Kleine Verspätung

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Ein neues Schuljahr begann in Hogwarts. Die Erstklässler wurden in ihre Häuser eingeteilt. Harry Potter war schon ganz neugierig, in welches Haus der Sprechende Hut ihn stecken würde. Hoffentlich würde es nicht Slytherin sein.
Professor McGonagall las die Namen der Erstklässler nach alphabetischer Reihenfolge von einer langen Pergamentrolle vor.
Nachdem Millicent Bulstrode in Slytherin eingeteilt wurde, wollte Professor McGonagall den nächsten Namen vorlesen, doch plötzlich erhob sich Albus Dumbledore höchstpersönlich. „Lassen Sie sich nicht stören, Minerva, ich wollte Sie lediglich darauf hinweisen, dass die nächste Erstklässlerin ein wenig später kommt. Sie können mit dem Namen, der danach kommt, fortfahren."
Professor McGonagall nickte kurz. „Finch-Fletchley, Justin!", rief sie dann auf.
„Wie kann man zu seiner eigenen Einschulung zu spät kommen?", murmelte Hermine Granger leise vor sich hin.
„Da hat sie schon irgendwie Recht", flüsterte Ron Harry zu. „Wer diese Erstklässlerin wohl ist ..."
„HUFFLEPUFF!"
„Finnigan, Seamus!"
Nach fast einer Minute rief der Hut: „Gryffindor!"
„Granger, Hermine!"
„Oh Gott", entfuhr es Hermine, bevor sie sich eilig zum Stuhl begab und sich den Hut schnell aufsetzte.
„GRYFFINDOR!"
„Och, nö ...", stöhnte Ron.
„So schlimm ist sie doch gar nicht", meinte Harry.
„Ist das dein Ernst? Sie ist voll die Besserwisserin", schnaubte der Rotschopf.
„Longbottom, Neville!"
Der Junge, der ständig seine Kröte verlor, stolperte zum Stuhl. Nachdem der Hut bekannt gegeben hatte, dass er nach Gryffindor gehörte, war er mit dem Hut auf seinem Kopf drauf losgerannt zum Haustisch der Gryffindors. Alle lachten, während er den Hut wieder zurück brachte.
Der Hut hatte diesen Idioten Malfoy nach Slytherin geschickt, kaum hatte er seinen Kopf berührt.
Als nach einer Weile Harry endlich aufgerufen wurde, war natürlich jeder im Raum gespannt, in welches Haus Harry Potter wohl kommen würde.
Nach einer gefühlten Ewigkeit rief der Hut schließlich: „Gryffindor!" Natürlich wusste keiner außer Harry, was die eigentlichen Absichten des Hutes gewesen waren.
Harry erhielt den lautesten Beifall. „Wir haben Potter! Wir haben Potter!", riefen die Weasley-Zwillinge immer wieder.
Harry freute sich natürlich, als Ron schließlich auch nach Gryffindor gesteckt wurde.
Nachdem der letzte Schüler sich zu den Slytherins setzte, dachte Harry, es wäre endlich vorbei. Doch er hatte ganz vergessen, dass noch eine Erstklässlerin offen war.
„Ich werde mal schauen, wo sie steckt", seufzte Professor Dumbledore und löste sich dann in Luft auf.
„Wow, wo ist er hin?", brachte Harry voller Staunen hervor.
„Er ist appariert", meinte Hermine. „Aber wie kann das sein? Apparieren ist doch in Hogwarts nicht möglich. Vielleicht liegt es daran, dass er der Schulleiter ist ..."
Bevor Ron seinen Senf dazu geben konnte, war Professor Dumbledore auch schon wieder zurück mit einem zierlichen elfenhaft aussehenden Mädchen. Sie hatte große blaue Augen und ihre langen gewellten Haare waren so hell, wenn nicht sogar noch heller, wie die von Malfoy.
Ein warmes Lächeln breitete sich auf der sonst so strengen Miene von Professor McGonagall aus. Professor Dumbledore setzte sich wieder an seinen Platz.
