Kapitel 4

724 31 7
                                    

Ein leises Klopfen ertönte.

„Ja?", brachte ich schwach hervor. Bitte lass es nicht Charlotte sein!, flehte ich innerlich. Vielleicht war ihr noch etwas Wichtiges eingefallen, was sie mir als neue BFF unbedingt sofort erzählen musste? Doch glücklicherweise war es bloß Edwin, der nun den Kopf durch den Türspalt hineinsteckte.

„Es gibt Pfannkuchen!", rief er vergnügt und strahlte mich an.

Leider konnte ich meinen Gesichtsausdruck nicht schnell genug richten und obwohl der Kleine erst sechs Jahre alt war, oder vielleicht auch gerade deswegen, roch er den Braten sofort. Besorgnis zeichnete sich auf seinem kleinen Gesicht ab. Mit einem Blick über die Schulter trat er ins Zimmer und schloss mit ernster Miene die Tür hinter sich. Dann lief er zu mir und setzte sich neben mir aufs Bett.

„Was hast du, Gwenny?", fragte er dann, ohne groß um den Brei drum herum zu reden. Nun konnte ich ein Lächeln doch nicht ganz unterdrücken. Er war wirklich unglaublich knuffig!

„Ich hatte einen anstrengenden Tag, das ist alles", beeilte ich mich zu sagen. Der Kleine lehnte seinen Kopf an meine Schulter und ich legte ganz automatisch den Arm um ihn.

„Hast du dich mit Leslie gestritten?", hakte er mitfühlend nach.

Den Kopf schüttelnd verneinte ich. „Es ist wirklich alles in Ordnung, Eddy."

Der Spitzname kam mir einfach so über die Lippen und obwohl das beinahe noch schrecklicher klang als sein eigentlicher Name, schien es ihn nicht zu stören. Offensichtlich nannte ich ihn immer so. Das sagte mir auch das unbestimmte Gefühl in meinem Bauch. Er grinste mich unter seinen schwarzen Haaren hindurch an, die ihm bis auf die Stirn fielen. Jemand sollte den Armen Jungen mal zum Frisör bringen.

„Dann komm jetzt Pfannkuchen essen! Mama hat gesagt, wir können so viele essen wie wir wollen!", verkündete er begeistert und packte meine Hand, um mich aus dem Zimmer zu ziehen. Bis wir in der Küche angekommen waren, ließ er mich nicht mehr los und das war mein Glück. Andernfalls hätte ich nämlich nicht den blassesten Schimmer gehabt, wo ich hinmusste.

Ein wirklich köstlicher Duft schlug uns schon vor der Tür entgegen und als wir die Küche betraten, wurden wir von einer reinen Pfannkuchenduftwolke in Empfang genommen, die meinen Magen knurren ließ, obwohl ich gerade erst etwas gegessen hatte. Lucy wirbelte, in eine kunterbunte Küchenschürze gewickelt, vor dem Herd herum, während Paul am fertig gedeckten Tisch saß und uns über seine Zeitung hinweg anlächelte. Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. Hier sollte ganz dringend mal an der Rollenverteilung gearbeitet werden.

„An den Tisch!", scheuchte Lucy uns auf unsere Plätze und balancierte einen goldbraunen Pfannkuchen mithilfe des Küchenfreunds auf Edwins Teller. Dieser bestreute ihn sofort großzügig mit Zucker und Zimt und griff als nächstes nach Apfelmus und Marmelade. Paul faltete die Zeitung zusammen, warf sie hinter sich auf die Fensterbank und brachte den Süßkram vor seinem Sohn in Sicherheit.

„Erdbeermarmelade, Apfelmus, Zimt und Zucker? Das sind ganz sicher nicht meine Gene", lachte er.

Edwin zog einen Flunsch, stellte das Schmollen aber mit Aussicht auf den dampfenden Pfannkuchen vor sich schnell wieder ein.

Als alle saßen, herrschte für einige Minuten gefräßiges Schweigen und ich musste zugeben, dass die Dinger wirklich phänomenal schmeckten. Genau das sagte ich Lucy auch und sie wurde ganz rot vor Freude. Als Edwin schließlich nicht mehr ununterbrochen etwas in seinen kleinen Mund schaufelte, sondern sich dazwischen einige Sekunden Verschnaufpause gönnte, begann er lebhaft von seinem Tag zu berichten. Charlotte hatte ihn offensichtlich gut unterhalten, was einfach immer noch nicht in meinen Kopf gehen wollte. Sie war nie besonders kinderfreundlich gewesen. Aber sie war auch nie meine beste Freundin gewesen, von daher konnte ich es wohl abhaken, mich auf ihr altes Verhalten zu beziehen.

MondsteingrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt