Kapitel 2

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Ihre Ausführungen begannen relativ harmlos, nämlich mit dem, was ich schon wusste.

Ich war bei Lucy und Paul aufgewachsen und nicht bei Mom - Grace. Ich wusste, dass ich aufhören musste, sie Mom zu nennen, aber allein bei dem Gedanken daran war mir zum Heulen zumute.

Außerdem erfuhr ich, dass ich einen kleinen sechsjährigen Bruder hatte, was mich gleichzeitig erschütterte und freudig stimmte. Die Erschütterung rührte vor allem daher, dass sie ihn tatsächlich Edwin genannt hatten. Aber was hatte ich schon erwartet, bei meinem Namen waren sie ja auch nicht gerade unkreativ gewesen. Der arme Junge. Hoffentlich wurde er nicht gemobbt.

Ich fügte Edwin zu der imaginären Liste an positiven Dingen, die sich geändert hatten, hinzu. Allerdings hatte ich hatte das ungute Gefühl, dass sie nicht allzu lang werden würde. Offensichtlich hatte ich damit komplett richtig gelegen, denn schon das nächste, was ich erfuhr, zog mir sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weg. Obwohl ich in einem Bett lag.

Es begann mit einem Piepen aus Lucys Richtung, das sich als der Klingelton ihres Handys entpuppte. Schnell las sie die Nachricht, die sie bekommen hatte, und wandte sich dann mit einem warmen Ausdruck im Gesicht wieder in meine Richtung.

„Grace fragt, ob du sie gerne sehen und vielleicht mit ihr reden möchtest? Die beiden würden sofort herkommen."

Ich schüttelte den Kopf, auch wenn alles in mir danach schrie, Ja zu sagen. Es war wahrscheinlich das Beste, wenn ich versuchte, mich umzugewöhnen. Lucy war jetzt meine Mutter. So schwer es mir auch fiel, das zu verarbeiten.

„Die beiden?", hakte ich nach und eine gespannte Erwartung baute sich in mir auf. Konnte es sein, dass mein Dad - Carolines und Nicks Dad - die Leukämie besiegt hatte? Dass er vielleicht niemals erkrankt war?

„Grace und Falk", half Paul mir auf die Sprünge und mir fiel wirklich alles aus dem Gesicht.

„Grace und Falk?", echote ich. Das war ein wirklich schlechter Witz.

Lucy nickte, doch dann erstarrte sie und ihr Lächeln verblasste.

„Oh. Sie waren nicht . . .?

„Nein!", stieß ich entsetzt aus. Der irrsinnige Drang, in Lachen auszubrechen, keimte in mir auf. Und es würde eines von der irren Sorte werden.

„Sie hat ihn gehasst! Und mit Kuchen abgeworfen", erinnerte ich mich und starrte die beiden flehend an. Das konnte doch nicht wahr sein! Grace und Falk? Niemals!

Lucy lachte. „Ich erinnere mich, da war was. Er muss sich entschuldigt haben."

„Tja, das ist mein Bruder. Sie sind inzwischen verheiratet und haben zwei Söhne."

Offensichtlich schien Paul beschlossen zu haben, dass es besser war, mich ins kalte Wasser zu schubsen, als noch länger um den heißen Brei drum herum zu reden.

Nun klappte mir wirklich die Kinnlade herunter. Falk hatte Kinder?! Mit meiner Mom?! Gleichzeitig wurde mir etwas Furchtbares bewusst. Wenn Mom Falk geheiratet hatte, dann hatte sie Nicolas vermutlich nie kennen gelernt! Und Nick und Caroline? Ich traute mich beinahe nicht, zu fragen.

„Nick und Caroline?", war alles, was ich hervorbrachte.

Lucy biss sich auf die Unterlippe, während Paul spürbar meinen Blick mied.

„Nick ja, das dürfte der Jüngere der beiden sein. Aber eine Caroline gibt es nicht. Es tut mir Leid, Gwenny", sagte er dann sanft.

Tränen traten mir in die Augen. Meine süße, kleine Caroline! Und Nick! Es war nicht der richtige Nick, offensichtlich hatte Mom nur ein Faible für den Namen gehabt. Ich konnte mich nicht länger beherrschen. Runde Tränen kullerten mir über die Wangen und Lucy stieß einen bestürzten Laut aus, bevor sie mich fest in ihre Arme schloss.

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