„Dumbledore, Zoey!", rief Professor McGonagall schließlich voller Stolz.
„Hat sie gerade Dumbledore gesagt?", entfuhr es Ron ungläubig.
„Professor Dumbledore hat sie adoptiert", gab Percy preis. „Sie war die Tochter irgendeines entfernten Verwandten von ihm. Sie hat ihre Familie bei einem schrecklichen Unfall verloren, als sie noch klein war. Sie erinnert sich nicht mal an sie."
„Und woher weißt du das alles?", erkundigte sich Hermine.
„Unser Dad hat es mal erwähnt", erklärte George. „Er arbeitet im Zaubereiministerium", fügte Fred hinzu. „Daher weiß Percy es."
Harry nickte bei der Information kurz, bevor er sich wie alle anderen wieder dem Geschehen zuwandte. Zoey Dumbledore saß nun auch auf dem Stuhl und hatte den Hut aufgesetzt bekommen. Der Hut ließ sich wirklich ausgiebig Zeit.
„Hat das bei mir auch so lang gedauert?", fragte Harry stirnrunzelnd.
„Bei dir hat das schon etwas länger gebraucht, aber bei der da dauert das ja eine Ewigkeit!", meinte Ron.
„GRYFFINDOR!", brüllte der Hut schließlich.
Kam es Harry nur so vor oder wirkte Professor Dumbledore einen Augenblick lang wirklich sehr überrascht?
Zoey hüpfte voller Freude vom Stuhl und umarmte Professor McGonagall überschwänglich, bevor sie den Hut abnahm und zum Gryffindortisch flitzte. Sie ließ sich zwischen Neville Longbottom und den Weasley-Zwillingen nieder.
Professor Dumbledore stand auf, blickte mit einem strahlenden Lächeln in die Runde und breitete die Arme weit aus. „Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts!", rief er. „Bevor wir mit unserem Bankett beginnen, möchte ich wie jedes Jahr ein paar Worte sagen. Die Erstklässler sollten beachten, dass der Wald auf unseren Ländereien für alle Schüler verboten ist. Wirklich für alle Schüler", betonte er und blickte zu den Weasley-Zwillingen. „Das heißt aber auch für dich, Zoey."
„Ja, hab verstanden", seufzte Zoey und verdrehte die Augen.
„Bist du deswegen zu spät gekommen?!" - „Du warst im Verbotenen Wald?!" - „Ohne uns?!", fragten die Zwillinge abwechselnd.
Als sie darauf bloß unbeeindruckt nickte, murmelten die beiden gleichzeitig: „Krass."
„Hausmeister Filch hat mich gebeten, euch alle daran zu erinnern, dass ...", fuhr Dumbledore unbeirrt mit seiner Rede fort.
„Was hast du dort gemacht?", wollte wirklich jeder am Tisch von Zoey wissen.
„Das geht keinen von euch was an", machte sie auf einmal vollkommen dicht.
„Ach, komm schon, erzähl!", flüsterte Ron drängend.
Zoey warf ihm bloß einen wütenden finsteren Blick zu.
„Zuguterletzt muss ich euch mitteilen, dass ab diesem Jahr der Korridor im dritten Stock, der in den rechten Flügel führt, für alle gesperrt ist, die nicht das Verlangen verspüren, eines äußerst qualvollen Todes zu sterben", endete Dumbledore in seiner Rede.
„Meint er das ernst?", fragte Harry nach einem Augenblick.
„Muss er wohl", sagte Percy stirnrunzelnd. „Aber das ist seltsam, denn für gewöhnlich sagt er uns, wieso wir irgendwo nicht hindürfen. In den Verbotenen Wald dürfen wir wegen den vielen gefährlichen Tieren nicht hinein. Das weiß auch jeder."
„Weißt du vielleicht mehr?", fragte George Zoey.
„Vielleicht", schob sie das Kinn trotzig vor.
