Mit dem Tod in Verbindung

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„Hallo Zoey, ich wollte mich bloß für letztes Malentschuldigen. Ich wollte dir auf keinen Fall zu nahe treten",meinte Luna.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen", entgegnete Zoeykopfschüttelnd. „Ich hab einfach überreagiert. Mach dir keinenKopf ..."

„Es freut mich, das zu hören ... Sag mal, was sind daseigentlich für Wesen, die die Kutschen hier ziehen?", erkundigtesich Luna neugierig.

„Was meinst du?", fragte George stirnrunzelnd dazwischen. „DieKutschen werden von nichts gezogen."

Die Jungs hatten ja keine Ahnung, fiel Zoey zum ersten Mal auf.Als sie sich damals zum ersten Mal in Hogwarts umgesehen hatte, hattesie auch die befremdlichen Tiere entdeckt und Albus daraufangesprochen. Er hatte ihr erklärt, dass es Thestrale waren und sieim Prinzip harmlos waren. Sie waren allerdings für jeden unsichtbar,der dem Tod noch nicht ins Auge geblickt hatte. Menschen, die einenanderen Menschen sterben sahen oder sogar selbst getötet haben.Solche Dinge hinterließen bleibende Spuren in der menschlichenSeele. Solche Erfahrungen veränderten einen Menschen dauerhaft.

Zoey hatte Albus gefragt, warum sie dann diese Kreaturen sehenkonnte. Er hatte zu ihr gemeint, dass sich ihr Unterbewusstsein wohlnoch an den Tod ihrer Familie erinnern konnte. Die Erinnerung lagtief in ihr drin vergraben. Sie war fünf gewesen, also geistigsoweit entwickelt, dass sie einigermaßen begriff, was da geschah.Harry war ja noch ein Baby gewesen, das kaum älter als ein Jahr war.Deswegen sah er die Thestrale nicht. Zoey hatte extra daraufgeachtet, ob er reagierte, wenn er an den Tieren vorbeilief. Nichts.

Zoey fiel ein, dass Harry am Ende des letzten bzw. erstenSchuljahrs doch Quirrell im Prinzip umgebracht hatte. Konnte er dieThestrale vielleicht jetzt auch sehen? Oder vielleicht zählteQuirrell nicht wirklich, weil er doch Einhornblut getrunken hat unddeswegen nur noch ein halbes Leben besaß? Vielleicht war er mitVoldemort auf seinem Hinterkopf einfach kein richtiger Mensch mehrgewesen, nicht ganz lebendig? Irgendwie untot oder sowas? Ob sichHarry wohl je darüber Gedanken gemacht hatte?

„Ich habe gesehen, wie die Kutschen von schwarzen abgemagertenPferden gezogen werden. Ich dachte zuerst, dass sie nicht genug zufressen bekommen, aber der große Wildhüter scheint ein netter Mannzu sein, also dachte ich mir, dass es keine gewöhnlichen Pferdesind", meinte Luna.

Luna konnte die Thestrale sehen. Aber das würde ja bedeuten ...„Du hast jemanden sterben sehen", stellte Zoey fest.

Luna nickte traurig. „Ja, meine Mutter. Ich war damals neun ...Soll das heißen, dass das Thestrale sind, die ich da gesehen hab?"

„Ja", bestätigte Zoey. „Du brauchst aber keine Angst vorihnen zu haben. Die meisten Leute halten sie für böse Omen, die mitdem Tod in Verbindung stehen. Klar, sie können nur von denen gesehenwerden, die dem Tod ins Auge geblickt haben, aber die Thestrale ansich tun dir nichts. Sie sind eigentlich ziemlich nützlich. Siekönnen fliegen."

„Warum hast du uns vorher noch nie davon erzählt?", fragteFred, der wie George und Neville ziemlich geschockt aus der Wäscheschaute.

„Ihr habt nie gefragt", entgegnete Zoey schulterzuckend.

„Du kannst sie auch sehen, oder?", fragte Luna plötzlich.„Die Thestrale ..."

„Ja, ich kann sie auch sehen", gestand Zoey nach einer langenPause. „Albus denkt, dass sich ein kleiner Teil tief in mir drinwohl noch daran erinnern kann, was meiner Familie damals widerfahrenist."

„Aber du siehst es nicht klar und deutlich vor dir, wie espassiert ist?", fragte Luna nach.

„Nein, wenn ich versuche, mich daran zu erinnern, sehe ich nurschwarz und ich kriege furchtbare Kopfschmerzen.

Ich will mich auch gar nicht erinnern. Wenn ich sehe, wie Albusguckt, wenn dieses Thema mal zur Sprache kommt, dann bekomme ich einevage Vorstellung davon, wie grauenvoll es meiner Familie anscheinendergangen sein muss. Keiner außer mir hat überlebt ...

