Für eine Weile blieb Gideon auf dem Sofa sitzen und gab ab und zu entweder einen anzüglichen, oder aber einen einfach nur bescheuerten Kommentar ab, doch dann setzte er sich zu uns und spielte tatsächlich mit Legosteinen. Er gab sich zwar anfangs noch Mühe, gelangweilt und desinteressiert zu wirken, aber da hatte er seine Rechnung ohne Edwin gemacht. Mein kleiner Bruder versuchte mit allen Mitteln, seinen neuen besten Kumpel in das Geschehen mit einzubinden, was ihm nach wenigen Minuten gelang. Gideon baute ein Schiff. Nicht irgendein Schiff, sondern so ziemlich das größte Legoschiff, das ich je gesehen hatte. Diese kleine Geste guten Willens seinerseits machte mich so unfassbar glücklich, dass ich mich kurz von den beiden entschuldigte mit der Begründung, was zu trinken zu holen, und mir dann in der Küche eine kleine Runde der Freudentränen gönnte. Das war das schönste Geburtstagsgeschenk, das er mir hätte machen können.
Dann drehte sich ein Schlüssel in der Haustür. Ich zuckte zusammen, wischte mir die Tränen vom Gesicht und lief in den Flur, um Schlimmeres zu verhindern. Glücklicherweise war es Lucy und nicht Paul, die nun eintrat.
„Hey Süße. Und, wie war dein Tag? Haben deine Mitschüler dich gebührend gefeiert?", fragte sie mit einem breiten Lächeln, das allerdings schnell verblasste, als sie meine leuchtenden, feuchten Augen und mit Sicherheit geröteten Wangen sah. Ihre Augen verengten sich misstrauisch.
„Was ist los?", fragte sie. Ich stellte mich so vor sie, dass ich ihr den Blick und den Weg zum Wohnzimmer versperrte.
„Nichts, was sollte sein?", flötete ich. Im selben Moment wurde mir klar, dass ich damit nicht durchkommen würde. „Gideon ist da", gab ich seufzend zu. „Aber er benimmt sich und spielt sogar mit Edwin."
Lucy fiel alles aus dem Gesicht und sie schob sich an mir vorbei und schritt energisch auf das Wohnzimmer zu, ohne auch nur ihre Jacke oder die Schuhe auszuziehen. Oh, oh. Vor der offenen Wohnzimmertür stoppte sie ruckartig und ich stellte mich auf Zehenspitzen, um über ihre Schulter zu schauen.
„Mama!", rief Edwin und rappelte sich auf, um freudestrahlend auf Lucy zuzurennen. Sie nahm ihn in die Arme und griff dann nach seiner Hand, offensichtlich um ihn daran zu hindern, zurück zu Gideon zu laufen, der noch immer auf dem Boden saß, vorsichtig lächelnd.
„Hallo Lucy", begrüßte er sie und stand auf.
Was er dann tat, überraschte nicht nur mich, sondern auch meine Mutter so sehr, dass sie sich nicht von der Stelle rührte, als Gideon auf sie zutrat und ihr die Hand gab. Wie in Zeitlupe hob sie ihre eigene und sie schüttelten Hände. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf.
„Ich schätze, ich bin auch dir eine Entschuldigung schuldig. Dafür dass ich Gwen so mies behandelt habe. Es tut mir leid, ich war . . . ein Arschloch", sagte er dann.
Lucys Faust ballte sich und entspannte sich wieder, ballte sich und entspannte sich. Ihr Mund stand ein Stück offen, so verdattert wirkte sie.
„Danke, Gideon", sagte sie dann kühl und trat einen Schritt zurück.
„Mami, guck, was Gideon gebaut hat! Es ist das größte Schiff der Welt! Und es hat sogar Löcher an der Seite für Kanonen", schwärmte Edwin und zog an Lucys Hand, um ihr das Schiff näher vorzustellen. Sie ließ sich widerstrebend mitziehen, warf Gideon allerdings einen ungläubigen Blick zu, der mich einen gewissen Triumph verspüren ließ.
„Das sieht wirklich toll aus", sagte Lucy verkrampft lächelnd zu Edwin und strich ihm über den Kopf.
„Und er hat mich auf seinem Motorrad fahren lassen! Fast den ganzen Weg vom Kindergarten bis nach Hause!", brabbelte Edwin weiter.
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Mondsteingrau
Fiksi PenggemarDer Graf ist tot, wirklich und wahrhaftig. Doch durch Gwen und Gideons Eingreifen in die Geschichte hat sich in der Gegenwart so einiges geändert. Was zum Beispiel ist mit Charlotte passiert, die plötzlich regelrecht freundlich geworden ist, und aus...