„Aber du wirst natürlich nichts verraten", riet Fred.
„Ganz recht", lächelte sie zuckersüß.
Bevor die Zwillinge darauf etwas erwidern konnten, tauchten die Schlossgeister plötzlich an den Tischen auf. „Die neuen Gryffindors!", rief der Geist mit der komischen Halskrause erfreut. „Ich hoffe, ihr strengt euch an, dass wir dieses Jahr endlich mal wieder die Hausmeisterschaft gewinnen! Slytherin darf nicht schon wieder gewinnen! Der Blutige Baron macht sich permanent lustig über uns. Er ist der Hausgeist von Slytherin."
Alle blickten hinüber zum Tisch der Slytherins. Direkt neben Malfoy, welcher wenig begeistert dreinblickte, saß ein fürchterlicher Geist mit leeren stierenden Augen und einem ausgemergelten Gesicht. Sein Umhang war mit silbrigem Blut bespritzt.
„Wie hat er sich so mit Blut bespritzt?", fragte Seamus neugierig.
„Ich habe ihn nie gefragt ... Habe ich mich eigentlich schon vorgestellt? Sir Nicholas de Mimsy-Porpington, Hausgeist von Gryffindor, zu Ihren Diensten. Ich wohne im Turm."
„Sie sind doch der Fast Kopflose Nick! Meine Brüder haben mir von Ihnen erzählt!", platzte es aus Ron.
„Ich würde es bevorzugen, wenn Sie mich Sir Nicholas de Mimsy nennen würden", erwiderte der Geist pikiert.
„Wie kann man denn fast kopflos sein?", fragte Hermine skeptisch.
Er brummte leicht verärgert, bevor er an seinem linken Ohr zog. Sein ganzer Kopf fiel vom Hals, als ob er an einem Scharnier befestigt war und kippte ihm auf die Schulter.
„Nick, also bitte, ich esse gerade!", beschwerte sich Zoey.
„Ich bitte vielmals um Verzeihung, Miss Dumbledore!", entschuldigte sich der Fast Kopflose Nick, nachdem er seinen Kopf wieder zurückklappte.
„Übrigens, was den Blutigen Baron und das Blut an ihm angeht", wandte sich Zoey an Seamus. „Er hat Helena Ravenclaw, hier bekannt als die Graue Dame, umgebracht, weil sie seine Liebe nicht erwidert hat. Hinterher hat er es bereut und sich dann das Leben genommen, weil er mit der Schuld nicht klar gekommen ist. Helena sitzt dort drüben bei den Ravenclaws. Sie war die Tochter von Rowena, der Gründerin des Hauses."
„Wow, woher weißt du das alles?", fragte Hermine verblüfft.
„Ich habe die beiden gefragt", antwortete Zoey schulterzuckend.
„Ehrlich jetzt? Hast du denn gar keine Angst?", fragte Neville fassungslos.
„Wovor denn? Vor den Toten, die es nicht geschafft haben, los zu lassen und weiter zu gehen?", entgegnete Zoey. „Nichts für ungut, Nick ..."
„Autsch!", schlug sich Harry plötzlich die Hand auf die Stirn.
„Was hast du?", fragte Zoey verwirrt.
„Nichts", log er offensichtlich.
Auf die zweifelnden Blicke hin, versuchte Harry wohl von sich abzulenken. „Ähm, wer ist der Lehrer, der da mit Professor Quirrell redet?"
„Das ist Professor Snape", sagte ihm Percy. „Er unterrichtet Zaubertränke, aber jeder weiß, dass er auf Quirrells Job aus ist. Snape kennt sich richtig gut mit dunkler Magie aus."
Harry beobachtete Snape eine Weile, bis Zoey ihn aus seinen Gedanken riss: „Du bist also der berühmte Harry Potter. Albus hat mir alles über dich erzählt."
„Du nennst ihn Albus?", fragte Harry verwundert.