Wie war es bei dir? Wie ist deine Mutter gestorben?"

„Sie war eine außergewöhnliche Hexe. Sie hat gernrumexperimentiert und eine ihrer Experimente ist furchtbar schiefgelaufen ... Es war hinterher nicht wirklich viel von ihr übrig."

„Das ist schrecklich ... Es tut mir Leid, ich hätte gar nichterst fragen dürfen. Es muss schmerzhaft sein, diese Erinnerungenwieder auszugraben ..." Plötzlich kam Zoey eine Idee, wie sieLunas Laune heben könnte. „Komm mal mit, Luna. Jungs, wir sehenuns nachher!"

Luna rannte Zoey ohne zu widersprechen hinterher. Zoey spürte dieBlicke der anderen auf ihr ruhen, aber es war ihr egal. Sie würdeLuna etwas zeigen, was sie mit keinem anderen zuvor geteilt hatte.

„Wir gehen in den Verbotenen Wald", stellte Luna fest. Siehatte Zoey endlich eingeholt und hielt mit ihr Schritt.

Zoey nickte bestätigend. „Ich hoffe, das macht dir nichts aus?Du hast doch keine Angst?", fragte sie nach.

Sie waren endlich angekommen. Zoey begrüßte die Thestrale miteinem Lächeln. Sie schritt zu dem Größten von ihnen – denLeithengst Tenebrus – und streichelte seine Schnauze. „Na, habtihr mich vermisst?", murmelte sie. Sie drehte sich um, um Luna zusagen, dass sie keine Angst zu haben brauchte und näher kommenkonnte, doch Luna war schon längst bei den anderen Thestralen undschien sich wirklich wohl zu fühlen.

„Bist du schon mal auf einem Besen geflogen?", erkundigte sichZoey. Nachdem sie bejahte, fragte Zoey: „Würdest du gern mal aufeinem Thestral fliegen? Sie scheinen dich zu mögen ..." Lunasgraue Augen leuchteten auf, als wäre Weihnachten vorverlegt worden.

„Du musst dich aber gut fest halten!", warnte Zoey sieüberflüssigerweise. Selbst wenn Luna abrutschen und fallen würde,würden die Thestrale sie rechtzeitig auffangen, bevor sie sichernsthaft verletzen konnte.

Zoey blickte Tenebrus tief in die weißen Augen. Sie stieg dannauf seinen Rücken und klammerte sich an seinem dürren knochigenRumpf fest. Er schlug laut mit seinen fledermausartigen Flügeln undhob sich schwungvoll vom Boden ab. Es war nicht unbedingt diebequemste Art zu fliegen, aber die Sicherste ... solange man dieThestrale nicht verärgerte. Außerdem fühlte Zoey eine ArtVerbundenheit zu diesen Wesen. Sie konnte ihnen vertrauen. Sie ließensich nicht so einfach wie ein Besen manipulieren.

Zoey schaute zu Luna. Sie lag auf dem Rücken des Thestrals wieauf einem Bett und blickte verträumt zu den Wolken.

Zoey hatte keine Ahnung, wie lang sie schon flogen. Es war ihraber auch egal. Hier oben in der Luft fühlte sie sich, als könntenichts sie aufhalten. Sie war frei.

Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit wieder festen Boden unterden Füßen hatten, führte Zoey Luna zurück ins Schloss. Sie kamendabei an Hermine vorbei.

„Zoey, wo warst du?", fragte Hermine. „Du hast 'Verteidigunggegen die Dunklen Künste' verpasst! Du hast doch nicht etwageschwänzt, um in den Verbotenen Wald zu gehen? Zoey, das istunverantwortlich!"

„Komm runter, Hermine, als ob ich irgendwas Wichtiges verpassthätte ...", winkte Zoey ab. „Erzähl mal, was hat Lockhart miteuch gemacht? Ich wette, es war mehr wie eine Buchbesprechung überseine ganzen Bücher, nicht wahr?"

„Wir haben uns gegen Wichtel gewehrt", warf Hermine ein.

„Ehrlich, Wichtel? Wie furchteinflößend ...", spöttelteZoey.

„Willst du jetzt etwa das ganze Jahr über seine Stundenschwänzen? Was willst du Professor Lockhart sagen? Wie willst du dasProfessor Dumbledore erklären? Zoey, das ist unvernünftig undbeeinträchtigt deine schulische Laufbahn ..."

„Oh Hermine, jetzt beruhige dich doch", unterbrach Zoey sieunwirsch. „Ich werde nächstes Mal da sein, versprochen ...Zufrieden?"

„Okay ... gut."


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