Kapitel 17

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Als Lucys Auto am nächsten Morgen vor der Schule hielt, stellte ich erleichtert fest, dass sich äußerlich nicht groß etwas getan zu haben schien. Gott sei Dank! Ich war mir nicht sicher, wie ich reagiert hätte, wenn auch meine Schule anders ausgesehen hätte.

„Mach dir keine Sorgen, Gwenny", sagte Lucy, als ich aus dem Auto stieg.

Ich nickte und fragte mich gleichzeitig, wie sie sich das vorstellte. Dann bekam ich ein schlechtes Gewissen. Sie meinte es ja nur gut.

„Ich wünsche dir einen schönen Tag. Meld dich, falls . . . falls irgendwas ist", fügte sie noch hinzu und zog eine Grimasse. „Du kannst bestimmt Leslies Handy benutzen."

Ich zog eine Grimasse. Als Lucy heute Morgen in mein Zimmer gekommen war um mich zu wecken, hatte sie als erstes die Überbleibsel meines Handys am Boden liegen sehen. Ich war ihr tierisch dankbar dafür, dass sie sich nicht erkundigt hatte, was geschehen war. Bei dem Gedanken daran, hatte ich schon wieder das Gefühl mein Hals würde sich zuschnüren. Es wurde Zeit, dass ich mich ablenkte. Es tat weh, so über ihn zu denken, aber das, was Gideon wollte, war doch letztendlich nichts anderes als dass ich mich schlecht fühlte.

„Gwenny!", hörte ich Leslies Stimme in meinem Rücken.

Schnell verabschiedete ich mich von Lucy und noch bevor ich mich vollständig umdrehen konnte, flog Leslie mir auch schon in die Arme. Ich war noch immer so unglaublich dankbar, dass sie sich nicht verändert hatte und drückte sie ganz fest. Sobald sie sich von mir löste und mir in die Augen sah, verschwand der fröhliche Ausdruck von ihrem Gesicht.

„Was ist los? Also . . . ist was passiert oder ist es nur allgemein weil alles so anders ist?", fragte sie vorsichtig, während sie mich an der Hand nahm und in eine Schulhofecke zog, die relativ verlassen war.

Wir hatten noch ein paar Minuten, bis der Unterricht beginnen würde. Und obwohl ich weder mit Lucy noch mit Paul über das Thema hatte reden wollen – denn das wäre einfach zu peinlich gewesen - sprach nichts dagegen, meinen Kummer mit Leslie zu teilen.

„Du warst gestern bei Gideon, oder? Ich hab überlegt, ob ich dich noch anrufe, aber dann dachte ich, dass du bestimmt ein bisschen Ruhe brauchst. Ich hätte anrufen sollen, oder? Mist!"

Sie schien ernsthaft bestürzt, was mir ein kleines Lächeln entlockte.

„Ja, ich war im Krankenhaus. Er war ätzend."

Ich stieß einen Laut aus, der sowohl Lachen als auch Weinen hätte sein können und schaute zu, wie Leslies Augen sich weiteten.

„Das tut mir leid, Gwenny. Aber ich kann es nicht glauben, dass du tatsächlich dort warst! Ich weiß, ihr wart zusammen und so . . ."

Sie schloss den Mund, als sie meinen Gesichtsausdruck sah.

Ich seufzte. „Er war so anders. Kein bisschen wie früher."

„Aber das war ja nicht mal das Schlimmste. Die Wächter haben keine Annalen, kannst du dir das vorstellen?", fragte ich verärgert und Leslie schaute mich leicht verunsichert an.

„Was sind Annalen?", fragte sie vorsichtig.

Also erzählte ich ihr von den Annalen, wie Lucy und ich nach dem Krankenhausbesuch nach Temple gefahren waren, um an den Abend der Soiree zu elapsieren, dass Gideon und ich dort nicht aufgekreuzt waren und dass ich nun sämtliche Hoffnung aufgegeben hatte, in mein altes Leben zurückzukehren. Eine kleine Stimme in meinem Kopf schrie mir zu, nicht so melodramatisch zu sein, aber was sollte ich denn machen? Ich fühlte mich, als hätte Gott sich einen fiesen Scherz erlaubt und mich in diese Entschuldigung eines Lebens gesteckt. Augenblicklich bereute ich diesen Gedanken.

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