„Wie soll ich ihn sonst nennen? Daddy? Entfernter Verwandter? Mann, der mich zu sich aufgenommen hat?"
„Ähm ...", machte Harry unsicher, was er antworten sollte.
„Schon gut, vergiss es", winkte sie ab. „Okay, ich hau jetzt mal wieder ab. Albus wird jeden Moment aufstehen und euch alle in eure Betten schicken. Doch vorher wird er mit euch allen die Schulhymne singen wollen. Jeder nach seiner eigenen Lieblingsmelodie. Und das möchte ich mir nun wirklich nicht antun. Wir sehen uns."
Und dann stand sie tatsächlich auf und ging einfach. Natürlich blieb dies nicht unbemerkt, doch ehe jemand was dagegen hätte sagen können, war sie schon durch die große Tür verschwunden.
„Wahrscheinlich musste sie auf die Toilette", zog Dumbledore seine Schlüsse. „Wie dem auch sei ... Bevor wir jetzt gleich zu Bett gehen, singen wir die Schulhymne! Jeder nach seiner eigenen Lieblingsmelodie!"
***
„Passwort?"
„Caput Draconis", antwortete Percy.
Das Porträt der Fetten Dame schwang zur Seite. Die Erstklässler aus Gryffindor zwängten sich durch das Loch in der Wand. Der recht rundliche Neville brauchte dabei etwas Hilfe.
Sie fanden sich dann in einem gemütlichen runden Zimmer voll weicher Sessel und einem wärmenden Kamin wieder. Vor dem Kamin hockte Zoey mit den Weasley-Zwillingen zusammen.
„Ich glaub's ja nicht! Echt?", lachte Zoey begeistert.
„Klar, was glaubst du denn?", entgegnete Fred, ebenfalls lachend.
Percy räusperte sich laut. „Ihr solltet euch in eure Schlafsäle begeben. Es wäre unangebracht, gleich am ersten Schultag zu verschlafen."
„Hast du was gehört, Fred?", fragte George.
„Nein, du etwa?", fragte Fred. Nachdem George den Kopf verneinend schüttelte, wandte sich Fred an Zoey: „Du, Zo?"
„Nenn mich nicht so und nein, ich hab nichts gehört außer eure nervtötend gleichen Stimmen und das Knistern des Kamins."
„Hm, was meinst du, George? Ist unsere kleine Miss Dumbledore heute besonders zickig?"
„Du hast Recht, Fred, sie ist heute überaus launisch. Naja, liegt bestimmt nur an der ganzen Aufregung, weil sie jetzt eine richtige Schülerin hier ist."
„Gute Nacht, meine Idioten", verabschiedete sich Zoey und gab den beiden jeweils einen kurzen Schmatzer auf die Wange, bevor sie durch die Tür ging, die zu den Mädchenschlafsälen führte.
„George, ich glaube, die starren uns an."
„Du hast Recht, Fred. Voll unheimlich."
„Ihr seid Freunde?", platzte es aus Ron heraus, während Percy den anderen Erstklässlern die Schlafsäle zeigte.
„Eigentlich sind wir Brüder." - „Eineiige Zwillinge, um genau zu sein." - „Aber das weißt du doch, Ronnyleinchen ..."
„Ich denke, er spricht von Zoey und euch", ließ Harry seinen neuen besten Freund nicht hängen.
„Ach, die kleine mal bezaubernde, mal kratzbürstige, mal geniale Zoey Dumbledore? Sie wohnt wie Dumbledore hier im Schloss. Wir haben uns kennengelernt, als George und ich uns das erste Mal in die Schulküche geschlichen haben. Sie ist die Einzige, die uns wirklich unterscheiden kann. Wie sie das anstellt, weiß sie selbst nicht so genau. Das behauptet sie zumindest", erklärte Fred.
„Ab in eure Betten! Hopp, hopp!", rief Percy.
„Mann, Percy, wie kann man nur so uncool sein?" - „Aber echt mal!"

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