#16 - Die Informantin

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Nachdem ich den Zettel zehn Mal durchlas, wurde mir erst jetzt klar, dass Ethan es ernst meinte und dass er wirklich in Schwierigkeiten steckte. Bei seiner ersten Prüfung bei den sadistischen Verbindungsleuten wäre er wegen seiner verbrannten Hand fast gestorben. Ich konnte mir nicht vorstellen, was sie ihm jetzt alles antun würden.

Ich trat in mein Zimmer ein, wo Rebecca auf ihrer Hängematte hockte und ein Buch las.

„Na Prinzessin?", begrüßte sich mich breit grinsend, „Wie lief dein "Treffen" mit deinem Traumprinzen, du bist ja so schnell wieder da?"

Ich legte meine Tasche ab und hing meine Klamotten auf, während ich mit ihr redete.

„Er ist nicht gekommen ... ", sagte ich schließlich und wusste, wie sie gleich reagieren würde, aber sie musste ja auch den Grund dafür verstehen.

„Das ist nicht Ernst, oder?" Sie richtete sich sofort auf und legte das Buch beiseite. „So ein Arsch! Ich hab dir doch gesagt, dass Männer wie er nur Ärger bedeuten."

Ich antwortete ihr nicht, sondern übergab ihr den Zettel, der sich selbst erklären ließ. Als sie sich den Zettel durchlas, schüttelte sie bloß den Kopf. Aber nicht schockiert oder fassungslos. Sondern eher ... gleichgültig.

Meine Vermutung ergab sich als korrekt, denn Rebecca schien davon überzeugt zu sein, dass Ethan es mit seiner Lage nicht ernst meinte.

„Du denkst, dass er das alles nur erfindet?", fragte ich bestürzt. „Vielleicht sollte ich dich daran erinnern, wie er bereits nach seiner ersten "Aufnahmeprüfung" mit einer entzündeten Hand in die Notaufnahme musste. DU und ich haben vor seinem Bett gesessen. Du warst doch genauso schockiert wie ich?"

„Ja, ich erinnere mich. Ich hatte ja auch Mitleid mit ihm ... irgendwie. Aber als du mir von seiner Einladung erzählt hast, wusste ich, dass er dich nur herumkriegen wollte. Ich weiß, das hört sich blödsinnig an, aber vertrau mir. Ich bin hier schon länger als du und kenne mich mit solchen Typen aus. Es gibt eine Menge hier, die Jagd auf frische Beute machen, besonders die Idioten bei Kappa Alpha."

„Ich weiß, dass generell die Leute in solchen Verbindungen nur Schwachköpfe sind, aber Ethan ist keiner von denen, da bin ich mir sicher. Er will von denen doch nur in Ruhe gelassen werden. Du hast doch gesagt, dass du diese Verbindung schon gut kennst? Stell dir doch mal vor, was die wohl jetzt machen ... mit Ethan ... "

Damit konnte ich ihre Aufmerksamkeit gewinnen, denn sie schaute plötzlich nachdenklich in die Leere. Ich wusste nicht, was sie dachte, aber ich hoffte, sie würde über meine Worte nachdenken und mir irgendwie dabei helfen, Ethan aus seiner schlimmen Lage zu befreien.

Bevor ich nach ein paar Minuten die Stille im Zimmer unterbrechen wollte, kam Rebecca mir schon zuvor und meinte:

„Holen wir ihn da raus. Das wird ein Spaß." Sie zeigte ein leichtes hämisches Grinsen, was ich an ihr sehr ungewöhnlich fand, aber in dieser Situation war ich froh, dass sie so reagierte.

„Gut", sagte ich dann. „Zuerst müssen wir herausfinden, wo die Verbindung Ethan gefangen hält. Hast du eine Idee?"

„Ich nicht, aber jemand anderes", antwortete sie, noch immer diabolisch lächelnd. „Darcy aus meinem Mediengeschichtskurs ist sozusagen ein 'Groupie' der Verbindung, wenn du verstehst, was ich meine ... Und sie hat immer alle Daten zu kommenden Veranstaltungen und Partys, die die Verbindung organisiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie auch weiß, wo die Prüfung mit Ethan stattfindet."

Innerlich musste ich würgen. Diese Darcy habe ich schon öfters auf dem Campus rumhängen sehen und sie wohnt eine Etage über mir. Ich urteile eigentlich nie über Menschen, die ich nicht kenne, aber Darcy musste man einmal nur ansehen und man hatte gleich das Bedürfnis, ihr eine zu scheuern.

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