen ich heilfroh war, dass es nicht zum Kuss gekommen ist ... Obwohl es eine schöne Erfahrung gewesen wäre ...

Ja, ich hatte noch nie jemanden geküsst. Es kam einfach nie dazu. Es gab eben nie Mistelzweig-Momente zwischen mir und irgendwelchen Jungs, die ich mal mochte.

Jetzt, wo ich meine Gedanken im Kopf hatte, machte ich mich auf den Weg zu meinem Wohnheim.

Die Sonne verschwand inzwischen im Horizont und der Campus war menschenleer. Die Laternen an allen Ecken flackerten allmählich, um das Ende des Tages zu verkünden, und für mich war es an der Zeit einige Hausarbeiten zu erledigen. Der Tag heute war sehr anstrengend aber auch sehr ereignisreich. Für Ethan war es die reine Qual, aber wir konnten glücklicherweise einiges für ihn bessern. Ich hoffte, er würde damit zurechtkommen.

In meinem Zimmer angekommen, lag schon Rebecca in ihrem Bett. Sie schien sehr erledigt zu sein. Das konnte ich echt nachvollziehen.

„Bist du okay?", fragte ich sie und setzte mich erschöpft aufs Bett.

„Ja", antwortete Rebecca tonlos. „Bitte tu mir den Gefallen und beweg' mich nie wieder zu so einer lächerlichen Aktion. Wenn dein Freund noch einmal in Schwierigkeiten steckt, dann such dir jemand anderen, der ihn mit dir aus der Patsche hilft."

Sie drehte sich von mir weg und versank in ihrem Handy. Ich sagte nichts, weil ich sie vollkommen verstand und sie nicht wieder zu etwas derartigem wie heute überreden wollte.

Aber ich fand, dass dies auch nicht mehr nötig war, da Ethan nun von körperlichen und psychischen Belastungen bei Kappa Alpha befreit war.

Gott, er ging mir echt nicht aus dem Kopf ... Auch wenn es zwischen uns beinahe zärtlich wurde, fand ich, dass es Zeit war, ihn in meinem Kopf in die Ecke zu setzen.

Ich pflanzte mich aufs Bett, nahm mein Buch für den Literaturkurs hervor und begann zu lesen.

Rebecca hatte sich bereits ihre Kopfhörer aufgesetzt und hielt träge die Augen offen.

Nach einer ganzen Weile schaute ich von meiner Lektüre hervor und bemerkte, dass ich ganze zwei Stunden durchgelesen habe. Ich hielt den Rekord zwar bei sechs Stunden, als ich mit zehn Jahren einen Stephen-King-Schinken vor mir hatte, aber irgendetwas hatte mich gerade vom Lesen abgelenkt.

Ich blickte zu Rebecca rüber, die bereits tief und fest schlief, und dachte schon, sie hätte mich wegen ihrem Schnarchen aufsehen lassen, bis plötzlich wieder ein Geräusch ertönte.

Es kam von der Türklinke, die eigenartig ruckelte. Erschrocken sprang ich von meinem Bett auf, um nachzusehen, wer an unserer Tür herumspielte, als sie mit einem plötzlichen Ruck aufging.

Ich verkroch mich, so schnell ich konnte, in mein Bett und zog mir die Decke übers Gesicht. Vollkommen starr vor Angst und ratlos, wer der Eindringling sein könnte, blieb ich mucksmäuschenstill.

American College StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt