Nervenzusammenbruch

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Draco Malfoy war schlimmer verletzt, als Zoeyerwartet hätte. Sie hatte ihm mehrere Knochen gebrochen und er hattesogar eine innere Blutung erlitten, die von Snape rechtzeitiggestillt wurde. Ohne Snape wäre er verloren gewesen. Er hättesterben können.

Nachdem Zoey dies erfahren hatte, rannte sie insnächste Mädchenklo und stützte sich schwer atmend an einemWaschbecken ab. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.

Wie konnte sie es nur so weit kommen lassen?!

Sie schaute in den Spiegel über dem Waschbecken.Sämtliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Mit ihrensilberblonden Haaren hätte man meinen können, dass sie eine weißeStatue sein könnte, wenn da nicht ihre tiefblauen Augen gewesenwären, die voller Verzweiflung und Verwirrung blickten.

Sie hätte diesen Jungen fast umgebracht ...

Sie schloss ihre Augen, da sie ihren eigenen Anblicknicht länger ertrug. Sie kam sich so schäbig vor ... wie einMonster. War sie ein Monster?

Wenn Albus nicht eingeschritten wäre ... wann hättesie überhaupt aufgehört?

Lag Albus vielleicht doch richtig mit seinenVermutungen? Wollte sie Malfoy wirklich ... „Töten ...zerreißen ... zerfetzen ... so hungrig ..."

Okay, jetzt musste Zoey wohl endgültig den Verstandverloren haben! Nun hörte sie auch noch Stimmen im Kopf! „Natoll", schnaubte sie. Das hatte ihr gerade noch gefehlt ...

Ihr ganzer Frust staute sich in ihr auf. Sie hattedas Gefühl, jeden Moment zu platzen. Wieder sah sie in den Spiegel ...Was war das?! Sie blinzelte vor Schreck. Ihre Augen hatten sich füreine Sekunde verändert! Sie waren lila ... nein, rot ... irgendwiepurpurrot gewesen und sie hatten geglüht! Doch im nächstenAugenblick waren sie wieder normal.

Sie war wahnsinnig, oder? Sie musste irgendeinepsychische Störung haben, das musste Albus ihr die ganze Zeitverheimlicht haben!

Schreiend rammte sie ihre Faust in den Spiegel. Erzersprang in Millionen von winzig kleinen scharfen Scherben. Es wareine riesige Sauerei.

Keuchend verbarg sie ihr Gesicht in den Händen, bissie nach einer gefühlten Ewigkeit wieder zur Ruhe kam, mehr oderweniger. Sie reparierte den Spiegel magisch und spülte ihr Blut miteinem Wasserstrahl weg, der aus ihrem Zauberstab gesprudelt kam.

Ihre Hand verarztete sie jedoch nicht. Sie verdientees, den Schmerz zu spüren. Er sollte sie daran erinnern, wie weitsie die Grenze überschritten hatte.

***

„Hey Zoey, kann ich mal mit dir reden?"

„Klar, Hermine, jederzeit", lächelte Zoey.

„Ich will dir jetzt nicht zu nahe treten, aber duhättest Malfoy nicht so zusetzen sollen. Schon gar nicht erst fürmich. Für so eine Kleinigkeit ... Ich wusste bis vor Kurzem nichtmal, was das Wort überhaupt bedeutet. Du und die anderen, ihr nehmtdas viel zu ernst", fand Hermine. „Ich weiß, du hast es nur gutgemeint. Du wolltest mich verteidigen, aber es war wirklich nichtnötig. Bitte versprich mir, sowas nie wieder zu machen. Zumindestnicht für mich."

„Okay, versprochen", seufzte Zoey.

„Außerdem hat sich Malfoy bei mir entschuldigt",gab Hermine kleinlaut preis.

„Wie bitte? Wann?", fragte Zoey ehrlichverblüfft.

„Ich habe vorhin mal kurz im Krankenflügel vorbeigeschaut", gestand Hermine. „Ich hab mich mies gefühlt, weilsein Zustand auch zum Teil meine Schuld ist. Ich glaube diese ...Nahtoderfahrung ..." Zoey zuckte unwillkürlich bei HerminesWortwahl zusammen. „... hat ihn ein wenig verändert. Er ist zwarimmer noch Malfoy, aber er ist nicht mehr ganz derselbe."

„Er hat sich ehrlich bei dir entschuldigt?",fragte Zoey ungläubig nach.

„Ja, hat er. Ich war auch geschockt. 'Es tut mirLeid, Granger. Ich hätte sowas nicht zu dir sagen sollen.' Ichdachte, ich träume oder so, aber nein, er hat es wirklich gesagt."

Zoey sprang von ihrem Stuhl auf und ging zügigdavon. Hermine rief noch ein paar Mal nach ihr, doch Zoey reagiertedarauf nicht.

Ehe sie sich versah, war sie im Krankenflügelangekommen.

„Zoey!", rief Madam Pomfrey missbilligend.„Professor Dumbledore hat dir doch verboten ..."

„Bitte, ich will nur kurz mit ihm reden!"

„Na gut, aber ich lasse dich keine Sekunde aus denAugen!", wurde Zoey gewarnt.

„Schön, mach doch", murmelte Zoey bloß und tratzu dem Bett, in dem Draco Malfoy lag. Er trug mehrere Verbände amKörper. Sein Gesicht sah fast so gut wie neu aus. SämtlicheSchwellungen und Rötungen waren abgeklungen.

„Was machst du denn hier?!", fragte ererschrocken, nachdem er aufgewacht war.

„Du hast dich bei Hermine entschuldigt", sagteZoey nur.

„Ja, das habe ich", erwiderte Malfoy.

„Und wieso? Hast du dir gedacht, dass du mal was andeinem Verhalten ändern solltest, nachdem dir klar geworden ist,dass du angegriffen werden kannst, ohne dass dir jemand zur Hilfekommt, obwohl Dutzende von Schülern dabei stehen? Ist dir da bewusstgeworden, wie unbeliebt du außerhalb deines Hauses bist, was du dirselbst zuzuschreiben hast? Wenn du dich nicht ständig so ..."

„Ich habe mich bei Granger entschuldigt, weil esdas Richtige zu sein schien", unterbrach Malfoy sie. „Snape undPomfrey haben mir gesagt, wie knapp es bei mir war ... Ich wär fastdrauf gegangen, verdammt! Mir war vorher nie klar, wie kurz das Lebensein kann. Wenn ich jetzt echt gestorben wär, als was hätte manmich in Erinnerung gehalten?! Der zwölfjährige verhasste Slytherin,der immer wieder das Maul zu weit aufreißt und die anderen Schülerständig schikaniert hat? Wow, wirklich toll ...

Ich möchte nicht, dass man sich so an mich erinnert.Ich will mich ändern. Ich will nicht behaupten, dass ich jetzt einmeganetter Kerl werde, aber ich will versuchen, ein besserer Menschzu sein als vorher ...

McGonagall hat meine Eltern informiert. Sie sindausgesprochen wütend, aber ich habe es geschafft, die beiden zuüberreden, die Sache ruhen zu lassen. Du kriegst also keinen Ärger."

„Wie? Du willst mich ungeschoren davon kommenlassen?", sackte Zoey in dem Stuhl neben dem Bett zusammen. „I-Ichhätte dich fast umgebracht! Du müsstest mich abgrundtief hassen!Meinetwegen hätte dein Leben jetzt schon enden können!"

„Du hast deine Freundin verteidigt. Du hast getan,was jeder gute Freund tun würde. Klar, du hast etwas über das Zielhinaus geschossen, aber sagen die Muggel denn nicht, dass der Zweckdie Mittel heiligt? Du warst brutal und rücksichtslos, aber duhattest wenigstens einen Grund. Ich mache den anderen das Lebenschwer ohne guten Grund, einfach, weil es Spaß macht."

„D-Du ... ich ... willst du damit sagen, dass dumir verzeihst?" Zoey konnte es kaum fassen. Spielte sich das geradewirklich ab?

„Ja", nickte er.

Zoey und Malfoy wurden zwar nie so richtig zuFreunden, aber nach dieser Unterhaltung hatten sie eine friedlicheBasis zueinander gefunden, die auf gegenseitiger Akzeptanz beruhte.


Ashes to AshesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt